Editorial

Befreiungsschlag oder Aktivismus?

Wie hält man Top-Wissenschaftler im Land? DFG-Präsident Matthias Kleiner hält Geld für den Schlüssel, und fordert eine Gehaltsaufbesserung für die besten Forscher.

(30.07.2007) DFG-Präsident Matthias Kleiner glaubt, dass die deutschen Hochschulforscher zu wenig verdienen. In Privatunternehmen erhalte man als Akademiker dreißig bis fünfzig Prozent mehr Geld, und für akademische Forscher seien die Verdienstmöglichkeiten in den USA, England und der Schweiz besser. Der DFG-Präsident fordert daher, den zweitausend besten deutschen Wissenschaftlern einen sofortigen Aufschlag von 25.000 Euro auf ihr Jahresgehalt zu gewähren, um sie der deutschen Hochschulforschung zu erhalten (FAZ vom 6.7.2007).

Das klingt gut. Selbst wenn das Finanzamt die Hälfte raubt, hätten die zweitausend besten deutschen Forscher im Monat noch 1.000 Euro mehr in der Tasche. Das dürfte die lächerlich geringen Leistungszuschläge der W-Besoldung um einiges übertreffen. Zudem könnte die Ehre, zu den zweitausend besten Forschern zu gehören, die Leistungsbereitschaft noch mehr kitzeln als es das Geld vermöchte.

Dennoch habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache. Im Kern von Kleiners Vorschlag steht die Frage, wer denn die zweitausend besten deutschen Forscher sind beziehungsweise wie sie zu ermitteln seien. Dieser Kern ist faul. Nach des Präsidenten Vorstellung sind die zweitausend Besten jene, die im Exzellenzwettbewerb erfolgreich waren. Das bezweifele ich. Waren im Exzellenzwettbewerb nicht vor allem Professoren mit riesigen Labors und dementsprechend riesigen Paperausstößen erfolgreich? Belohnt man hier nicht die besten Forscher, sondern die besten Wissenschaftspolitiker? Bei deren hohen Gehältern und Steuersätzen wird sie eine Gehaltszulage von brutto 25.000 Euro wenig beeindrucken.

Reizen würde die Zulage den armen Postdoc. Aber wie bestimmt man die zweitausend besten Postdocs? Mittels Zahl und Qualität ihrer Erstautorpublikationen und der Zeit, die sie dafür benötigt haben? Damit könnte man danebengreifen. Ein Postdoc muss nicht unbedingt ein guter Forscher sein, nur weil er gerade ein PNAS-Paper nach dem anderen publiziert: Er hatte vielleicht nur das Glück, in ein gut laufendes Labor zu kommen, in dem diese Ergebnisse darauf warteten, gepflückt zu werden. Ein anderer hätte das genauso gut gekonnt.

Des weiteren wäre die Frage zu beantworten, wie lange die "besten" deutschen Forscher die Zulage genießen dürfen beziehungsweise wie oft dieser Status überprüft wird. Ob einer für eine kurzzeitige Zulage auf eine Karriere in den USA verzichtet und die düsteren Aussichten in Deutschland in Kauf nimmt, scheint mir fraglich.

Schließlich ist es zweifelhaft, ob es wirklich das Geld ist, was die Forscher ins Ausland zieht. Postdocs verdienten lange Zeit in USA eher weniger als in Deutschland, und trotzdem flogen sie massenweise nach Westen. Einem guten Forscher ist Unabhängigkeit wichtiger als Geld. Die aber ist in Deutschland nach wie vor schwer zu erhalten, trotz der Mühen des vorigen DFG-Präsidenten. Bei Professoren sieht das anders aus. Die sind unabhängig, und möglicherweise werden sie in USA besser bezahlt als in Deutschland. Statt sie aber mit Geld, noch dazu mit so wenig, zu ködern, sollte man überlegen, ob den Besten nicht Anderes wichtiger wäre: Die Möglichkeit zum Beispiel, sich auf die Forschung zu konzentrieren. "Zeit ist Geld", und Forschungszeit mehr als Geld. Wenn es in Deutschland den Besten erspart bleibt, ihre Zeit mit Gremiensitzungen, Verwaltung und Antragschreiben zu verschleudern, wer wird dann nach USA auswandern, wo die Forschungsbürokratie blüht?

Zugegeben, das zu bewirken steht jenseits der Möglichkeiten eines DFG-Präsidenten. Das würde strukturelle Reformen erfordern, die ungleich schwerer zu bewerkstelligen wären als die Hand in die Tasche zu stecken und Geld zu verteilen.

Hubert Rehm

Bild: iStockphoto/Vasiliy Yakobchuk



Letzte Änderungen: 30.07.2007
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