Editorial

Monster-Wespe

Die Tiefen der Sammlung des Berliner Museums für Naturkunde brachten die gleiche Überraschung hervor wie eine Expedition in die Berge Sulawesis: eine bisher unbekannte „Monster-Wespe“.

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"Monster-Wespe" und "normale" Wespe

(13. September 2011) Welch Schätze doch alte Schubladen horten können! Zum Beispiel eine riesige sulawesische Grabwespe, die zuvor – fast – noch niemand zu Gesicht bekommen hatte. Achtzig Jahre lang lag das sechs Zentimeter große pechschwarze Insekt unentdeckt in der Forschungssammlung des Berliner Museums für Naturkunde. Das Männchen ist mehr als fünf mal so groß wie einheimische Wespen, seine Kiefer sind gar länger und kräftiger als seine Vorderbeine. Alles in allem erinnert die Wespe an einen gepanzerten Krieger. Drei gut erhaltene Exemplare dieser „Monster-Wespe“ hat Michael Ohl, Entomologe am Berliner Museum für Naturkunde, zufällig entdeckt, als er – auf der Suche nach Insekten für ein Projekt – die Sammlung des Museums durchstöberte.

 

Dass die Grabwespe so lange unentdeckt in der Sammlung lag, ist nicht ungewöhnlich. Schließlich beherbergt diese über 15 Millionen Insekten, von denen nicht alle klassifiziert sind. Viele davon brachten Forscher von Expeditionen mit, um sie später zu bestimmen. So brachte der Ornithologe Gerd Heinrich die drei jetzt aufgetauchten Grabwespen-Exemplare 1931 von einer Sammelreise zu der indonesischen Insel Sulawesi mit. Zwar konnte Michael Ohl den von Heinrich angegebenen Fundort Ila-Ila bisher auf keiner Karte finden. Dennoch ist sicher, dass Heinrich damals auf Sulawesi war.

Möglicherweise liegt Ila-Ila im Südosten der Insel. Denn dort war – etwa zur gleichen Zeit, als Michael Ohl in Berlin die Schubladen des Museums durchsuchte – seine amerikanische Kollegin Lynn Kimsey von der University of California auf Expedition unterwegs. Und sie fand in den Mekongga Bergen drei weitere Exemplare der Grabwespe, die zur Familie der Crabronidae gehört.

Insgesamt gibt es nun also sechs präparierte Individuen, vier Männchen und zwei Weibchen. Über deren Biologie ist bisher allerdings wenig bekannt: Die Männchen können mit ihren riesigen Kiefern die kleineren Weibchen zur Paarung fassen, aber auch das Nest gegen Räuber verteidigen. Die Weibchen können – im Gegensatz zu den Männchen – stechen und Insekten erlegen, die sie als Nahrung für ihre Brut zu den Eiern ins Nest legen. Weitere Brutpflege gibt es nicht.

Ohl und Kimsey wollen die neue Art nun gemeinsam beschreiben. Einen Namen haben sie schon ausgewählt. Dalara garuda, nach Garuda, einem mystischen Mischwesen aus Adler und Mensch, das die Nationalflagge Indonesiens ziert. Eines der von Lynn Kimsey gesammelten Exemplare wollen die Forscher nach der Beschreibung auch wieder nach Indonesien zurückbringen: den Holotyus, das namenstragende Referenzexemplar der neuentdeckten Art.


Valérie Labonté
Bild: Museum für Naturkunde Berlin/Carola Radke



Letzte Änderungen: 04.03.2013