Editorial

Zoologisch-botanischer Garten im Internet

Alle Arten der Erde aufgenommen in einer Datenbank? Mit dem Online-Projekt "Encyclopedia of Life" (EOL) soll das in den nächsten Jahren möglich werden. Nach dem Prinzip 'Wikipedia' soll EOL mehr als die Diversitätsforschung voranbringen.

(06.03.2008) Was hat der Flagellat Cafeteria roenbergensis mit dem Aaskäfer Nicrophorus americanus und der Kartoffel Solanum tuberosum gemein? Alle drei gehören zu den 24 Beispielsarten, deren Daten derzeit auf der "Encyclopedia of Life" (EOL) gelistet sind. Die Website, seit Ende Februar zugänglich, hat das ehrgeizige Ziel, sämtliche bekannte Lebensformen zu erfassen. Neben Informationen zu Habitus, Verbreitung und Verhalten sollen Bilder und Filme gespeichert werden. Über Links erfährt der Benutzer, wie eine Art taxonomisch einzuordnen oder was über ihre genetische Ausstattung bekannt ist.

Nach Vorbild von Wikipedia ist die Datenbank unter www.eol.org frei zugänglich. Experten wie Laien können sich am Aufbau der Online-Enzyklopädie beteiligen. Bevor die Daten einzusehen sind, werden sie jedoch von einem Team internationaler Forscher geprüft. Initiiert hat das EOL-Projekt Edward O. Wilson, Soziobiologe, Ameisen- und Diversitätsforscher. Der emeritierte Harvard-Professor hat zudem von wissenschaftlichen Stiftungen insgesamt 50 Millionen Dollar Starthilfe organisiert.

Bislang stand das Wissen über das Leben auf der Erde in Lehrbüchern, Journals, papierschweren Enzyklopädien oder in Datenbanken im Internet. Letztere umfassten jedoch nur ausgewählte Wissensgebiete wie die "FishBase" oder das "AmphibiaWeb". EOL dagegen sammelt das Wissen in nur einer Datenbank und schafft damit einen Überblick. Wilson erhofft sich damit einen wissenschaftlichen Vorschub für die Diversitätsforschung und andere Sachgebiete.

EOL informiert nicht nur interessierte Laien über ihre Lieblingstiere oder -pflanzen. EOL könnte auch helfen, die Verbreitungsgebiete bekannter Krankheitserreger beziehungsweise deren Überträger zu erforschen. Zudem erleichtert sie Vergleiche: So können Veränderungen in Tier- und Pflanzenpopulationen jenen des Klimas gegenüber gestellt sowie Lebenspannen von Tieren verglichen werden. Auch Neuentdeckungen und Beschreibung von Arten könnte ein Abgleich mit der EOL erleichtern. Schließlich dürfte die Datenbank Einfluss auf umweltpolitische Entscheidungen haben.

Die Profile der 24 Beispielarten dienen als Vorbild zum Anlegen der Seiten. Hier sind bereits Daten abrufbar. Auf weiteren 30.000 Seiten wird rudimentär über andere Spezies informiert. Eine Million Seiten dienen als Platzhalter.

Derzeit sind etwa 1,8 Millionen Arten beschrieben, die über die Erde laufen, wuchern, krabbeln, kriechen, schwimmen, fliegen und galoppieren. Nach Ansicht des EOL-Kommitees wird die Enzyklopädie diese Arten in zehn Jahren komplett aufgelistet haben. Doch wird EOL das Leben nie vollständig erfassen können. Mit Entdeckung neuer Spezies und stetiger Forschung wird die Datenbank ebenso anpassungsfähig sein müssen wie die Arten selbst.



Birgit Hertwig

Foto: Birgit Hertwig



Letzte Änderungen: 04.08.2008