Editorial

Das Große Forscherhoroskop...

...samt dem Kalenderblatt des Monats Januar. Von Siegfried Bär

(08.01.2005) Feinwaage: Dieses Jahr sollten Sie nichts übertreiben und alles abwägen. Falls Ihnen zuviel zugemutet wird, betätigen Sie den Blockierhebel und verwerfen Sie die Überlast. Wichtige Werte vor Zugluft schützen.

Liebe: Nehmen Sie es damit ganz genau, bis auf's Mikrogramm!

Charakter: Feinwaagen gelten als penibel und zuverlässig.



Steinbock: Ihr Heuverbrauch ist zu groß. Wechseln Sie dieses Jahr ihr Versuchstier. Und rasieren Sie sich endlich das Kinnbärtchen ab.

Liebe: Der Steinbock trägt Hörner. Das sagt wohl alles.

Charakter: Wie alle hörnertragenden Lebewesen zeichnet sich der Steinbock durch große Vertrauensseligkeit aus.



Widder: Sie werden es dieses Jahr schwer haben. Ihre Kollegen beschimpfen Sie als widderlich und beschuldigen Sie, dauernd den Probenpuffer aufzubrauchen. Zeigen Sie Geduld. Und setzen Sie mal neuen Puffer an.

Liebe: Auch der Widder trägt Hörner. Sagt wohl auch alles.

Charakter: Widder haben einen Widderwillen gegen Mercaptoethanol und Feinwaagen.



Wassermannsche Reaktion: Sie werden gelegentlich an Hautausschlägen leiden, des weiteren an fleckförmigem Haarausfall und Sehstörungen. Keine Angst, nach einiger Zeit verschwindet das von selbst. Dennoch sollten Sie auch bei flüchtigen Liebschaften Kondome benutzen. Achten Sie auf guten Sitz und übertreiben Sie es nicht. Auch der beste Gummi kann reißen.

Liebe: Sie können gar nicht vorsichtig genug sein.

Charakter: Der positive Wassermann sitzt stumpfsinnig, dumm, schwerfällig und eigensinnig herum, ist gewöhnlich bedrückt und leidet Nachts an Beklemmungen und Angst.



Löwry: Auch dieses Jahr wird man Sie häufig in Anspruch nehmen. Besondere Erfolge werden Sie in der Proteinbiochemie feiern. Falls Sie auf diesem Gebiet noch nicht tätig sind, unbedingt wechseln.

Liebe: Sie sind zwar schon etwas ältlich doch immer noch von Reiz für den Forscher.

Charakter: Etwas alkalisch mit Neigung zu zyanotischen Anfällen (Blaufärbung). Letztere können durch eiweißfreie Kost verhindert werden.



Skorpiongift: Ihre Eigenschaften entwickeln ihre volle Vielfalt erst nach Ionenaustauscherchromatographie und HPLC. Arbeiten Sie also mit diesen Methoden. Dennoch werden Sie dieses Jahr einige schmerzhafte Erfahrungen machen.

Liebe: Der Skorpion benützt seinen Stachel nur beim Paarungsvorspiel. Begattet wird in einer Art Tanz, wobei das Männchen das Weibchen über eine Spermatophore führt.

Charakter: Heimtückisch und giftig.



Krebs (Lunge) : In einigen Monaten wird ein für Sie sehr wichtiges Ereignis eintreten. Es kann sein, daß Sie damit auf finale Weise zur Konsolidierung der Rentenkassen beitragen.

Liebe: Interessiert Sie nicht mehr.

Charakter: fatal



Zwillinge: Falls Sie Erfolg mit Ihrem Klonierungsprojekt haben, werden Sie dieses Jahr auf ein Menschen treffen, der Ihnen sehr ähnlich ist.

Liebe: Nicht nötig.

Charakter: zweideutig



Schütze: Schützen Sie keine Müdigkeit vor, dann wird es dieses Jahr klappen mit Ihrer Promotion. Falls sich der Professor sperrt, sollten Sie schweres Geschütz auffahren.

Liebe: Dieses Jahr werden Sie keinen Treffer landen. Glück bei der Promotion, Pech in der Liebe.

Charakter: explosiv, zielstrebig, schießt aber gelegentlich am Ziel vorbei.



Jungfrau: Sollten Sie nicht bleiben, sondern dieselbe an den Mann bringen. Natürlich muß es der rechte Mann sein. Nehmen Sie einen älteren Herrn mit Lehrstuhl. Ziehen Sie Schuhe mit hohen Absätzen an. Wechseln Sie den Lippenstift und tragen Sie Strapse.

Liebe: siehe oben.

Charakter: vorsorglich



Fisch(Zebra) : Auch in 2005 stehen wieder viele Experimente an. Kommen Sie nicht ins Schwimmen und lassen Sie ihre Flossen von Mutationen des Liebeskummergens (lik).

Liebe: Einigermaßen wahllos. Bis zum zehnten Tag nach der Befruchtung ist Ihr Innenleben klar und durchsichtig. In dieser Zeit sollten Sie besonders vorsichtig sein.

Charakter: gestreift



Stier: Dazu fiel unserem Medium nichts ein. Hat das eine Bedeutung? Vielleicht sollten sich Stiere einer akademischen Forschungskarriere enthalten. Falls Sie diesen Rat in den Wind schlagen, müssen Sie eben ins Mikroskop stieren.

