Editorial

Inkontinenz am Inn (14): Unirat fasst Dierich mit Samthandschuhen an

Was bisher geschah: Eine von Hannes Strasser und Georg Bartsch publizierte Phase III-Studie war der Ethikkommission nicht zur Stellungnahme vorgelegt worden. Es stellt sich heraus: An der Studie stimmt einiges nicht.

(18. Februar 2009) Als Ethikkommissions-Mitglied Hartmut Glossmann versucht, sich Klarheit zu verschaffen, erstatten Hannes Strasser und Georg Bartsch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und legen Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Polizei und AGES ermitteln. Eine Klagewelle rollt, anonyme Briefe kursieren. Glossmann wird Befangenheit und Industriespionage unterstellt. Der Abschlussbericht der Polizei entlastet ihn. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Strasser wegen Verdacht auf Körperverletzung und Dokumentenfälschung. Rektor Clemens Sorg suspendiert Strasser vorläufig und will auch Bartsch suspendieren. Doch Sorg wird aus undurchsichtigen Gründen entlassen. Bartsch wechselt zum Standpunkt der Ethikkommission (EK). Von da an wenden sich die anonymen Vorwürfe auch gegen Bartsch. Der dritte Nationalratspräsident Martin Graf stellt drei parlamentarische Anfragen und greift darin Glossmann und EK-Mitglied Andreas Scheil an. Grafs Gewährsmann ist Strasser. Grafs Anfragen werden abgeschmettert. Der Anästhesist Josef Margreiter wird tot aufgefunden. Eine anonyme Website verdächtigt Scheil und Glossmann. Scheil zeigt Strasser wegen falscher Zeugenaussage, Urkunden- und Beweismittelfälschung und Verleumdung an. Die Medizinische Universität Innsbruck (MUI) suspendiert Strasser erneut und erstattet Disziplinaranzeige gegen ihn. Der FPÖ-Landtagsabgeordnete Gerald Hauser nimmt den Rest von Grafs Anfragen auf. Interimsrektor Manfred Dierich gerät unter Beschuss: Der Rechnungshof wirft ihm unter anderem "In-Sich-Geschäfte" vor.

(18. Februar 2009) Wie in der letzten Folge angekündigt, hat der Unirat (UR) der MUI am 6. Februar 2009 beraten, was in der Angelegenheit des Rektorstellvertreters Dierich zu tun wäre. Dierich hatte die MUI nicht an den Gewinnen aus den an seinem Institut durchgeführten Routineuntersuchungen beteiligt (siehe Folge 12). Es geht dabei um Millionen Euro und sogenannte "In-Sich-Geschäfte". Die Reaktion des Unirats auf Dierichs Geschäfte wurde auch deshalb mit Spannung erwartet, weil der Unirat als Aufsichtsorgan der Universität im August 2008 den amtierenden Rektor Sorg fristlos entlassen hatte (siehe Folge 9 und Laborjournal 10/2008, ab Seite 30). Als Hauptgrund gab die Vorsitzende des Unirats, Gabriele Fischer, damals an, Sorg habe eine Sonderprüfung verschleppt. An Hand der Laborjournal vorliegenden Dokumente kann dieser Vorwurf nicht nachvollzogen werden. Sorg mag von einer Sonderprüfung nicht begeistert gewesen sein, verschleppt hat er sie nicht. Auch die anderen Vorwürfe des Unirats gegen Sorg entbehren nach den Laborjournal vorliegenden Dokumenten einer Grundlage (siehe Laborjournal 10/2008). Die Vorwürfe gegen Dierich dagegen stammen vom Rechnungshof und treffen anscheinend zu, zumindest bestreitet Manfred Dierich den Sachverhalt nicht. Allerdings hat Dierich seine Millionen nicht als Rektorstellvertreter, sondern als Facharzt und (die meiste Zeit) einfaches Fakultätsmitglied kassiert.

