Editorial

Elektro-Hirnhaut aus dem 3D-Drucker

(21.9.16) Der Bioelektroniker Ivan Minev erhielt eine von 14 sogenannten Freigeist-Fellowships, die die Volkswagenstiftung jährlich "fachoffen" vergibt. Mit der 920.000 €-Förderung will er an der TU Dresden seine eigene Gruppe aufbauen – und Technologien zur Reparatur beschädigter Nerven entwickeln.
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© Ivan Minev

Als Standort wählte Minev das BIOTEC Dresden, ein mit der TU Dresden assoziiertes interdisziplinäres Forschungszentrum mit Schwerpunkt Molekulares Bioengineering. Dort will der Forscher sein Bioelektronik-Know-how mit den Bio- und Ingenieurwissenschaften kombinieren.

Sollten sich seine Visionen verwirklichen lassen, so entstünde neue Hoffnung für Querschnittsgelähmte – und für Ärzte wären neurodegenerative Störungen nur mehr ein therapeutisches Stolpersteinchen: Minev will nichts weniger als bioelektronische Implantate entwickeln, welche die Regeneration des Gehirns unterstützen.

Regenerative Implantate gibt es schon länger, sie haben aber einige Schwachpunkte: Ihre Hauptsubstanz, Polyimid, ist hart – Nervengewebe jedoch viskoelastisch. Ein Gegensatz, der schlecht für gute Kontakte ist. Es liegt in der Natur von Lebewesen, dass Organe und Gewebe nicht starr positioniert sind, sondern sich ständig verschieben.

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Man bräuchte also flexibleres Material, das zudem beständig und belastbar ist. An der Entwicklung einer für den Körper verträglichen "elektronischen Hirnhaut“, welche die normale Dura mater (äußere Hirnhaut) hinsichtlich Form und mechanischen Eigenschaften nachbildet, tüftelte Minev bereits während seiner Postdoc-Zeit am Centre for Neuroprosthetics der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne (EPFL). Es handelt sich dabei um durchsichtige, hauchdünne Silikonscheiben, in die dehnbare Zwischenverbindungen aus Gold und weiche Elektroden integriert sind. Sie empfangen und entsenden Impulse – und überbrücken so Schäden an Nervengewebe. Da die Silikonscheiben dünn und biegsam sind, können sie im Gegensatz zu den bisherigen Implantaten, unter die Dura mater eingesetzt werden. Dadurch sind sie in engerem Kontakt zum Nervengewebe.

Dass das Ganze tatsächlich funktioniert, zeigten Minev und seine Kollegen vom EPFL an einer Ratte (Science 347, 159-63). Das Team beschädigte das Rückenmark des Tieres, was zu einer vollständigen Lähmung der beiden Hinterbeine führte. Dank eines an der lädierten Stelle eingesetzten Implantats und elektrochemischer Stimulation war die Ratte jedoch nach wenigen Wochen wieder recht fidel.

In Dresden will Minev die elektronischen Implantate weiter perfektionieren – und sie insbesondere mit Hilfe von 3D-Druckern herstellen.

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 08.12.2016