Editorial

Hilfe beim Kampf um EU-Milliarden

Interview mit Uwe David, Stellvertretender Leiter der „Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen" (KoWi)

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(07. September 2012) Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erlangt auch auf europäischer Ebene einen immer höheren Stellenwert. Im laufenden 7. EU-Forschungsrahmenprogramm (FRP) sind zunächst die Marie Curie-Maßnahmen mit Postdok-Mobilitätsstipendien sowie die Doktorandennetzwerke zu nennen. Zudem ermöglichen die Starting Grants des Europäischen Forschungsrates (ERC) den Aufbau einer ersten eigenen Arbeitsgruppe. In den beiden übergeordneten Programmen „Menschen“ und „Ideen“ sollen überdies bis Ende nächsten Jahres rund 13 Milliarden EUR ausgegeben werden. Für das nächste Rahmenprogramm mit dem Namen „Horizon 2020" werden die letzten Details momentan ausgearbeitet. Indes gibt es bereits jetzt Hinweise darauf, dass die Mittel im Nachwuchsbereich aufgestockt werden. Am Rande der alljährlichen KoWi-Bundestagung zur EU-Forschungsförderung, die Ende Juni mit rund 400 Teilnehmern an der Uni Heidelberg stattfand, sprach Laborjournal mit Uwe David, dem Stellvertretenden Leiter der „Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen" (KoWi), über dieses Thema.

 

LJ: Welche Funktionen hat KoWi?

 

Uwe David: KoWi ist eine Hilfseinrichtung der Forschung, die von der DFG seit 1990 finanziert wird. Wir haben die Aufgabe, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland bei der Einwerbung von EU-Mitteln aus dem Forschungsrahmenprogramm (FRP) zu unterstützen. Dies beinhaltet sowohl die Beratung zu Projektideen, die Zuordnung von Projektideen zum richtigen EU-Förderprogramm, die Begleitung bei der Antragstellung inklusive dem Gegenlesen von Anträgen als auch die Unterstützung beim Projektmanagement, sobald die Europäische Kommission die Förderung bewilligt hat. Zudem agieren wir auch als Mittler zwischen den europäischen Institutionen wie Europäische Kommission, Europäisches Parlament oder Europäischer Forschungsrat und der deutschen Wissenschaftlergemeinde – von Brüssel nach Deutschland und umgekehrt. Dabei hilft es uns, dass wir in einem Netzwerk von europäischen Partnerbüros – dem IGLO-Netzwerk – organisiert sind und uns zu aktuellen Entwicklungen austauschen können.

 

LJ: Wie hat sich KoWi im Laufe der Zeit verändert?

 

Uwe David: Mit der Ausdehnung der EU-Forschungsrahmenprogramme von rund 3 Mrd. EUR im 3. RP auf mehr als 50 Mrd. EUR im 7. FRP haben sich auch unsere Aufgaben immer weiter ausgedehnt. Allerdings ist unser Personalanstieg in den mehr als zwanzig Jahren seit Gründung sehr maßvoll gewesen. Aktuell verfügen wir über insgesamt 17 Stellen an unseren beiden Standorten, d.h. in unserem Brüsseler und Bonner Büros zusammen. Wenn man das in Relation zur Größe des aktuellen Forschungsrahmenprogramms setzt, ist das gar nicht viel. Deswegen ist die enge Kooperation mit den Nationalen Kontaktstellen der Bundesregierung und dem EU-Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung – und natürlich den EU-Referentinnen und -Referenten an den Hochschulen undForschungseinrichtungen – wichtig, um die Ressourcen sinnvoll einsetzen zu können.

 

LJ: Können Sie die Arbeit von KoWi quantifizieren?

 

Uwe David: Die Nachfrage nach unseren Services – insbesondere was die Beratung bei der Antragstellung und auch die unterschiedlichen Schulungs- und Workshopangebote angeht – hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Wir führen jedes Jahr rund 3.000 Individualberatungen durch und organisieren etwa 100 bis 120 Veranstaltungen in Deutschland sowie weitere in Brüssel. Zudem sind in den vergangenen Jahren auch vermehrt strategische Anfragen von Hochschulen an KoWi gerichtet worden, die sich in Fragen der EU-Forschungsförderung besser aufstellen wollen. Hierbei unterstützen und beraten wir ebenfalls. Ich bin überzeugt, dass dieser Trend auch im neuen Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, Horizon 2020, anhalten wird. Die vielen Anfragen, die an uns gerichtet werden, können wir nur dank der großen Einsatzbereitschaft des gesamten KoWi-Teams an beiden Standorten bewältigen.

 

LJ: Wie kamen Sie zu KoWi?

 

Uwe David: Ich ar

beite seit Juni 2004 bei der KoWi und habe als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bereiche Marie Curie-Förderung und europäische Verbundforschung in der Nanotechnologie angefangen. Seit November 2007 bin ich stellvertretender Leiter von KoWi und leite gleichzeitig das Bonner KoWi-Büro. In meiner jetzigen Funktion bin ich insbesondere für die KoWi-Angebote in den themenoffenen Bereichen des Rahmenprogramms zuständig, vor allem dem Marie Curie-Programm und den Förderprogrammen des Europäischen Forschungsrates (ERC). Vor KoWi habe ich als Junior Consultant in einer privatwirtschaftlichen Agentur gearbeitet und zu europäischen Förderprogrammen beraten – damals zu ganz verschiedenen Programmen, darunter auch zum EU-Forschungsrahmenprogramm. Da war der Schritt zur KoWi nicht weit.