In der Tat kam nun der Unirat am 6. Februar zu einem Beschluss in Sachen Dierich. Der Beschluss im Wortlaut:

"Der Universitätsrat hat in seiner Sitzung vom 06.02.2009 die Beendigung der Sonderprüfungen zur Kenntnis genommen und erwartet einen raschen Abschluss der Umsetzung der neuen Prüfungsergebnisse durch das Rektorat. Der Universitätsrat unterstützt alle Bemühungen für eine rechtskonforme Integration einer forschungsnahen Diagnostik wie der mikrobiologisch-bakteriologischen in die Medizinische Universität Innsbruck (MUI). Die Zustimmung zu einer Vereinbarung über die universitär eingebundene Facharzt-Tätigkeit von Rektor-StV. Prof. Dr. Dierich wurde vom Universitätsrat nicht erteilt.

Bezüglich der Überführung der mikrobiologischen Untersuchung von Patientenproben in die für die MUI bestmögliche rechtlich einwandfreie Form hat der Universitätsrat eine Bereitschaftserklärung von Rektor-StV. Prof. Dr. Dierich begrüßt und zum Ausdruck gebracht, dass die wirtschaftliche Gebarung dieses Routineprojekts einschließlich der Kontenverwaltung durch die Vizerektorin Prof. Dr. Hochleitner zu besorgen ist.

Der Universitätsrat bemüht sich, eine Klärung und Festsetzung von Rückforderungsansprüchen der MUI gegenüber Prof. Dr. Dierich betreffend den Zeitraum 1.1.2004 - 31.12.2007 in einem Schiedsverfahren herbeizuführen.

Die Entscheidungen wurden einstimmig getroffen."


Was bedeutet das? Klar ist: Die Kontrolle von Dierichs Konten, die gemäß einer mit dem ehemaligen Rektor Sorg getroffenen Vereinbarung ab dem 1. Januar 2008 dem Rektor oblag (seit Dierichs Installation als Nachfolger von Sorg Dierich selber), geht an die Vizerektorin Hochleitner. Klar ist auch: Dierich bleibt weiter Rektorstellvertreter. Letzteres ist angesichts des Falles Sorg einigermaßen unverständlich, aber vielleicht will man in Innsbruck das Rektorfeuern nicht zur Gewohnheit werden lassen.

Doch tauchen in der Verlautbarung des Unirats etliche Fragezeichen auf.

Der UR schreibt:

"Der Universitätsrat hat in seiner Sitzung vom 06.02.2009 die Beendigung der Sonderprüfungen zur Kenntnis genommen und erwartet einen raschen Abschluss der Umsetzung der neuen Prüfungsergebnisse durch das Rektorat."

Welche Sonderprüfungen sind gemeint? Etwa die vom Unirat angeforderte und vom ehemaligen Rektor Sorg am 7. Juli 2008 in Auftrag gegebene Sonderprüfung? Falls ja, was sind die Prüfungsergebnisse? Konnte Sorg ein Fehlverhalten nachgewiesen werden?

Die Vorsitzende der Unirats Gabriele Fischer antwortete Laborjournal auf diese Fragen:

"Im Rahmen des Abberufungsverfahrens von Clemens Sorg wurde eine Reihe von Sonderprüfungen in Auftrag gegeben – ersehen sie an den Beschlüssen der MUI-Homepage – so wurde auch das Institut von Prof. Dierich geprüft; diese Sonderprüfungen sind nunmehr abgeschlossen und das Rektorat hat die Aufgabe, die Ergebnisse umzusetzen – z.B. Kostenersätze für die MUI von den jeweiligen ProjektleiterInnen nachzufordern; die Verantwortung, dies im Bereich von Manfred Dierich umzusetzen, ist natürlich an die Vizerektorin Hochleitner ergangen.

Unter anderem wurden auch Projekte von Clemens Sorg geprüft – die Ergebnisse weisen auf Unklarheiten hin (ich ersuche um Verständnis – auf Näheres darf ich aufgrund unserer Verschwiegenheitsverpflichtung nicht eingehen)."


Dem kann man entnehmen, dass die MUI von Dierich und anderen Geld zurückfordern wird. Leider ist nicht zu entnehmen wieviel. Was die Projekte von Clemens Sorg betrifft, so bleibt die Sprache des Unirats kryptisch. Spricht dies dafür, dass das Ergebnis der Sonderprüfung wenig zur Belastung von Sorg taugt? Oder hält sich der Unirat an Machiavellis "Il Principe": Drohe Deinem Gegner nicht, das macht ihn nur vorsichtiger?

