Editorial

Forscher-Anekdoten (4): Ohne Review geht nix!

(26.9.17) Stolz reichte eine Forscherin ein ihrer Meinung nach besonders gelungenes Paper zur Veröffentlichung ein. Was dann passierte, ließ sie jedoch den Glauben ans System verlieren.
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Die Forscherin hatte mit ihren Leuten eine Studie abgeschlossen, deren Ergebnisse sie für „bahnbrechend“ hielt – sowohl, was gewisse zelluläre Steuermechanismen anging, wie auch in ihrer klinischen Bedeutung. Auch das Manuskript hielt sie für überaus gelungen – was ja keineswegs automatisch der Fall ist, nur weil man gute Daten hat.

Doch die Enttäuschung kam prompt: Der Editor des Edelblatts, welches sie für die Veröffentlichung ausgewählt hatte, schickte das Manuskript schnöde wieder zurück. Abgelehnt, ohne überhaupt zum Review geschickt worden zu sein! Der Editor hatte das Manuskript offenbar nur kurz überflogen – und umgehend entschieden, dass es nicht mal einen Peer Review wert war.

Warum? – fragte sich unsere Forscherin. Waren die Daten doch nicht so gut, wie sie gedacht hatte? Enthielten die Schlussfolgerungen logische Fehler? Hatte sie mit der Bedeutung der Resultate für das gesamte Feld übertrieben? Oder war es vielleicht „nur“ schlecht geschrieben? Es musste ja wohl etwas Offensichtliches sein, dass der Editor es umgehend wieder zurückschickte. Aber diesen „offensichtlichen“ Grund hätte der Editor doch wenigstens mitteilen können. Das wäre doch ein wichtiges und konstruktives Feedback gewesen.

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Immer wieder drehten diese und ähnliche Gedanken ihre Kreise im Kopf der Forscherin – bis sie den Entschluss fasste, den Editor in dieser Angelegenheit nochmals anzuschreiben. Höflich erklärte sie in dem Schreiben noch einmal kurz und klar, warum sie ihre Ergebnisse für so wichtig hielt – und warum das Paper daher ihrer Meinung nach genau in dieses Journal passen würde. Nur um schließlich darum zu bitten, ihr kurz mitzuteilen, was genau den Editor dazu bewogen hatte, das Manuskript nicht einmal begutachten zu lassen. Schließlich könne ihr eine entsprechende „handfeste“ Rückmeldung enorm helfen, das Manuskript zu verbessern – wenn auch wohl für ein anderes Journal.

Die Antwort kam eine Woche später — und ließ unsere Forscherin endgültig den Glauben an das Peer Review-System verlieren: „We cannot give you any feedback as the paper had not been sent out for review.“

Ralf Neumann

(In unseren "Forscher-Anekdoten" schreiben wir anonymisiert Geschichten auf, die uns Forscherinnen und Forscher prinzipiell genau so berichteten.)



Letzte Änderungen: 18.10.2017