Editorial

Lichtschalter verzerrt Proteine

(12.1.17) Die meisten Verfahren zur Manipulation der Proteinaktivität sind auf einzelne Proteine zugeschnitten. Wünschenswert wäre eine universelle Technik, die auf unterschiedliche Proteintypen anwendbar ist.

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© Gruppe Schlichting

Wie diese aussehen könnte, zeigt eine amerikanisch-deutsche Forscherkooperation um den Pharmakologen Klaus Hahn von der Chapel Hill University sowie der Biophysikerin Ilme Schlichting vom MPI für medizinische Forschung in Heidelberg. Die Forscher versuchen die Proteinaktivität mit allosterischen Schaltern zu steuern, die über Lichtsensoren die Proteinstruktur modulieren (Science 354: 1441-44).

Photorezeptoren sind praktische Schalter-Elemente: Ihre lichtsensitiven Domänen sind bekannt und lassen sich durch Transformation auf verschiedene Organismen übertragen. Eine der populärsten lichtsensitiven Domänen ist LOV2.

Enzyme nehmen in ihrem aktiven oder inaktiven Zustand unterschiedliche Konformationen an. Das aktive Zentrum wird zum Andocken von Substratmolekülen freigelegt beziehungsweise blockiert. An dieser Änderung der Struktur sind aber nicht nur das aktive Zentrum und die unmittelbare Umgebung beteiligt. Meist wirken sich die Veränderungen auch auf entfernt liegende Proteinabschnitte, etwa Beta-Faltblätter, aus. Quetscht man zwischen zwei eng anliegende Helices ein Proteininsert, so verschieben sich auch andere Domänen innerhalb des Proteins. Die relevanten Aminosäuregruppen eines aktiven Zentrums werden hierdurch zum Beispiel auseinander geschoben.

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Hahn und Schlichtings Mitarbeiter integrierten den LOV2-Sensor in eine Oberflächen-exponierte Stelle zwischen zwei nahe beieinander liegenden Beta-Faltblättern. Wie im nativen LOV2 wandern zwei Sub-Domänen des Sensors auseinander, wenn sie beleuchtet werden. Dadurch lösen sich auch die beta-Faltblätter vorübergehend voneinander. Ergo sprengt Licht indirekt das aktive Zentrum: Licht an bedeutet „Enzym inaktiv“, und dunkel „Enzym aktiv“.

Dass dies tatsächlich auch in lebenden Zellen funktioniert, zeigen die Forscher an drei völlig unterschiedlichen Beispielproteinen: einer Kinase (Src), einer GTPase (RhoA) und einem Guanin-Exchange-Faktor (ITSN). Durch den Einbau des LOV2-Sensors entstanden aus diesen die Photo-inhibierbaren (PI) Fusionsproteine PI-Src, PI-RhoA sowie PI-ITSN.

Die lichtabhängige Aktivität der einzelnen Konstrukte überprüfte das Team in vitro zum Beispiel mit Hilfe eines Immunoblot-basierenden Assays. Für in vivo-Studien verwendete die Gruppe einen FRET-Assay in transformierten embryonalen Maus-Fibroblasten (SYF-Zellen) sowie HEK293T-Zellen. Hierbei zeigte sich beispielsweise, dass die in vitro-Aktivität von PI-Src unter Beleuchtung auf circa ein Fünftel zurückging. In SYF-Zellen fiel sie auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Aktivität ohne Beleuchtung.

Entscheidend ist, den Lichtschalter an der richtigen Position einzubauen: Er sollte an der Oberfläche sitzen, damit LOV2 den nötigen Freiraum hat sich zu entfalten. Die Sekundärstrukturen sollten an dieser Stelle eng wie eine Haarnadel zusammenliegen (Loop tightness), denn ohnehin auseinanderliegende Strukturen würden die licht-induzierten Konformations-Änderungen von LOV2 kaum wahrnehmen. Wichtig ist zudem eine geringe evolutionäre Konservierung der gewählten Position. Dies verringert die Gefahr, dass die integrierte Sensordomäne ungewollt Proteineigenschaften wie Lokalisation, Bindevermögen oder Stabilität verändert.

Praktisch ist, dass es für eine bestimmte Proteinfamilie zumeist genügt, eine passende LOV2-Insertionsstelle in nur einem Repräsentanten zu ermitteln. Ist die Struktur der übrigen Familienmitglieder ähnlich, so stehen die Chancen gut, dass die gefundene Position auch bei diesen funktioniert. Außerdem ist ein einmal definierter Einbauort auch für andere Sensordomänen, etwa die Ligand-induzierbare RapR-Domäne (statt Licht Rapamycin-Behandlung) geeignet.

Die Wissenschaftler um Hahn und Schlichting bestimmten die Kristallstrukturen der LOV2-Fusionen, und zwar im beleuchteten wie auch im dunklen Zustand. Anschließend verglichen sie die Strukturen mit den entsprechenden Zuständen in den nativen Proteinen - und waren freudig überrascht: Strukturell sind sich inaktives, natives Enzym und licht-behandeltes LOV2-Fusionsenzym sehr ähnlich. Auch aktives, natives Enzym und dunkel-belassene LOV2-Fusionen unterscheiden sich kaum.

Dem Einbau des LOV2-Lichtschalters zur allosterischen Steuerung beliebiger Proteine steht also nichts im Weg.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 01.02.2017