Des weiteren schrieb der UR in seiner Verlautbarung:

"Der Universitätsrat unterstützt alle Bemühungen für eine rechtskonforme Integration einer forschungsnahen Diagnostik wie der mikrobiologisch-bakteriologischen in die Medizinische Universität Innsbruck (MUI)."

Damit ist wohl Herrn Dierichs Diagnostik gemeint. Soweit Laborjournal informiert ist, handelt es sich dabei um Routineuntersuchungen von Blut, Speichel, Urin. Inwieweit ist also Herrn Dierichs Diagnostik forschungsnah? Oder soll das heißen, dass Herr Dierich seine Routineuntersuchungen in Zukunft nicht mehr im Rahmen der Universität durch führen darf?

Frau Fischer dazu: "Herr Dierich wird im Herbst emeritieren – für die Zukunft erscheint es uns sehr wesentlich, eine universitäre forschungsnahe Diagnostik sicherzustellen – das Berufungsverfahren für die Nachfolge ist bereits eingeleitet."

Der Unirat will also an der MUI zukünftig keine Routineuntersuchungen mehr dulden – womit er zweifellos Recht hat. Bei Dierich will man es aber für den Rest seiner Zeit tolerieren. Warum? Weil Dierich nett ist? Weil er alt ist? Weil man ihn noch braucht?

Endlich schreibt der UR: "Die Zustimmung zu einer Vereinbarung über die universitär eingebundene Facharzt-Tätigkeit von Rektor-StV. Prof. Dr. Dierich wurde vom Universitätsrat nicht erteilt."

Laborjournal frägt: Ist das eine Feststellung oder eine Ablehnung? Wird festgestellt, dass der UR mit der zwischen dem Rektorat und Dierich getroffenen Einbindungs-Vereinbarung nichts zu tun hatte, oder lehnt der UR eine entsprechende Anfrage Dierichs an den UR ab? Hätte der UR der Vereinbarung mit Sorg zustimmen müssen? Falls ja, heißt das, dass der Vertrag Sorgs mit Dierich nicht gültig ist?

Frau Fischer antwortet: "Der unter Clemens Sorg unterzeichnete Wirtschaftsvertrag mit Manfred Dierich wurde vom Universitätsrat nicht genehmigt – dieser hätte nach UG 2002 dem Universitätsrat vor seiner Unterzeichnung zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Ähnliche Vereinbarungen finden sich auch mit anderen Institutsleitern, wo eine idente Vorgangsweise gewählt wurde. Zudem wurde entsprechend dem Universitätsgesetz das BMWF als Aufsichtsbehörde befasst mit dem Ersuchen, eine alle Aspekte abdeckende Stellungnahme abzugeben."

Der Unirat ist also der Meinung, der Wirtschaftsvertrag mit Manfred Dierich hätte von ihm genehmigt werden müssen. Der Unirat beruft sich wahrscheinlich auf ¤ 21 Abs 1 Ziffer 11 Universitätsgesetz 2002. Dort steht, Aufgabe des Unirats sei: "Zustimmung zur Begründung von Verbindlichkeiten, die über die laufende Geschäftstätigkeit der Universität hinausgehen, sowie Ermächtigung des Rektorats, solche Verbindlichkeiten bis zu einer bestimmten Höhe ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Universitätsrats einzugehen."

Ergeben sich also aus dem Vertrag mit Dierich Verbindlichkeiten, die über die laufende Geschäftstätigkeit der Universität hinausgehen? Dazu muss man den Vertrag kennen. Zweifellos kennen ihn die Vertragspartner. Also hat Laborjournal den ehemaligen Rektor Sorg befragt. Seine Meinung:

"Es ist wirklich die Frage, ob dieser Vertrag genehmigungspflichtig ist. Der Unirat hat sich hinsichtlich seiner Zuständigkeit bisher immer auf den UG ¤ 21(11) berufen, der sich auf "Verbindlichkeiten über die laufende Geschäftstätigkeit hinaus" bezieht. Verbindlichkeiten sind Schulden. In dem von mir mit Herrn Dierich abgeschlossenen Vertrag geht die Uni keine Verbindlichkeiten ein, sondern fordert im Gegenteil von Herrn Dierich Geld ein. Zudem gehört es zum operativen Geschäft des Rektors bzw. Rektorates, solche Dinge zu regeln und Verträge abzuschließen.

