Editorial

Befristungsregelung - Das Kleingedruckte im neuen Gesetz

Das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz formuliert endlich, was bisher nur im Hochschulrahmengesetz verankert war. Die neue Befristungsregelung wirft jedoch nicht nur in Bezug auf Drittmittelbewilligung Probleme auf (Artikel auch in Laborjournal 6/2007)

(11.06.2007) Das jetzt endgültig verabschiedete Wissenschaftszeitvertragsgesetz wurde fast einhellig begrüßt. Viele sprachen sogar davon, dass jetzt die Zwölfjahresregel gefallen sei und dem Nachwuchs wieder neue Perspektiven offen stünden. Dem ist leider nicht so. Vielmehr muss man den Betroffenen raten, diesen positiven Verlautbarungen nicht so ohne weiteres zu glauben. Es gibt da mehrere Zusammenhänge, die man sich genau ansehen muss und die zum gegenwärtigen Zeitpunkt für viele problematisch werden können.

Zunächst muss man festhalten, dass in Bezug auf die Zwölfjahresregelung (beziehungsweise fünfzehn Jahre bei Medizinern) das neue Gesetz nicht viel mehr darstellt, als was schon vorher Gesetzeslage war – es ist nur klarer formuliert. Tatsächlich wird die Zwölfjahresregelung jetzt nicht aufgehoben, sondern vielmehr endgültig festgeschrieben. War sie bisher nur im Rahmen des Hochschulrahmengesetzes verankert, ist sie jetzt zu einem eigenen Gesetz für das wissenschaftliche Personal geworden – und das wird aller Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr geändert.

Lediglich eine Uminterpretierung?

Was ist also tatsächlich neu? Paragraph 2 erlaubt eine befristete Beschäftigung auch dann, " ... wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird." Der entsprechende Paragraph des Hochschulrahmengesetzes dagegen sagte zwar nichts Spezifisches zur Finanzierung aus, hätte es aber erlaubt, mittels tarifvertraglicher Regelungen von der Zwölfjahresfrist abzuweichen.

Weiterhin galt immer (und auch jetzt noch) das Allgemeine Arbeitsrecht, insbesondere das Teilzeit- und Befristungsgesetz, für Befristungsmöglichkeiten, die über die zwölf Jahre hinaus gingen. Zwar ist das Allgemeine Arbeitsrecht natürlich nicht spezifisch auf die Hochschulsituation zugeschnitten und gibt eher allgemeine Regeln vor, nach denen eine befristete Beschäftigung möglich ist. Eine Beschäftigung über Drittmittel wäre durch diese Regeln jedoch eigentlich abgedeckt – zumindest haben es viele Juristen so gesehen.

Viele Hochschulverwaltungen sahen dies jedoch anders und wollten keine Verlängerung auf dieser Basis erlauben. Die Notwendigkeit, sich mit dem Problem erneut zu befassen, ergab sich also vor allem aus der weit verbreiteten Sorge, dass Drittmittel-Beschäftigte am Ende vor Arbeitsgerichten Recht bekämen, wenn sie auf Festanstellung klagten. Es existierte daher eigentlich nur ein Interpretationsproblem, kein Gesetzesproblem.

Persönliche Drittmittel

Nun haben wir aber doch ein eigenes Gesetz bekommen, das in Bezug auf die Drittmittel eindeutig und klar formuliert ist. Also alles paletti? Leider nicht, denn jetzt müssen wir das Kleingedruckte lesen – genauer gesagt: die Nebensätze. Der entscheidende Knackpunkt ist die Formulierung " ... überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird." Dieser Satz ist eine klare Einschränkung. Denn angesichts der bisherigen Erfahrungen mit restriktiver Interpretation ist zu befürchten, dass auch dieser Satz sehr eng ausgelegt wird. Konkret würde das heißen, dass die Drittmittelbewilligung gezielt für die betreffende Person ausgesprochen sein muss, die verlängert werden soll. Hat jemand dagegen generelle Drittmittel eingeworben, die nicht bereits die Person spezifizieren, für die sie vorgesehen sind, würde das nicht für eine Verlängerung ausreichen. Zum Beispiel wird es kaum möglich sein, Restmittel aus einem Sonderforschungsbereich dafür zu verwenden. Wenn doch, hätte der betreffende Satz im Gesetz die Einschränkung ja weglassen können. Dies hatten die Länder übrigens tatsächlich während des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagen, die Experten lehnten es jedoch als "nicht verfassungskonform" ab, da das bloße Vorhandensein von Drittmitteln keinen Befristungsgrund darstellt.

Diese Unterscheidung hat somit eine geprüfte juristische Basis und wird bei Streitfällen eine kritische Rolle spielen. Ich weiß, dass manche Kollegen, die sich mit dieser Materie beschäftigt haben, meine Auffassung hier nicht teilen. Aber angesichts des bisher schon sehr restriktiven Verhaltens der Personalverwaltungen bin ich sehr pessimistisch.

Geld nur für den Nachwuchs

Was hat das für Konsequenzen? Denken wir uns dazu in ein Fallbeispiel ein. Nehmen wir Herrn Meier, der drei Jahre promoviert hat, drei Jahre Postdoc war und danach für fünf Jahre unabhängiger Gruppenleiter. Er hat gut publiziert und kann sich nun auf permanente Stellen bewerben. Erfahrungsgemäß kann es aber mehrere Jahre dauern, bis er damit erfolgreich ist – das heißt, wegen der Zwölfjahresregelung steht er vor dem Abgrund. Nun liest Meier das neue Gesetz und sagt: "Prima – also stelle ich jetzt einen Antrag, in dem auch meine eigene Stelle enthalten ist, dann kann ich weiter beschäftigt werden." Er sucht sich dazu die Vorgaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft heraus und stellt fest: solch einen Antrag kann er nur bis maximal sechs Jahre nach der Doktorarbeit stellen, und zudem nur mit höchstens drei Jahren Laufzeit.

