Editorial

Operation "Rolling Thunder" läuft an!

Die Stammzellstudie zur Harninkontinenz des Innsbrucker Urologen Hannes Strasser war sowohl illegal wie virtuell. Gegen die Aufklärer des Skandals, die Mitglieder der Innsbrucker Ethikkommission, scheint nun eine politische Kampagne zu laufen.

(13.November 2008) Die Urologen der Innsbrucker Medizinischen Universität Hannes Strasser und Georg Bartsch wollten ein neues Verfahren zur Behandlung der Harninkontinenz mit Stammzellen gefunden haben (siehe Artikel auf dieser Netzseite). Eine Phase III Studie der Methode wurde 2007 in Lancet veröffentlicht. Nachfolgende Untersuchungen der Innsbrucker Ethikkommission und der AGES, der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, ergaben jedoch, dass die Studie 1. illegal und 2. nicht lege artis durchgeführt wurde. Auch seien Dokumente gefälscht worden und in anderen Kliniken seien die Erfolgsquoten wesentlich niedriger. Der Leiter der Studie, Hannes Strasser, wurde daraufhin vom Rektor suspendiert. Der Rektor wiederum wurde wenig später vom Universitätsrat fristlos entlassen. Angeblich soll diese Entlassung nicht mit der Stammzellenstudie zusammenhängen, die vom Universitätsrat angegebenen anderweitigen Gründe scheinen jedoch äußerst dürftig.

In der Affäre tobte seit Mitte 2007 eine Schlammschlacht ohnegleichen. Es gibt anonyme Briefe, gefälschte Dokumente, absichtlich missverstandene Formulierungen etc. Insbesondere wurde Mitgliedern der Ethikkommission Industriespionage für American Medical Systems vorgeworfen, eine Firma die medizintechnische Produkte für die Urologie und Gynäkologie vertreibt. Mitglieder der Ethikkommission seien bestechlich und wollten zugunsten von American Medical Systems oder eigener Firmen die Strassersche Konkurrenztherapie (vertrieben von der Firma Innovacell an der Strasser Teilhaber ist) vernichten. Das Landeskriminalamt Tirol ging diesen Beschuldigungen nach. Es konnte jedoch keine handfesten Beweise finden, die diese Verdächtigungen unterstützen, insbesondere erwies sich die Behauptung Strassers, an seinem PC sei zu Spionagezwecken ein Keylogger installiert worden, als haltlos (Abschlußbericht LKA Tirol vom 1.7.2008).

Dennoch hat am 5.11. 2008 der Sprecher für Wissenschaft und Forschung der FPÖ, der Jurist Martin Graf, zu dem Fall eine Anfrage an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend gestellt. Informiert wurde er angeblich von einem Aktionskomitee "Rettet die Klinik Insnbruck". Unbeeindruckt vom AGES-Bericht, den ausführlichen Erklärungen des Juristen der Innsbrucker Ethikkomittees Andreas Scheil und dem Abschlußbericht des LKA Tirol, äußerte Graf den Verdacht, dass Mitglieder der Ethikkommission Innsbruck ihre Position für eigene wirtschaftliche Interessen missbraucht hätten, und dass die AGES Prüfung nicht objektiv und rechtlich fundiert gewesen sei. Insbesondere greift Graf das Mitglied der Ethikkommission Hartmut Glossmann an, der Eigentümer diverser Firmen sei, die ebenfalls an Zelltherapieprojekten arbeiteten. Georg Bartsch, dem ehemaligen Chef von Strasser, wird vorgeworfen, über Jahre hinweg von Privatpatienten für die Zelltherapie Privathonorare in Rechnung gestellt zu haben, obwohl er nun behaupte, von der Therapie nichts gewusst zu haben. Der Firma American Medical Systems, die ein Band zur Behandlung von Harninkontinenz vertreibt, wird vorgeworfen, dieses Band in den Jahren 2004-2006 illegal in Innsbruck implantiert zu haben. Des weiteren habe die Firma bei zahlreichen Kursen Innsbrucker Infrastruktur und Personal genutzt, ohne dafür bezahlt zu haben. Schließlich unterdrücke die AGES die Prüfung zahlreicher illegaler und falscher Studien der Kinderurologie Innsbruck. Graf stellt dann 35 Fragen an das Bundesministerium unter denen mindestens drei auf eine Entschuldigung des Verhaltens Strassers bei der Stammzellstudie zielen. So die Frage: Warum berücksichtigt die AGES die beschriebenen EU-Verordnungen und Richtlinien nicht in ihrem Bericht über die Zelltherapie der Harninkontinenz? (Die Antwort darauf wurde schon vor Monaten sowohl im AGES-Bericht gegeben als auch in Gutachten von Andreas Scheil von der Innsbrucker Ethikkommission).

Die Berliner Niederlassung von American Medical Systems wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Das Büro des Martin Graf wurde von Laborjournal gebeten, mitzuteilen, bei wem es sich denn bei dem Aktionskomitee "Rettet die Klinik Innsbruck" handele. Die Antwort war, dass es sich bei ihrem Kontakt um Herrn Strasser handele (auf das "Aktionskomitee" ging der Herr vom Büro Graf nicht ein). Herr Strasser betreibe auch die Netzseite http://independent-science.chapso.de Dort ist als Email Adresse independent-sience@live.de angegeben. Herr Strasser bestritt dagegen gegenüber Laborjournal, die Seite zu betreiben.

Wie auch immer: Den Inhalt dieser Netzseite hat jemand von der Email Adresse indep.science an die Innsbrucker Ethikkommission geschickt mit den lieben Worten:

OPERATION "ROLLING THUNDER" HAS STARTED!! WE WILL SMOKE THEM OUT OF THEIR HOLES!!

Das klingt wie die anonymen Briefe, die Anfang dieses Jahres bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingingen. Handelt es sich womöglich um den gleichen Dichter?



Siegfried Bär



Letzte Änderungen: 17.11.2008