Es gibt keine Kommentare oder eine Stellungnahme der Rechtsaufsicht (Ministerium) zur Frage der Zuständigkeit des Unirates in dieser Angelegenheit (s. unten), wohl aber ein Gutachten von Frau Prof. Kucsko-Stadlmayer, die eine Zuständigkeit des Unirates eindeutig verneint. Der Begriff Verbindlichkeit ist dem Unirat offensichtlich nicht klar. So wurde mir vorgehalten, dass die Anlage von Bargeld zu zinsgünstigen Bedingungen bei der Bank ein Verbindlichkeit darstelle und daher vom Unirat hätte genehmigt werden müssen. Diese Behauptung stammte auch noch von einem Uniratsmitglied, das Wirtschaftsanwalt sein soll."


Wer hat nun Recht?

Klar ist, dass es in der Stellung und der Aufgabenverteilung von Unirat und Rektor in Innsbruck Unklarheiten gibt. Die von Clemens Sorg erwähnte Gabriele Kucsko-Stadlmayer hat im Jänner 2006 dazu eine lesbare Abhandlung veröffentlicht. Frau Kucsko-Stadlmayer ist Vorstand des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien. Nach ihr gilt:

"Universitätsrat und Rektorat sind beide "oberste Organe" der Universität. Sie sind damit grundsätzlich als gleichrangige Leitungsorgane anzusehen. Zwischen den beiden besteht daher auch kein Über- oder Unterordnungsverhältnis in dem Sinn, dass der Universitätsrat dem Rektorat für seine Tätigkeit etwa generelle Anordnungen, Aufträge oder Richtlinien erteilen könnte. Ebensowenig ist der Universitätsrat ermächtigt, Entscheidungen des Rektorats nachträglich zu revidieren oder für ungültig zu erklären."

Daraus folgt grundsätzlich: Der Ton, den der Unirat der MUI gegenüber dem Rektorat anschlägt, ist unangebracht. "... erwartet einen raschen Abschluss der Umsetzung der neuen Prüfungsergebnisse durch das Rektorat" – so spricht ein Vorgesetzter mit seinem Untergebenen!

Des weiteren folgt aus Kucsko-Stadlmayer, dass der Unirat zwar einige Genehmigungsbefugnisse hat, doch die sind genau definiert: "Jede Aktivität des Universitätsrates muss sich auf eine ausdrücklich durch Gesetz eingeräumte Zuständigkeit stützen können." Und: Ihm kommen nur "reaktive Befugnisse und keine allgemeine Ermächtigung zur Überwachung oder Anweisung anderer Organe zu".

Der Unirat muss also angeben, auf welches Gesetz er seine Genehmungspflicht stützt. Falls das wirklich ¤ 21 Abs 1 Ziffer 11 Universitätsgesetz 2002 sein sollte, hängt seine Genehmigungspflicht von der Auslegung des Wortes "Verbindlichkeit" ab. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, jeder eingegangene Vertrag sei ein Form von Verbindlichkeit (weil er ja verbindlich zu etwas verpflichtet). Das kann aber der Gesetzgeber nicht gemeint haben, denn dann hätte er gleich schreiben können, dass jeder Vertrag, der über das gewöhnliche Geschäft der Uni hinausgehe, der Genehmigung des Unirates bedürfe. Also dürfte Sorgs Interpretation von Verbindlichkeit als Schuld wohl zutreffen, und da sich die MUI von Dierich nichts geliehen hat, brauchte der Vertrag auch nicht die Genehmigung des Unirates. Aber auf hoher See und in der Politik ist man in Gottes Hand: Man darf gespannt sein, wie sich das Ministerium in dieser Frage entscheiden wird.

Ein gut informierter Innsbrucker meinte: "Diese Stellungnahme wird – wetten – erst nach der Emeritierung von Dierich eintrudeln und lauten, dass der Unirat in jedem Punkt Recht gehabt hat."



Hubert Rehm



Letzte Änderungen: 19.04.2009