Editorial

Verhängnisvolle Gefälligkeit

(20.2.17) Können simple, mausgraue Proben-Racks gestandene Forscher an den Rande des Nervenzusammenbruchs bringen? Unsere (andere) TA hat's erlebt…
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Wenn man am Montagmorgen zur Arbeit erscheint und erfährt, dass man die Einweisung eines Kollegen in eine Nervenklinik verschuldet hat, ist das kein wirklich guter Wochenanfang.

Na gut, ganz so schlimm kam es glücklicherweise nicht. Aber wir waren nah dran. Und ich konnte eigentlich gar nix dafür. Wirklich! Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände.

Am Freitag gehen die meisten von uns früher nach Hause. Ich auch. Weshalb ich eine Kollegin bat, sich später um meine gegen Mittag angesetzten Test-Restriktionen zu kümmern.

„Nimmst du dieses Rack bitte in zwei Stunden aus dem Inkubationsschrank und stellst es in mein Kühlfach?“, fragte ich und hielt ihr mein vollgestelltes, graues Rack unter die Nase.

„Klar, mach’ ich. Schreibst du mir noch einen Zettel zur Erinnerung?“

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Also schrieb ich einen Memo-Zettel, legte ihn auf ihren Platz, stellte auf dem Weg nach draußen mein Rack in den Inkubationsschrank – und ging frohgemut ins Wochenende.

Leider hatte der Hersteller des Racks von diesem Modell natürlich mehr als nur ein Exemplar angefertigt. Und ich hatte das meinige dummerweise nur auf einer von vier Seiten mit meinem Namen beschriftet. Es kam also, was kommen musste: Gedankenlos drehte ich genau diese Seite beim Einstellen in den Inkubationsschrank nach hinten.

Zwei Stunden später tat meine Kollegin dann genau das, worum ich sie gebeten hatte. Mit nur einem Buchstaben Unterschied. Sie nahm ein – aber leider nicht mein – graues Rack aus dem Brutschrank und stellte es in mein – leider nicht ein – Gefrierfach.

Was wir beide überdies nicht bedacht hatten: Inzwischen hatte der eingangs erwähnte Kollege ebenfalls ein graues Rack in den Brutschrank gestellt – genau neben meines. Beide Racks waren vom selben Hersteller, grau und vollgepackt – und dazu nur einseitig beschriftet. Folglich waren sie für unsere nur indirekt involvierte Kollegin bis auf die nicht sichtbaren, weil beide nach hinten gedrehten Beschriftungen absolut identisch.

Als unser Kollege dann später sein Rack aus dem Brutschrank holen wollte, befand es sich zu seiner Überraschung nicht mehr dort. Da er das verbliebene graue und vollgepackte Rack eindeutig nicht als das Seine identifizierte, startete er umgehend eine Nahbereichsfahndung nach seinem eigenen Rack. Zuerst in den Kühlräumen, dann in den Laboren, dann in den Gefrierschränken,...

Besonders zermürbend für ihn war indes, dass ihm keiner seiner Kollegen die Geschichte vom verschwundenen Rack so recht glauben wollte, sondern sie ihn schlichtweg für überarbeitet erklärten. „Jaja, war eine lange Woche – red’ du nur“, winkten sie ab.

Warum sie derart an ihm zweifelten, war mir nicht klar. Allerdings arbeite ich zwei Türen weiter – und was weiß ich, welchen Unfug er dort drüben sonst veranstaltet. Bevor unser Kollege jedoch ernsthaft an seinem Verstand zu zweifeln begann, kam er glücklicherweise noch auf die Idee, die persönlichen Gefrierfächer zu durchsuchen. Und wo fand er sein Rack? Richtig – in meinem Fach.

Logisch, dass er am Montag zu mir kam und sich beklagte.

Ich erklärte alles, entschuldigte mich natürlich – und schlug reumütig vor, künftig zur Buße alle vier Seiten meines Racks mit meinem Kürzel zu versehen. Wenn er das gleiche täte...

Der Kollege grollte trotzdem den Rest des Tages mit mir, ich grummelte mit der Kollegin, die das falsche Rack heraus genommen hatte – und die Kollegin wahrscheinlich wiederum auf uns beide, weil wir unsere Racks unzureichend beschriftet hatten.

Aber eigentlich ist doch der Hersteller schuld. Wie kommt der eigentlich darauf, mehr als ein Exemplar des gleichen Rack-Typs anzufertigen?

Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 13.03.2017