Editorial

Genetische Screens mit CRISPR/Cas9

"Genome Editing" ist der  gentechnische Austausch von Erbgut-Abschnitten. Das Labor von Eric Lander sucht mit einer spannenden Variante dieser Technik im großen Stil nach mutierten Zelllinien. Unser Methodenexperte erklärt, wie diese CRISPR/Cas9 – Screens  funktionieren.
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(c) Jennifer Doudna/UC Berkeley

(12. Dezember 2013) Die Genom-Editing Methode CRISPR/Cas9 verbreitet sich derzeit wie ein Lauffeuer in den Laboren von Biowissenschaftlern. Die aus dem Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats oder CRISPR-Pathway der Bakterien abgeleitete Technik ist nicht nur einfacher und schneller als Editier-Verfahren mit Zinkfinger und TALE-Nukleasen, sie ist auch kostengünstiger. Im Grunde benötigt man für das CRISPR-Editing lediglich eine Cas9 Nuklease, die als Genschere fungiert, und einen kurzen RNA-Schnipsel (single guide RNA, kurz sgRNA), der Cas9 zum komplementären Abschnitt der Ziel-DNA führt. Die sgRNA bindet an ihren komplementären DNA-Gegenpart, Cas9 zerschnippelt ihn und schwupp ist das anvisierte Gen aus dem Genom heraus gekickt und kann durch ein anderes ersetzt werden.

Bisher nutzten Forscher das CRISPR/Cas9 System meist, um zum Beispiel mutierte Zelllinien oder Mäuse mit modifizierten Allelen herzustellen. Wie Eric Landers Gruppe vom MIT in Cambridge, USA, in Science berichten, eignet es sich aber auch für die großangelegte Suche nach Funktionsverlustmutanten in humanen Zellen (Wang et al.  DOI: 10.1126/science.1246981). Landers Team konstruierte hierzu eine Bibliothek mit 73151 sgRNA-Schnipseln, die gegen 7114 humane Gene gerichtet waren. Die sgRNA-Bibliothek verpackte die Gruppe in Lentiviren und schleuste diese zunächst in die haploide, Cas9-exprimierende humane Zelllinie KBM7 (Cas9-KBM7) ein. Da Lentiviren ihr Genom kontrolliert in das Genom der transduzierten Zellen einbauen, entstand so eine riesige Bibliothek aus sgRNA Knockout-Zellen mit integriertem sgRNA-Barcode. Die Gruppe sequenzierte anschließend die sgRNA-Abschnitte und konnte hierdurch die sgRNA-Barcodes einzelnen Zellen zuordnen. Bei infizierten Zellen, die ohne Selektionsdruck wuchsen, waren die sgRNAs hierbei gleichmäßig in der Zellpopulation verteilt. Wie aber sah die Verteilung nach einer vorangegangenen positiven oder negativen Selektion der Zellen aus?

Um diese Frage zu beantworten, kultivierten Landers Leute Cas-9-KBM7-Zellen in Gegenwart von 6-Thioguanin (6-Thioguanion induziert DNA-Läsionen, die Zellen mit intaktem Mismatch Reparatur-System (MMR) nicht reparieren können, sie hören deshalb auf sich zu teilen. Zellen mit defektem MMR-System ignorieren die Macken in der DNA und wachsen weiter). Die Amerikaner sequenzierten die sgRNA-Barcodes nach der TG-Selektion und werteten deren Häufigkeit in der übrig gebliebenen Zellpopulation aus. Das Ergebnis war eindeutig: die gegen die MMR-Gene, MSH2, MSH6, MLH1 und PMS2 gerichteten sgRNAs waren in den TG-behandelten Zellen "dramatisch" angereichert.

In einem zweiten Experiment testete Landers Gruppe das sgRNA-Screening-Verfahren an diploiden HL60 Zellen, bei denen beide Allele des jeweiligen Zielgens ausgeschaltet werden müssen. Die positive Selektion erfolgte hier mit der Substanz Etoposid, die die DNA Topoisomerase IIA (TopIIA) lahmlegt. Gesucht wurde nach Genen, deren Verlust zur TopIIA-Resistenz führt. Wie erwartet war die sgRNA gegen TopIIA überrepräsentiert, zudem stellte sich heraus, dass auch die Cyclin-abhängige Kinase CDk6 bei der TopIIA-Resistenz eine Rolle spielt.

An einen Screen mit negativer Selektion, bei dem die betroffenen Zellen einen Selektionsnachteil erleiden, tasteten sich Lander und Co zunächst mit einem Vorversuch heran. Bei diesem infizierten sie die KBM7-Zellen mit einem kleinen Teil der sgRNA Bibliothek, der die Gene BCR und ABLI aufs Korn nahm (die Genprodukte von BCR und ABLI bilden ein für die Zellen essentielles Fusionsprotein). Anschließend sequenzierten sie die sgRNA-Barcodes in den überlebenden Zellen. Wie erwartet, fehlten in diesen BCR- und ABLI-sgRNAs.

Ermutigt durch dieses Ergebnis holte die Gruppe zum Rundumschlag aus und infizierte Cas9-HL60- und Cas9-KBM7-Zellen mit der kompletten, 73000 sgRNAs zählenden Bibliothek. Nach zwölf Zellteilungen sequenzierten die Amerikaner die sgRNA-Barcodes und verglichen die Häufigkeitsverteilung der sgRNA-Barcodes in den Ausgangszellen mit der Verteilung in der Schlusspopulation (sgRNAs, die überlebenswichtige Gene ausschalten, sollten hierbei weniger häufig in der Schlusspopulation auftauchen oder ganz verschwinden). Und tatsächlich ergab die Analyse der Häufigkeitsverteilung, dass die abgereicherten sgRNAs überwiegend gegen Gene gerichtet waren, die bei fundamentalen Zellprozessen wie DNA-Replikation, Gentranskription oder Proteinabbau, eine zentrale Rolle spielen.

Das Screening von Säugerzellen mit dem CRISPR-Cas9 System scheint also durchaus Sinn zu machen und könnte den bisherigen Verfahren, etwa der RNA-Interferenz, schon bald den Rang ablaufen.

 


Harald Zähringer


Illustration: Copyright bei Jennifer Doudna/ UC Berkeley, mit freundlicher Genehmigung



Letzte Änderungen: 06.02.2014