 

LJ: Wie schätzen Sie die Beteiligung Deutschlands an den ERC-Programmen ein?

 

Uwe David: In den Ausschreibungen des ERC zwischen 2007 und 2011 sind von rund 2.500 Grants fast 350 Grants nach Deutschland gekommen, also rund 14%. Damit nehmen wir im internationalen Vergleich hinter dem Vereinigten Königreich den zweiten Platz ein. Ich denke, das ist schon eine gute Beteiligung und Erfolgsquote. Insgesamt ist die Tendenz bei den Bewilligungen in den Ausschreibungsrunden der Starting Grants und der Advanced Grants 2007 bis 2011 deutlich steigend; jedes Jahr wurden mehr Grants in Deutschland gefördert als im Vorjahr. Im letzten Jahr wurden hierzulande etwa 64 Starting und 52 Advanced Grants bewilligt! Allerdings lässt die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Geistes- und Sozialwissenschaftennoch etwas zu wünschen übrig. Pro Ausschreibungsrunde werden hier etwa fünf Grants gefördert. Das ist nicht viel und hier wäre noch Luft nach oben.

 

 

LJ: Was wird sich aller Voraussicht nach in Horizon 2020 bei den ERC Starting Grants ändern?

 

Uwe David: Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat für das Arbeitsprogramm des Jahres 2013 entschieden, dass die bisherigen ERC Starting Grants für Forschende, die sich zwischen den Jahren Zwei und Zwölf nach der Promotion befinden, in zwei getrennte Förderlinien aufgeteilt werden. Konkret bedeutet dies, dass es neben den „neuen“ Starting Grants für Forschende, die sich in den Jahren Zwei bis Sieben nach der Promotion befinden, künftig auch Consolidator Grants geben soll. Diese richten sich an Forschende, deren Promotion bereits sieben bis zwölf Jahre her ist. Der erste Aufruf zur Einreichung von Projektvorschlägen in dieser neuen Förderlinie wird für Oktober 2012 erwartet. Die Einreichfrist wird hier Mitte Februar 2013 enden. Im Regelfall dürfen bei den Consolidator Grants bis zu 2 Mio. EUR beantragt werden – es gibt ein Extrabudget von 750.000 EUR, das beantragt werden kann, u.a. falls eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler aus einem Drittstaat nach Europa (zurück) kommt und hier etwa ein neues Labor aufbauen muss. Es ist noch nicht mit letzter Gewissheit klar, wie die Förderlinien des ERC im neuen Horizon 2020-Programm aussehen werden. Man kann aber von einer recht großen Kontinuität ausgehen.

 

LJ: Was sind Ihre persönlichen Tipps für „unerfahrene“ Antragschreiber, die sich um einen ERC Starting Grant bewerben möchten?

 

Uwe David: Meiner Ansicht nach ist es für Antragsteller mit geringer Erfahrung erst einmal wichtig zu entscheiden, wann der richtige Moment für eine Antragstellung ist. Ist man beispielsweise kurz davor, eine zentrale Publikation einzureichen, kann es sinnvoll sein zu warten, bis diese auch veröffentlicht ist. Allgemein für die EU-Förderprogramme – und damit auch für die ERC Starting Grants – gilt: Es gibt zu jedem Aufruf für Projektvorschläge einen Leitfaden, und man sollte die Zeit tatsächlich investieren, dieses Hilfsdokument eingehend zu lesen. Die Zeit ist gut investiert, da man daraufhin fokussierter an die Antragstellung heran gehen kann. Wichtigstes Kriterium muss immer sein: Passt mein Projektvorschlag zur Philosophie des jeweiligen Förderprogramms. Ist das nicht der Fall, kann am Ende wochenlange Arbeit bei der Begutachtung innerhalb weniger Minuten als nicht-förderfähig bewertet werden – das wäre dann verschenkte Zeit! Ich würde immer raten, in der Phase der Antragstellung kompetente Unterstützung einzuholen, etwa bei den EU-Ansprechpartnern an der eigenen Einrichtung, den Nationalen Kontaktstellen – und natürlich auch gerne bei der KoWi.

 

LJ: Im laufendem Rahmenprogramm sollen rund 5.000 ERC Grants gefördert werden. Kritiker des ERC bemängeln, dass ab einer bestimmten Anzahl an Förderungen das Gütesiegel ERC, das für wissenschaftliche Exzellenz steht, verblasst. Was können Sie dem entgegnen?

 

Uwe David: In den Ausschreibungsrunden der vergangenen Jahre lag die Erfolgsquote, d.h. das Verhältnis von erfolgreichen Anträgen zu eingereichten Anträgen, regelmäßig zwischen 10 und 15%. Konkret bedeutet das, dass nur etwa jeder zehnte Antrag beim ERC gefördert worden ist. Das halte ich für einen Beleg dafür, dass der Wettbewerb um die ERC-Grants groß ist. Von den Gutachtern, die in den Evaluierungsgremien des ERC sitzen, hören wir häufig, dass man mit einer großen Zahl herausragender Projekte konfrontiert werde, man aber aufgrund des begrenzten Budgets nur einen Teil davon fördern könne. Wenn man sich die Förderstatistiken ansieht, dann wird klar, dass einige Staaten ihr volles Potential bei den ERC-Grants noch gar nicht ausgenutzt haben. Es gibt also noch zahlreiche Talente bzw. aussichtsreiche Antragsteller, die beim ERC aktiv werden könnten. 

 

Interview: Ralf Schreck

 



Letzte Änderungen: 21.09.2012
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