Also sucht er nach anderen Drittmittelgebern und wird feststellen: Es gibt für seine Altersklasse kein Drittmittelverfahren. Praktisch alle solche Verfahren sind auf Nachwuchsförderung in jungen Jahren ausgelegt, aber nicht auf jemanden, der kurz vor der Berufung steht! (Einzige Ausnahme ist das Heisenberg-Programm, das aber nur für eine Minderheit der Betroffenen in Frage kommen wird.) Das schöne neue Gesetz hilft ihm also überhaupt nicht weiter, denn die Drittmittelgeber haben sich noch nicht darauf eingestellt. Dazu kommt, dass die letzte Übergangsregelung im Februar 2008 ausläuft. Trotz des neuen Gesetzes ist das Fallbeil Meier also näher als jemals zuvor.

Aber wie wäre es, wenn jemand anders einen Antrag stellt, in dem spezifisch für Herrn Meier eine Stelle vorgesehen ist? Ja, das ist technisch möglich. Aber wie soll so ein Antrag aussehen? Herr Meier ist seit fünf Jahren selbstständig, mit eigenen Forschungsprojekten. Das müsste er jetzt aufgeben und quasi wieder als Postdoc in Gruppe und Projekt von jemand anderem anfangen. Was werden die Gutachter zu solchen Konstellationen sagen? Es mag sein, dass das in einigen Fällen sogar funktioniert – aber ist das die Perspektive, die sich Nachwuchswissenschaftler vorstellen?

Antrag auf die Eigene Stelle

Immerhin, Rettung naht. Die DFG hat das Problem erkannt. Deren Präsident Matthias Kleiner hat es in seiner Neujahrsansprache erwähnt – allerdings so versteckt, dass es kaum jemand bemerkt hat. Er sagte: "In der DFG müssen wir in diesem Zusammenhang über die Altersgrenze für die Bewilligung der so genannten "Eigenen Stelle" nachdenken." Das wäre in der Tat eine einfache und gesetzeskonforme Lösung. Nach meiner aktuellen Information geht dieses "Nachdenken" aber nur sehr langsam vorwärts. Es kann noch einige Monate dauern, bis das Verfahren offiziell freigegeben ist.

Wie es dann genau aussehen wird, ist auch noch offen – es gibt da verschiedene Denkmodelle. Nehmen wir also an, Herr Meier liest diese Zeilen und schließt daraus völlig korrekt: "Jetzt setze ich mich aber sofort hin und schreibe den Antrag – dann kann ich ihn im Moment der Freigabe des Verfahrens einreichen. Bei einer sechsmonatigen Entscheidungsfrist könnte das gerade noch hinhauen, bevor meine Stelle nächsten Februar endgültig ausläuft."

Pech nur, dass dies nun jeder tun muss, der in dieser Lage ist. Und das sind nicht wenige, denn sie haben sich ja angehäuft. Schließlich haben die Übergangsregelungen der letzten Jahre dafür gesorgt, dass Leute auch über zwölf Jahre hinaus beschäftigt werden konnten – nämlich bis zum Auslaufen der Übergangsregelung. Im Februar 2008 fällt also das Fallbeil für mehrere Jahrgänge gleichzeitig. Ich vermute, dass es dazu kaum verlässliche Zahlen gibt, aber der Effekt wird spürbar sein.

Wenn die DFG es also schafft, noch rechtzeitig ein geeignetes Verfahren zu etablieren, wird es sehr wahrscheinlich zu einer plötzlichen Antragsflut kommen, die die zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem übersteigt. Logischerweise werden dann die Ablehnungsraten sehr hoch sein, und selbst sehr erfolgreiche Nachwuchswissenschaftler bekommen zumindest in dieser Übergangszeit nicht die Perspektive, die sie eigentlich verdienen. Sicherlich wird das neue Gesetz langfristig positive Auswirkungen haben. Die Drittmittelgeber müssen sich aber darauf einstellen können – und das kann nicht von heute auf morgen gehen. Eine der Grundannahmen des Gesetzes, nämlich dass Forschung im großen Maß über Drittmittel abgewickelt wird und deshalb dafür eine Regelung nötig ist, zieht nicht wirklich – zumindest nicht für die Biowissenschaften (und sicher auch für viele andere nicht). Denn die Klientel, die am Rande der Zwölfjahresgrenze steht, ist bisher nicht für spezielle Fördermaßnahmen vorgesehen. Für sie müssten neue Ressourcen geschaffen oder umgeschichtet werden.

Ich vermute zwar, dass es ein Ruf in der Wüste ist, aber auch für dieses Gesetz wird es Übergangsregelungen geben müssen. Solange dürfen insbesondere diejenigen, die jetzt genau in dieser Situation sind, nicht den vielen enthusiastischen Äußerungen zu dem neuen Gesetz vertrauen. Für sie sind die Perspektiven nach wie vor ausgesprochen problematisch. Möglicherweise sind sie schlechter als vorher – denn all zu viele Kollegen gehen davon aus, das Problem sei jetzt gelöst.

DIETHARD TAUTZ

Universität Köln



Letzte Änderungen: 02.07.2007