Editorial

Wie man die Eisennadel im Zellhaufen findet

Dem Magnetsinn auf der Spur

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(7. August 2012) Die einfachsten Versuche sind oft die besten. Zum Beispiel der mit den Eisenspänen und dem Magneten. Den kennt fast jedes Kind. Man nehme ein paar Eisenspäne und halte einen U-förmigen Magneten in die Nähe. Die ferromagnetischen Späne richten sich immer in Nord-Süd-Richtung aus. Genau so genial einfach ist die Methode, die Stephan Eder und Michael Winklhofer vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften der Universität München mit Kollegen der University of Cambridge (UK) und des CalTech in Pasadena machten. Sie können nachweisen, ob und welche tierischen Zellen Magnetfelder wahrnehmen.

Den proof of principle erbrachten sie mit Zellen aus der Riechschleimhaut von Forellen. Sie setzten die Zellen wechselnden Magnetfeldern aus und konnten zeigen, dass bestimmte Zellen mit der Änderung des Magnetfelds mitwanderten. Haben sie damit erstmals physikalisch zelluläre Magnetsensoren aufgespürt?

Es wäre schön, wenn man das behaupten könnte. Gerade jetzt, da sich die Fachwelt darüber streitet, wo die Magnetrezeptoren bei Vögeln denn liegen. Zur Auswahl stehen Schnabel und Innenohr (siehe Laborjournal online vom 27. April 2012 und Science 2012, 336:1054-7). Doch diesen Schluss lässt die Untersuchung leider nicht zu.

Es wurde „nur“ eine Methode entwickelt, mit der man zeigen kann, welche Zellen ferromagnetisch reagieren. Ein wichtiger Baustein für das Gelingen des an sich ja einfachen Versuchs: man muss die Zellen schonend aus dem Gewebeverband lösen, denn die Messung funktioniert an frei flottierenden Zellen. Und man muss natürlich wissen, in welchem Gewebe man überhaupt suchen soll. „Bei den Forellen hatten wir die Riechschleimhaut, da dort magnetisch modulierte Nervensignale generiert werden, wie Mike Walker 1997 in Nature gezeigt hatte“, schrieb der Seniorautor der Studie, Martin Winklhofer von der LMU an Laborjournal.

„Wir glauben, dass unsere Technik mehr Kontrolle bei der Isolierung von Zellkandidaten erlaubt, als kommerziell erhältliche Zellsortierer und deshalb die Grundlage für eine Hochdurchsatz-Methode darstellt, mit der man Zellen für Transkriptom- und Proteomanalysen sammeln kann, um die molekularen Grundlagen des Magnetsinns und der Magnetit-Biomineralisation zu untersuchen“, notierten die Forscher in PNAS (PNAS 2012, 109(30):12022-7). Eine Technik, die selbst seltene Zellen aufspürt, denn in der Riechschleimhaut der Forellen war nur eine von 10.000 Zellen magnetisch. Was Seniorautor Winklhofer auch erklären kann: „Weil jeder Magnet auch Quelle eines Magnetfeldes ist, würden sich zwei benachbarte magnetische Sinneszellen empfindlich stören. Die eine würde das Magnetfeld der anderen „sehen“ und dadurch weniger stark auf das eigentlich zu messende äußere Magnetfeld der Erde anspringen. Deshalb ist es nur sinnvoll, wenn das Tier seine magnetischen Zellen im Gewebe gut verteilt, also wenn nur eine von 10.000 Zellen magnetisch ist.“

Diese wenigen Zellen sind überraschend stark magnetisch, was sie sehr sensibel für Änderungen des Magnetfelds macht. An der zum Nordpol des angelegten Magnetfelds gerichteten Spitze der Zellen identifizierten die Forscher dunkle, eisenhaltige Materie, die sich immer nahe der Zellmembran hält, mit ihr aber nicht über Filamente verbunden ist. Nun will Winklhofer sich auf die Suche nach den magnetischen Zellen der Vögel machen. Vielleicht gelingt es ihm ja sie zu finden und damit den Disput darüber mit einem quasi kinderleichten Versuch zu beenden.


Karin Hollricher
Bild: zettberlin / photocase.com



Letzte Änderungen: 16.08.2012
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