Editorial

Chemie-Nobelpreis für drei Ribosomenforscher

Der Nobelpreis für Chemie 2009 geht an den Briten Venkatraman Ramakrishnan, den US-Amerikaner Thomas A. Steitz sowie die Israelin Ada E. Yonath. Die drei Zellforscher werden für die Aufklärung von Struktur und Funktion der Ribosomen ausgezeichnet.

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Ramakrishnan (li.), Yonath (Mi.), Steitz (re.)

(7. Oktober 2009) Ada E. Yonath (Direktorin des Kimmelmann Center for Biomolecular Assemblies am Weizmann Institute of Science, Rehovot, Israel), Venkatraman Ramakrishnan (MRC Laboratory of Molecular Biology, Cambridge, United Kingdom) und Thomas Steitz (Yale University, New Haven, CT, USA; Howard Hughes Medical Institute, USA) haben gezeigt, wie Ribosomen die in der DNA gespeicherte Information in Proteine übersetzen. Alle drei Preisträger haben per Röntgenkristallographie 3D-Modelle der Ribosomen erstellt. Anhand dieser Modelle zeigten sie etwa, wie verschiedene Antibiotika an das Ribosom binden. Viele der heutigen Antibiotika funktionieren über Blockieren der Funktion von bakteriellen Ribosomen. Ohne funktionelle Ribosomen können auch Bakterien nicht überleben.

 

Schon in den 80er Jahren begann Ada E. Yonath, die heute am Weizmann Institut in Israel und am Teilchenbeschleuniger DESY in Hamburg arbeitet, mit Heinz Günther Wittmann vom MPI für molekulare Genetik in Berlin damit, Ribosomen-Untereinheiten zu kristallisieren und eine Röntgenstrukturanalyse daran vorzunehmen. 1980 kristallisierte sie als Erste die ribosomale 50S-Untereinheit des thermophilen Bakteriums Geobacillus stearothermophilus und stellte sie in Zusammenarbeit mit dem Berliner Fritz-Haber-Institut (FHI) der Max-Planck-Gesellschaft elektronenmikroskopisch dar. Die ersten hochaufgelösten Strukturen erhielt sie von der 50S-Untereinheit des Archaebakteriums Haloarcola marismortui. Die von ihr entwickelte „Kryo-Biokristallographie“ ist ein Standardverfahren der Strukturbiologie.

In den 90er Jahren kamen Thomas Steitz mit seinem Team an der Yale University, USA, und Venkatraman Ramakrishnan (MRC, Cambridge, Großbritannien) ins Spiel. Mit Kryoelektronenmikroskopie gelang es Steitz 1998, einen 50S-Komplex mit einer Auflösung von 9 Å darzustellen.

Ein Jahr später publizierten dann alle drei Forscher in schneller Folge neue Artikel mit immer höherer Auflösung, Yonath kam auf 4,5 Å. Zu diesem Zeitpunkt gesellte sich auch Harry Noller (der bei manchen Kollegen auch Nobelpreis-verdächtig war) zu den Ribosomenforschern. Sein Einstieg: die Struktur eines 70S-Ribosoms von Thermus thermophilus, Auflösung 7,8 Å, mit tRNAS an den ribosomalen A, P und E-Bindungsstellen sowie einer mRNA, die um die 30S-Untereinheit gewickelt war.

Alle diese Strukturen waren aber weder vollständig noch zeigten wie, wie Ribosomen arbeiten. Wie erkennen sie Codons, wie diskriminieren sie zwischen den verschiedenen tRNA-Molekülen, wie katalysieren sie eine neue Peptidbindung? Diese Details kamen erst in diesem Jahrhundert zu Tage, viele davon aus dem Labor von Venkatraman Ramakrishnan: 2006 klärte er mit seiner Arbeitsgruppe die atomare Struktur des gesamten Ribosoms im Komplex mit tRNA- und mRNA-Liganden auf.

Steitz und sein Team lösten schließlich auch das Phasenproblem bei der Röntgenstrukturanalyse der 50S-Untereinheit von Haloarcola marismortui. Dieses „Dilemma der Röntgenstrukturanalyse“ erlaubte bis dahin lediglich die Messung der Intensität der Strahlung. Alle anderen Phasenbeziehungen, aus denen auf die Verteilung der Elektronendichte im Kristall geschlossen werden kann, gingen verloren.

 

Die vielleicht überraschenste – wenn von Insidern auch erwartete – Entdeckung war wohl, dass das Ribosom ein Ribozym ist. Entgegen früherer Annahmen, dass irgendein Protein die Bindung zwischen der wachsenden Peptidkette und der neu hinzuzufügenden Aminosäure katalysiert, zeigte sich, dass diese Reaktion von einer ribosomalen RNA ausgeführt wird. Unter medizinischen Gesichtspunkten dagegen sind die Daten interessant, die zeigen, wie Antibiotika die Translation inhibieren. Auf der Basis dieses Wissens können nun gezielt neue Antibiotika entwickelt werden.

 

Der Nobelpreis für Chemie ist insgesamt mit 10 Millionen Schwedischen Kronen (knapp einer Million Euro) dotiert und wird am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, verliehen.

 

Einzelheiten und Hintergrundinformationen zu den Nobelpreisen und ihren Trägern gibt es hier

Ein schöner Bericht über die Arbeit von Ada Yonath findet sich hier.

 

Karin Hollricher & Lara Winckler



Letzte Änderungen: 04.03.2013