Liebe: Im Zeitalter der künstlichen Befruchtung ist die Liebe des Stiers nicht mehr das was sie mal war. Es gibt keine Herden von Kühen mehr, die nach Lust und Laune besprungen werden können. Ihr Liebesleben steht unter der Aufsicht von Veterinärinnen im weißen Kittel und Zeitvertrag.

Charakter: eher schwierig.





DAS KALENDERBLATT DES MONATS JANUAR

Heiliger Pipettus Nothelfer bei mißglückten RIAs und ausgelaufenen Gelen.

Symboltier: Der Ameisenbär.

Der heilige Pipettus wurde als Sohn eines Wirtes in Eppendorf bei Hamburg geboren. Schon als Kind schenkte er den durstigen Dörflern Bier aus. Wichtig war ihm nie die Menge, sondern die Gerechtigkeit: jeder bekam gleichviel (oder wenig). Später, als Wirt, wirkte Pipettus sein erstes Wunder: Unter Aufsicht einer Kommission des hl. Offiziums gelang es ihm, eine 2-Liter Flasche Rotwein bis auf den Mikroliter genau unter elf Obdachlose zu verteilen. Denn Pipettus liebte die Armen. Und weil ihm diese des öfteren die Zeche schuldig blieben, mußte er den Gasthof verkaufen. Danach ging es in seinem Leben nur noch Auf und Ab: Barmann auf St. Pauli, Theologie-Student, Gemeindepfarrer von St. Gilson in Irland. Dort erlitt Pipettus sein Martyrium: er wurde mit gelben Spitzen gesteinigt.

Zu seinem Fest stellen die Gläubigen eine Pipette in einen Erlenmeyer, bekränzen sie mit Ketten von bunten Eppendorfcups und verharren in stiller Andacht. Dabei bewegen sie den Daumen der rechten Hand auf und ab. Viele sorgengefältelte Forscher haben ihre Schreibecke zu einem Pipettus-Altar ausgebaut. Dort beten sie oder geben vor, zu denken.



Dem Forscher zum Geleit

Draußen wehen weiße Flocken

Doch meine Füße wärmen Socken

Draußen ist es elend kalt

Doch ich bekomme mein Gehalt

Draußen werkeln Doktoranden

An irgendwelchen Plasmidbanden

Doch ich sitz hier auf alle Fälle

Auf meiner festen Dauerstelle.




Forschers Trost

Die Absicht, daß der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten.

(Sigmund Freud)



Der Karrieretip

Jeder Erfolg, den man erzielt, schafft uns einen Feind. Man muß mittelmäßig sein, wenn man beliebt sein will.

(Oscar Wilde)



Unser Menüvorschlag:

Rattenschwanzsüppchen

Immer mal wieder verpaßt man die Mensa oder steht nachts um 12 vor der Elektrophorese-Apparatur und der Magen knurrt und bollert. Nichts zu essen da. Die ewige Pizza vom Pizzadienst hängt Ihnen zum Halse heraus und billig ist das auch nicht.

Aber steht nicht alles was der Körper braucht, Aminosäuren, Zucker, Mineralien, in p.a. Qualität im Laborschrank, garantiert unverseucht mit Hormonen und Pflanzenschutzmitteln? Und schon immer haben Sie die armen Ratten gedauert, denen man gerade mal die Milz oder die Leber oder das Rückenmark rauspfriemelte und den großen Rest in die Tonne warf.

Welche Vergeudung!

Hier ein Rezept, das Sie für Tage sättigt.

Nehmen Sie ein 1-Liter Becherglas und wiegen Sie mit der Feinwaage 58 mg L-Leucin, 201 mg Glutamat, 147 mg Aspartat, 293 mg Glycin, 126 mg L-Lysin und jeweils 50 mg von den weiteren biogenen Aminosäuren ein, die sich noch im Schrank befinden. Geben Sie je nach Geschmack noch 1-2 g Glucose zu. Lösen Sie die Bestandteile in einem halben Liter (Meßzylindergenauigkeit genügt) zweimal destilliertem Wasser auf (Rührfisch vorher gut abspülen) und titrieren Sie das Ganze mit NaOH auf pH 8.0. Nun holen Sie aus dem -80¡C Freezer vier Rattenschwänze (Wistar, weiblich, 4-8 Wochen alt), zerkleinern grob mit dem (Einmal)-Skalpell und geben die Stücke zu der Rattenschwanzsuppegrundlösung. Mit dem Ultra-Torrax wird homogenisiert.

Zur Geschmacksverfeinerung bröckeln Sie 1 g Asolektin (Sigma) zu oder - bei feierlichen Anlässen - die hochgereinigten Phospholipid-Präparationen von Avanti Polar. Danach suspendieren Sie mit Ultraschall (3 mal 30 Sekunden Stellung 5) und kochen auf kleiner Flamme für 10 Minuten. Knorpel abfiltrieren, mit Capsaicin (Sigma) und NaCl (Merck) abschmecken und fertig.

Rattenschwanzsuppe eignet sich als Entree für die unvermeidlichen Geburtstagsfeiern, wo einem die Kollegen mit seltsamen Geschenken überraschen und dafür erwarten, daß man sie bewirtet.

Guten Apettit!



Letzte Änderungen: 09.01.2005