Editorial

Mindestlohn für Hiwis

(10.7.15) Der gesetzliche Mindestlohn gilt auch für wissenschaftliche Hilfskräfte. 8,50€ pro Stunde sind Pflicht. In der Praxis sieht das aber anders aus.
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Man liest zur Zeit öfter von uniformierten und bewaffneten Zollbeamten, die unangemeldet auf Baustellen, in Bäckereien oder Schlachthöfen erscheinen. Die Zöllner nehmen Mitarbeiter ins Kreuzverhör und lassen sich Gehaltszettel und Personalpläne zeigen. Ziel dieser Aktionen sind zwielichtige Arbeitgeber, die den seit Jahresbeginn geltenden Mindestlohn umgehen.

Was die Fahnder wohl finden könnten, wenn sie sich mit der gleichen Akribie universitäre Labore und Büros vorknöpfen würden? Dort, versteckt zwischen Zentrifugen und Autoklaven, lebt beispielsweise eine unscheinbare Mitarbeiter-Spezies, die traditionell am untersten Ende der Gehaltspyramide steht: die wissenschaftliche Hilfskraft. Hiwis stecken Pipettenspitzen, gießen Gele, rühren Medien an, oder pflegen Datenbanken. Motiviert sind sie meist überdurchschnittlich – schließlich können sie in die echte Forschung reinschnuppern und Kontakte zu potentiellen Betreuern für Bachelor- und Masterarbeit knüpfen.

Editorial

Knausrige Bayern

Aber nur ums Lernen und Netzwerken geht's den Hiwis nicht. Kohle muss schon auch her, das  Studenten-Budget ist notorisch knapp. Interessant dabei: die Bezahlung der studentischen Aushilfen ist in Deutschland recht ungleich geregelt. In Berlin gibt's über 10€ pro Stunde, einen Tarifvertrag und Urlaubsanspruch. Prima Sache, so ein Hiwi-Job in der Hauptstadt. Aber in welchem Bundesland gehen die (Stech-)Uhren anders? Genau, im reichen Bayern. Das zumindest geht aus einem TV-Beitrag des Campus-Magazins hervor (BR; bei Youtube abrufbar).

So mancher Fachbereich im Freistaat konnte oder wollte die zusätzlichen Mittel nicht auftreiben, um den Stundenlohn ihrer Hiwis von bisher lausigen 7€ auf das vorgeschriebene Mindest-Niveau aufzustocken, so das BR-Magazin. Aber auf dem Papier müssen seit Jahresbeginn mindestens 8,50€ pro Stunde stehen. Wäre ja noch schöner, wenn staatliche Arbeitgeber die eigenen Gesetze missachteten.

Weniger bezahlte Stunden, gleiche Arbeit

Also kürzten viele Dienststellen offenbar die Stundenzahl in den Verträgen. Unverändert blieben aber mancherorts die Aufgaben der studentischen Hilfskräfte, die folglich genauso lange arbeiten wie vor der Stundenkürzung. Und somit in der Realität nach wie vor weniger als acht fuffzig pro Stunde bekommen. Einige Fallbeispiele, z. B. von der Uni Würzburg, hat das "Campusmagazin" vorgestellt. Einzelfälle dürften es wohl nicht sein.

Nun gibt es gerade in den Lebenswissenschaften zwei verschiedene Stellen-Profile der typischen Hiwi-Jobs. Manche studentischen Mitarbeiter erledigen tatsächlich reine Hilfsarbeiten – Glaswaren spülen, Agar-Platten gießen, den Kühlraum sortieren. Andere Hiwis haben ihr eigenes kleines Forschungsprojekt. Einige schaffen so schon im Studium eine eigene wissenschaftliche Publikation.

Da könnte man nun sagen (und so mancher Professor denkt genau das): So ein studentischer Forschungs-Job ist ein Geben und Nehmen. Die Betreuer investieren ihre Zeit für ausführliche Erklärungen, und der Hiwi kann sich erste wissenschaftliche Lorbeeren verdienen.

Ob sich der Einsatz eines Hiwis für den Betreuer (meist ist das ein Postdoc oder Doktorand) lohnt, ist tatsächlich eine gute Frage: Schließlich muss man den unerfahrenen Studis am Anfang genau auf die Finger schauen und viel erklären.

Anfänger-Murks

So ein Anfänger-Hiwi vermurkst auch mal so einiges. Teure Enzyme denaturieren bei sommerlichen 40°C auf der Bench vor sich hin, weil der Studi sie nicht zurück in den Tiefkühler gestellt hat. Gele werden falsch herum an die Elektrizität angeschlossen. In "eigentlich" sterilen Medien wächst derweil eine bunte Bakteriengemeinschaft heran (Woher der Laborjournal-Autor das weiß? Er war selbst mal Hiwi...).

Und wenn sie endlich alleine werkeln könnte, ziehen die Hiwis oft auch schon wieder weiter oder müssen für Prüfungen lernen.

Ja, das kann man alles anführen. Ist aber egal. Denn der Gesetzgeber sagt: Für jede Stunde, die Hiwis im Rahmen des Vertrags arbeiten, müssen sie mindestens 8,50€ bekommen. Punkt.

Andererseits: Mit der Selbstausbeutung kann man gar nicht früh genug anfangen. Dass man sich besser gar nicht erst ausrechnet, was man real pro Stunde verdient: Daran müssen sich angehende Wissenschaftler gewöhnen. Doktorandinnen, die 50 Stunden oder mehr im Labor verbringen, auf einer halben Stelle, und dann auch noch ihren Urlaub verfallen lassen; Postdocs, die bis tief in die Nacht experimentieren, Anträge schreiben, und am Wochenende die Vorlesung vorbereiten, die der Professor eigentlich selbst halten müsste: Das ist Alltag an deutschen Unis. So wird der Laden am Laufen gehalten. Da ist so ein unterbezahlter Hiwi-Job doch ein guter Test, ob man sich im hiesigen Forschungsklima wohl fühlt.

Aber so zynisch sind die akademischen Arbeitgeber in Bayern und anderswo dann doch nicht. Oder?

 

Hans Zauner
Illustration: (c) Magele / Fotolia



Letzte Änderungen: 25.08.2015