Editorial

Ejakulierte Steuergelder

Nach Tests an sechs Bullen erklärt Sebastian Arlt von der Tierklinik für Fortpflanzung der FU Berlin, dass Akupunkturnadeln in der Blase die Spermaqualität von Bullen nicht beeinflussen. Laborjournal hinterfragt die Qualität dieser Studie.

(30.06.2006) Es gibt Publikationen, die behaupten, dass die Samenqualität bei Mensch und Tier weltweit abnähme. Sogar beim Symboltier der Fruchtbarkeit, dem Bullen, scheint das der Fall zu sein. Woran das liegt - wenn es denn stimmt - weiß kein Mensch. Es ist aber verdienstvoll, Methoden zu ersinnen, die diesem Übelstand abhelfen.

Nun gibt es anscheinend in der medizinischen Literatur Berichte über eine Verbesserung der Spermaqualität durch Akupunktur. Es handelt sich zwar nicht um doppeltblind kontrollierte Versuche mit einer hohen Zahl von Versuchspersonen oder -tieren, sondern um Einzelfallberichte. Die Qualität dieser Einzelfallberichte ähnelt, soweit ich sie kenne, denen in der Bibel, so die Heilung eines Lahmen durch Jesus oder Ähnliches. Man kann sie glauben oder auch nicht. Ich glaube sie nicht.

Es hat mich denn auch nicht allzu sehr erstaunt, dass die kürzlich von Arlt et al. in Reproduction in domestic animals 41 (Suppl. 1) 2006, 2 und in Tierärztliche Umschau veröffentlichte Arbeit "Can fertility of bulls be modified by acupuncture?" die Frage mit einem vorläufigen Nein beantwortete. Vorläufig deswegen, weil es sich nur um sechs Bullen handelte, es keine Doppeltblindstudie war und die Studie nicht über einen kompletten Spermatogenesezyklus durchgeführt wurde.

Was mich an der Studie stört ist, dass sie die selbstgestellte Frage nicht beantworten kann. Selbst auf ein endgültiges Nein werden Akupunkturgläubige einwenden, dass es eben nicht die richtigen Akupunkturpunkte gewesen seien oder die falschen Nadeln oder der falsche Zeitpunkt oder die falsche Theorie. Esoteriker bekehren zu wollen, ist wie einen Bullen ins Horn pfetzen. Die Studie kann also prinzipiell kein "Nein" liefern.

Natürlich könnte sie - theoretisch - den Nachweis einer Wirkung liefern. Was aber spricht dafür, dass Nadeln einstechen - hier an Blase, Lenkergefäß und Niere (als Nullkontrolle empfehle ich die Hörner) - die Spermaqualität verbessert? Nichts. Abgesehen von den oben erwähnten Fallbeispielen gibt es keine Hinweise dafür, dass Akupunktur mehr auslöst als einen Placeboeffekt - beim Bullen ebenso wenig wie beim Menschen. Wer daraufhin eine Untersuchung ansetzt, der könnte ebenso gut Wahrsager überprüfen oder die sogar aktenkundigen Berichte von Hexen, sie könnten aus einem Stallpfosten Milch fließen lassen. Derartige Untersuchungen scheinen mir nicht nur eine Vergeudung von Zeit und Ressourcen zu sein, sie werten auch die Esoteriker-Szene auf: Wenn unsinnige Behauptungen ernst genommen werden, erhält der Unsinn einen wissenschaftlichen Anschein.

Nach Auskunft des Erstautors der Studie, Sebastian Arlt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Tierklinik für Fortpflanzung der FU Berlin, hat er an der Studie mit Unterbrechungen etwa drei Monate gearbeitet, eingesetzte Arbeitszeit etwa 40 Stunden. Vergeudete Zeit, wie ich meine.

Siegfried Bär



Letzte Änderungen: 30.06.2006