Editorial

Promotion im Sommerloch

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen 100 Professoren und Dozenten wegen Bestechlichkeit. Dozenten in Bayreuth, Berlin, Bielefeld, Frankfurt, Hagen, Hamburg, Hannover, Köln, Ingolstadt, Jena, Leipzig, Rostock und Tübingen sollen von einem professionellen Vermittler, dem Bergisch Gladbacher Institut für Wissenschaftsberatung, Geld angenommen und als Gegenleistung Doktortitel an Ungeeignete vergeben haben (nach Focus).

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(26. August 2009) Es handele sich hauptsächlich um Honorarprofessoren und Privatdozenten, Lehrstuhlinhaber seien kaum darunter. Die Dozenten hätten bis zu 4000 Euro pro Titelsuchendem erhalten, diese wiederum hätten bis zu 20 000 Euro an das Institut gezahlt. Die Dozenten stammen aus fast allen Fakultäten, selbst Naturwissenschaftler seien darunter. Auslöser waren die Ermittlungen gegen einen Hannoveraner Jura-Professor, der zugegeben hatte, in Zusammenarbeit mit obigem Institut Titel gegen Geld und einem Fall auch gegen sexuelle Dienstleistungen verkauft zu haben. Die hundert Verdachtsfälle stammen aus der Professorenkartei des Instituts.

Das erstaunliche an dieser Affäre ist nicht der Titelverkauf als solcher, sondern das Aufsehen, das er erregte. Vielen Zeitungen, z.B. der Frankfurter Rundschau, diente die Sache gar als Aufmacher. Dabei werden akademische Titel, sogar Professorentitel, von Spammern schon seit Jahren im Netz angeboten wie sauer Bier. Sie scheinen sie sogar selber zu kaufen, jedenfalls treten die Verkäufer von Sexpillen inzwischen als Professor auf: "Nie mehr zu früh kommen" verspricht beispielsweise Prof. Tanja Herbert.

Die Frankfurter Rundschau kommt also spät, sie kommt um 800 Jahre zu spät. Das Problem des Titelverkaufs ist untrennbar mit der Existenz der Universität verbunden, war sogar Ursache ihrer Gründung. Vor der Gründung der ersten Universität Anfang des 13. Jahrhunderts, der Universität Paris, gab es keine Titel und jeder der Schüler fand, konnte sich als Lehrer ausgeben. Die Folge war eine ruinöse Konkurrenz unter den Lehrern. Dem suchten die Pariser Lehrer abzuhelfen indem sie eine Zunft, lat. Universitas, gründeten, die das Monopol auf die Titel Bacchalaureus und Magister (Meister) hatte. Nur die Magister durften lehren. Damit hofften sie, die Konkurrenz zu beseitigen und sich, d.h. den Zunftmitgliedern, ein auskömmliches Einkommen zu sichern. Das funktionierte jedoch nur eine Weile weil das Einkommen der Zunftmitglieder von der Zahl der vergebenen Titel abhing. Es lag in ihrem Interesse möglichst viele Magister zu ernennen und von dem einzelnen Magister möglichst viel an Gebühren abzuzapfen. Schon nach einer Generation war es üblich, gegen entsprechende Zuwendungen die Promotion zu erleichtern. Damit wuchs wiederum eine ruinöse Konkurrenz heran, eine Konkurrenz allerdings, die erst den Nachfahren der Titelverkäufer zu schaffen machte. Dagegen regte sich Widerstand, es kam zu Reformen, die dann wieder unterlaufen wurden. Kurzum: Das Problem des Titelverkaufes zieht sich durch die gesamte Universitätsgeschichte. Selbst Liebig scheint seinen Doktortitel gekauft zu haben. Nachzulesen in "Die Zunft", Lj-Verlag, Freiburg (vergriffen).

Vielleicht sollten die Kultusministerien aus dem systeminhärenten Problem eine Tugend machen, statt gegen Windmühlen zu kämpfen. Wenn es Leute gibt, die bereit sind 20 000 Euro für einen Doktortitel zu bezahlen, dann sollten die deutschen Universitäten diesen Bedarf befriedigen, anstatt die Titelsüchtigen in die Slowakei oder nach Rumänien zu schicken. Hier geben diese Leute ihre Scheine wenigstens an der richtigen Stelle ab. Der Aufwand beschränkt sich auf den Druck einer Promotionsurkunde und die Postgebühren. Sparsame Universitäten schicken das Dokument per Email oder Fax. Pro Jahr brächte das einer Universität Millionen Euro zusätzliche Mittel ein, die sie z.B. dafür verwenden könnte, ihren Privatdozenten ein anständiges Gehalt zu zahlen. Man muss das ja nicht gleich "Schein"-Promotion nennen. Wie wäre es mit Förderungs- oder Exzellenzpromotion (Dr. ex)?

Das schade der Wissenschaft? Ich bitte Sie. Die meisten derartigen Promotionen werden in Fachbereichen wie den Wirtschaftswissenschaften, Politologie, Soziologie oder Philosophie vergeben werden. Vielleicht sollte man sie auch darauf beschränken. Diese Fachbereiche haben wenig mit Wissenschaft zu tun. Kennen Sie einen, nur einen einzigen, Volkswirtschaftsprofessor, der die Finanzkrise vorausgesehen hätte? Kennen Sie einen, nur einen einzigen, Politologen, der den Zusammenbruch der DDR voraussagte? Warum also soll man die Leute zwingen, hunderte von Seiten mit pseudowissenschaftlicher Rabulistik voll zu schmieren, die keinen Menschen interessieren, meistens nicht einmal den das Thema vergebenden Professor? Kassiert, und alle sind glücklich!



Siegfried Bär


Letzte Änderungen: 04.03.2013