Editorial

GPC Biotech in schweren Turbulenzen

Der Star der deutschen Biotechszene hat seinen ZAU (zweigrößten anzunehmenden Unfall): Das potenzielle Krebsmedikament Satraplatin erhält vorerst keine Zulassung von der US-Gesundheitsbehörde. Die Aktie der Firma verlor daraufhin über 60 Prozent.

(26.07.2007) Neidisch äugte die Konkurrenz bislang auf GPC Biotech: Kein anderes deutsches Biotech-Unternehmen erzielte mit derart wenig Substanz einen so hohen Aktienkurs, kein anderes deutsches Biotech-Unternehmen hat es geschafft, derart viel Geld bei Investoren locker zu machen. Seit vergangenen Freitag dürfte sich dieser Neid bei so manchem in heimliche Schadenfreude gewandelt haben: Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat dem hochgejubelten, potenziellen Krebsmedikament Satraplatin (in den USA Orplatna genannt) fürs erste die Zulassung versagt und GPC damit in die ernsteste Krise seiner zehnjährigen Unternehmensgeschichte gestürzt.

500 Millionen Dollar pro Jahr plötzlich Makulatur?

Die vom Unternehmen quasi als Tatsache gehandelten 500 Millionen Dollar, die man ab 2008 jährlich mit Satraplatin einzunehmen (und damit zur "deutschen Genentech" aufzusteigen) hofft, stehen damit auf dem Spiel. Ob Satraplatin überhaupt jemals auf den Markt und damit in die Patienten kommen wird, ist ebenfalls offen. Biotech-Experten bezifferten gestern die Wahrscheinlichkeit für eine Satraplatin-Zulassung in den USA auf "50 Prozent" - eine Zahl, die aus der Luft gegriffen scheint - doch sicher ist jedenfalls eines: Sollte der erhoffte Blockbuster Satraplatin auf der Strecke bleiben, sähe es zappenduster aus für GPC.

GPC Biotech - muß man die kennen?

Das Martinsrieder Biotechunternehmen GPC Biotech, notiert im TecDax, dem Hightech-Segement der Deutschen Börse, hat sich auf die Entwicklung von Krebsmedikamenten spezialisiert. Die Firma hat bisher kein einziges Produkt auf dem Markt und daneben nur ein einziges Mittel, dem Chancen eingeräumt werden, in Bälde auf den Markt zu kommen: der 2002 einlizenzierte Medikamentenkandidat Satraplatin. An der Börse war GPC mit bis vor einer Woche noch mit 780 Millionen Euro bewertet - ohne Satraplatin könnte man bei dieser Zahl die letzte Null streichen.

Satraplatin?

Dieses Platinderivat soll bei Chemotherapien gegen unterschiedliche Krebserkrankungen eingesetzt werden. Das Besonders daran ist laut GPC, dass Satraplatin den Patienten oral verabreicht (also als Kapsel geschluckt werden) kann. Satraplatin wurde und wird in mehreren klinischen Studien in der Anwendung gegen diverse Tumorarten untersucht. Es wurde bisher weder von der FDA (in den USA) noch von der EMEA (Europa) oder anderswo zugelassen.

Mediale Windmacherei bis zur (vermeintlichen) Zulassung...

Im aktuell laufenden Verfahren geht es um Satraplatin als Chemotherapie gegen Prostatakrebs. Am 15.Februar 2007 hatte GPC den entsprechenden Antrag bei der US-Zulassungsbehörde FDA eingereicht, zwei Monate später hatte die Behörde diesen Antrag "zur Prüfung" angenommen und gleichzeitig einem Priority-Review-Status erteilt (das ist ein spezielles Prüfverfahren zur "besonders schnellen" Bearbeitung). Um in der Zwischenzeit nicht ins mediale Nirwana zu geraten, bombardierte GPC Biotechs Öffentlichkeitsabteilung die Presseredaktionen beinahe wöchentlich mit optimistisch klingenden, allerdings eher banalen PR-Meldungen über weltbewegende Sensationen wie die Telefonkonferenz über irgendein Quartalsergebnis, einen Vermarktungsvertrag mit einer hierzulande unbekannten japanischen Firma oder über bedeutungslose Investorentreffen.

...doch wird diese überhaupt noch kommen?

Nun hat es GPC erneut in die Medien geschafft. Der Anlass allerdings dürfte den Martinsriedern gar nicht schmecken: Ein FDA-Gremium für Krebsmedikamente empfahl einstimmig, vor der Entscheidung über eine Zulassung erst die Ergebnisse aus einer Studie abzuwarten, in der die Überlebensdauer der behandelten Patienten herausgefunden werden soll.

Studienmethoden in Frage gestellt

Satraplatin soll eingesetzt werden, wenn eine erste Chemotherapie Prostatakrebs nicht stoppen konnte (als "Zweitlinien-Medikament"). Zwar konnte Satraplatin, so die bisherigen Studien, das Fortschreiten der Krankheit im Vergleich zu Scheinmedikamenten bremsen - doch nun stellt die FDA die zusammen mit GPC besprochene Testmethodik in Frage: Es sei unklar, ob das Fortschreiten der Krankheit tatsächlich gebremst wurde. Um diese Frage zu klären, sind nun erneut Testauswerter und Statistiker am Werk. Bis die endgültigen Überlebensdaten vorliegen, kann es laut GPC noch ein Jahr dauern.

Die Markteinführung des Präparats (GPC hatte auf August 2007 gehofft!) dürfte sich in den USA damit ebenfalls deutlich verzögern. Für Europa hat GPC die Rechte an Satraplatin übrigens an eine Partnerfirma verkauft, und deren Ende Juni gestellten Zulassungsantrag bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA dürften die Ereignisse in den USA nicht eben befördern.

Außer Satraplatin ist nicht viel

Ein echter GAU wäre es, sollte die FDA in 12 Monaten den Daumen endgültig senken, denn um Satraplatin bereinigt, ist GPCs Pipeline nicht der Rede wert. Ein monoklonaler Antikörper gegen verschiedene Blutkrebsarten befindet sich in der klinischen Phase 1, mit einigen Kinase-Hemmern laufen vorklinische Studien. Das war's auch schon. Der rapide geschrumpfte Aktienkurs spiegelt diese Ungewissheit wieder: Lag der Wert eines GPC-Papiers Mitte Juli noch bei 23 Euro, so ist er am 25. Juli, eine Woche später, bei 9 Euro angekommen (minus 61 Prozent). Der Unternehmenswert hat sich damit binnen fünf Tagen von zuletzt 780 Millionen Euro auf nur mehr 300 Millionen Euro reduziert.

Übrigens: Am 26. Juli verlor die GPC-Aktie erneut knapp acht Prozent und war damit der zweitgrößte Verlierer im TecDax. Noch schlechter erging's lediglich dem Martinsrieder Nachbarn Morphosys (minus 8,1 Prozent) - und das, obwohl über Morphosys gar keine schlechten Nachrichten vorlagen, und die demnächst kommenden Halbjahreszahlen deutlich höher erwartet werden als in der Vorjahresperiode.

Doch GPCs - vorläufiges - Satraplatin-Fiasko hat sichtlich auf die Branche abgefärbt. Bei den Biotech-Firmen herrscht nun das große Zähneklappern.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 26.07.2007