Editorial

Die DFG in Amerika

„Die USA sind derzeit in einer heiklen Lage.“

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(25. Mai 2012) Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterhält zwei Büros in Nordamerika, um die DFG-geförderten Wissenschaftler vor Ort zu betreuen und die Wissenschaftssysteme beider Länder zu vernetzen. Das Büro in Washington D.C., mit Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit mit amerikanischen Partnerorganisationen und als Anlaufstelle für deutsche und amerikanische Wissenschaftler, leitet Max Vögler. Das zweite Büro in New York City, geleitet von Eva-Maria Streier, kümmert sich vornehmlich um Wissenschaftsmarketing und -networking und dient ebenfalls als Anlaufstelle. Ralf Schreck sprach mit Max Vögler über neue Trends und das Engagement der DFG in den USA.

Herr Vögler, wie viele deutsche Wissenschaftler forschen derzeit vorübergehend in den USA?

Max Vögler: Es ist schwer, an verlässliche Statistiken zu kommen. Im Jahr 2009 hat das Institute of International Education 5.500 deutsche Wissenschaftler mit abgeschlossener Promotion gezählt – also Postdocs, Gastwissenschaftler auf Nicht-Tenure-Track-Positionen und so weiter. Betrachtet man das DFG-Forschungsstipendium, gehen etwa 200 Postdocs jährlich in die USA. Weil das Zweijahresstellen sind, sind es meist circa 400 Postdocs, die hier vor Ort sind, die Hälfte davon in den Lebenswissenschaften.

Ist der Forschungsaufenthalt in den USA immer noch Goldstandard?

Max Vögler: Die Qualität an Universitäten und Forschungsinstituten in der ganzen Welt hat einen riesigen Aufschwung erlebt; nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in Brasilien, Indien und anderen Teilen des Globus. Vor 30 Jahren sind Doktoranden und Postdocs aus der ganzen Welt in die USA gekommen, um hier zu arbeiten und nach Möglichkeit als Dozenten zu bleiben. Heute haben sich die Bedingungen verändert und das zeigt langsam Wirkung. Nichtsdestoweniger findet in vielen Disziplinen, und gewiss auch in den Lebenswissenschaften, nach wie vor Weltklasseforschung in den USA statt. Viele Labore sind führend in ihrem Feld.

Sehen Sie einen Trend in der Mobilität deutscher Wissenschaftler?

Max Vögler: Derzeit sehe ich nicht, dass die Anzahl an deutschen Wissenschaftlern, die in die USA kommen, abnimmt. Was sich ändert, ist, dass mehr von ihnen nach Deutschland zurückkehren. Teilweise geht das auf knappe Forschungsbudgets in den USA zurück, aber auch auf die deutlich geringere Zahl von Tenure-Track-Positionen in allen Forschungsfeldern. Es ist schwieriger denn je, hier den ersten NIH-Grant zu bekommen und selbst auf die Erfolgreichen warten immer weniger Jobs in der Wissenschaft. Aber genauso wichtig ist auch, dass das deutsche Forschungssystem im Vergleich viel attraktiver geworden ist. Die Exzellenzinitiative, der Pakt für Forschung und Innovation und der Hochschulpakt haben zusätzliche Ressourcen geschaffen. Außerdem ist die Infrastruktur in vielen deutschen Einrichtungen inzwischen Weltspitze.

Warum wird das NIH/DFG Research Career Transition Awards Program nicht mehr ausgeschrieben?

Max Vögler: Das war 2005 ein Pilotprogramm, um die Abwanderung von Wissenschaftlern in den Lebenswissenschaften aufzuhalten: Postdocs konnten in den USA zwei bis drei Jahre an einem NIH-Institut verbringen und dann mit eigener Stelle und Mitteln für Verbrauchsmaterial nach Deutschland zurückkehren. Seitdem haben wir jedoch unser eigenes Forschungsstipendium flexibler gestaltet, sodass es auch die Möglichkeit gibt, sich um Unterstützung für die Wiedereingliederung zu bewerben. Daher gibt es keine Notwendigkeit mehr für ein speziell gebündeltes Programm. Außerdem wurden in den sieben Jahren des Programms nur 13 Stipendien vergeben, und viele nahmen die „zweite Phase“ nicht mehr in Anspruch.

Kann die deutsche Forschungslandschaft etwas von den NIH lernen?

Max Vögler: Die NIH sind als Forschungseinrichtung wie auch als Förderorganisation für die Lebenswissenschaften ein wertvoller Partner für die DFG und werden es auch weiterhin sein. Viele DFG-geförderte Projekte kooperieren mit Projekten, die an NIH-Instituten zu Hause sind, meist informell. Und ja, derzeit diskutieren und erkunden wir auch andere Möglichkeiten für Kooperationen.

Die NIH scheinen an Attraktivität verloren zu haben. Zum Beispiel listet das EMBO Fellows Network mehr als 300 derzeitige und ehemalige Fellows an US-Instituten auf. Doch nur um die zehn haben die NIH als Institut angegeben. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Max Vögler: Die NIH-Institute selbst sind nur ein kleiner Teil der NIH. 80 Prozent der Fördermittel gehen an Universitäten und andere Institute außerhalb von NIH. Das heißt, viele EMBO-Fellows wurden aus den NIH-Bewilligungen ihrer Arbeitsgruppenleiter finanziert. Tatsächlich fördert die NIH auch außerhalb der USA: etwa 30 Projekte in Deutschland bekommen direkte Förderung, weitere 270 indirekt über sogenannte „sub-awards“. Selbst in den jeweiligen NIH-Instituten gibt es eine stetige Anzahl deutscher Wissenschaftler – sowie aus anderen Nationen.

Plant die DFG, neue Programme in den USA aufzulegen?

Max Vögler: Alle DFG-Programme sind für internationale Zusammenarbeit offen. Wir versuchen generell, thematische Ausschreibungen mit einzelnen Partnerorganisationen zu vermeiden. Wir konzentrieren uns vielmehr darauf, uns auf allgemeine Verfahren zu einigen, die jedem Forscher erlauben, mit jedem anderen Forscher zu jeder Zeit an jedem Thema zu arbeiten.

Welche Trends sehen Sie in den USA?

Max Vögler: Die USA sind derzeit in einer heiklen Lage. Es gibt weniger Geld für Forschung und gleichzeitig laufen viele der Projekte aus, die 2009 mit Mitteln aus dem American Recovery and Reinvestment Act (ARRA) gefördert wurden. Das heißt: weniger Geld für mehr Leute. Positiv ist, dass die politischen Parteien in den USA sich einig sind, dass Förderung für Grundlagenforschung wichtig bleibt. Deshalb befürchte ich keine drastischen Kürzungen. Aber ich bezweifle, dass wir in den nächsten Jahren erhebliche Zuwachsraten sehen werden, wie zum Beispiel bei der Verdopplung des NIH-Budgets im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts.

 


Interview: Ralf Schreck
Bild: privat

Dieses Interview ist Teil der Lab Times-Serie „Careers in the USA“, siehe The National Institutes of Health (NIH): Dinosaur or Biomedical Powerhouse? (LT 3-2012), Uncle Sam wants YOU! (LT 2-2012) und Pennies from Heaven: The Howard Hughes Medical Institute (HHMI) (LT 1-2012).



Letzte Änderungen: 20.12.2012
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