Editorial

Aus für Tübinger Affenversuche

(11.5.15) Am Tübinger MPI für biologische Kybernetik wird es bald keine Versuche an Primaten mehr geben. Institutsdirektor Logothetis will nur noch an Ratten forschen.
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Dieser Entscheidung gingen monatelange, heftige Proteste von Tierschützern voraus, zudem Berichte des Senders Stern TV und auch behördliche Ermittlungen, inklusive einer Hausdurchsuchung des Tübinger Max-Planck-Instituts (Laborjournal Online hat berichtet).

Aufgrund der „unaufhörlichen Diffamierungen von Seiten der radikalen Tierversuchsgegner“ sah sich Logothetis zur Beendigung seiner Affenversuche gezwungen, bestätigt auch die Pressestelle der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Die Medien sprachen vom Versagen der Demokratie, auch die Wissenschaftsministerinnen des Bundes, Johanna Wanka, und des Landes Baden-Württemberg, Theresia Bauer, drückten ihre Betroffenheit über diese Entwicklung aus.

Die Protestbekundungen waren tatsächlich heftig, wie auch eine Laborjournal-Nachfrage bei der MPG ergab. Es gab Beschimpfungen und Bedrohungen. Die Staatsanwaltschaft Tübingen teilte mit, dass ca. zwei Dutzend Fälle meist anonymer Beleidigungen und Bedrohungen durch Emails und Briefe strafrechtlich verfolgt werden. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Tübingen, Ronny Stengel, sprach von erhöhter Bedrohung und stuft die Beleidigungen als sehr ernsthaft ein. Er rechnet bei diesen Ermittlungen gegen Unbekannt aber mit wenig Ermittlungserfolg.

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In einem privaten Brief an seine US-amerikanischen Fachkollegen warf Logothetis der MPG nun vor, ihn nicht ausreichend zu unterstützen und nicht genügend für die strafrechtliche Verfolgung der Tierschützer zu tun. „Die Toleranz und die langsamen Reaktionen der wissenschaftlichen Organisationen“ würden die Tierschützer „ermutigen, ihre aggressiven Aktivitäten zu steigern“, schrieb er den Kollegen. Ein offener Unterstützungsbrief für Logothetis, initiiert vom Tübinger Neurowissenschaftler Peter Thier, hat mittlerweile mehr als 3500 Unterschriften angesammelt (Stand 11. Mai).

Unklar ist indes, ob vielleicht auch möglicher Gegenwind der Behörden für Logothetis Entscheidung eine Rolle spielte. Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik verfügt zur Zeit über elf aktive Tierversuchsgenehmigungen für Primatenforschung, mit unterschiedlicher Laufzeit. Seit Juni 2014 wurden keine neuen Anträge mehr eingereicht. Bei einer der bestehenden Genehmigungen wurde laut Aussage des Regierungspräsidiums Tübingen „ein Widerruf in Betracht gezogen“. Davon hat man dann aber abgesehen, "da das Max-Planck-Institut die betreffenden Versuche nicht weiter verfolgt". Um welche Genehmigung es sich dabei handelt, darüber könne aufgrund der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Auskunft erteilt werden. Auch die MPG-Pressestelle wollte sich nicht klar über den Inhalt der Zusammenarbeit mit den Tübinger Behörden äußern.

Für Tiefenhirnstimulations-Experimente pflanzen die Tübinger Forscher den Affen Elektroden ein und fixieren sie nachfolgend stundenlang in einem Spezialstuhl. Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt im Zusammenhang mit diesen Versuchen aufgrund einer Strafanzeige. Der Verdacht: Ein möglicher Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

 

Leonid Schneider

Anmerkung der Redaktion:

Was lernen wir aus dieser Geschichte? Zum Thema "Tübinger Affenversuche" gehen die Meinungen auseinander  – auch unter den Laborjournal-Autoren. An dieser Stelle erscheinen demnächst Kommentare von Leonid Schneider und Brynja Adam-Radmanic, die jeweils unterschiedliche Aspekte der Affäre aufgreifen werden.


Bild: Manfred Grohe / Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik



Letzte Änderungen: 25.06.2015