Editorial

Grüner wird's nicht

(16.8.16) Eine mysteriöse Grünfärbung im olympischen Sprungbecken sorgt für Spekulationen. Sind Algen verantwortlich, der pH, Wasserstoffperoxid, oder doch Kupfersulfat? Die offiziellen Erklärungen überzeugen jedenfalls nicht so recht.

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Expedition ins olympische Becken (Symbolbild)
© Simon Gurley / Fotolia

Auch für ausgemachte Sportmuffel gab es ein farbenfrohes Spektakel bei den olympischen Spielen in Rio. Denn das Wasser im olympischen Sprungbecken hat sich vergangenen Dienstag grünlich verfärbt.

Gereizte Augen und verfärbte Haare soll es gegeben haben. Und es hat angefangen zu stinken. Es roch "als habe jemand gefurzt". Von offizieller Seite hörte man anfangs nur, es habe ein "chemisches Ungleichgewicht" gegeben, eventuell weil ein Behälter mit einer Chemikalie zur Wasseraufbereitung trockengelaufen sei. "Chemie ist keine exakte Wissenschaft", erklärte Mario Andrada, Sprecher der Olympischen Spiele in Rio.

Spekulationen schossen ins Kraut, aber so recht überzeugen konnte keiner der Erklärungsversuche – auch nicht die verschiedenen Hypothesen von offizieller Seite.

Im Verdacht hatte man einen außer Kontrolle geratenen pH-Wert. Aber wie sollte das zu einer Grün-Färbung führen? Erst mal nicht überzeugend. Ein richtig eingestellter pH ist allerdings wichtig, damit das Chlor wirken kann, also Algen und Bakterien getötet werden.

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Eine Algenblüte also? Für diese Erklärung könnte sprechen, dass der Pool nicht in einer Halle, sondern direkt unter brasilianischer Sonne steht – und die Wasserzirkulation im Sprungbecken zumindtes zeitweise abgestellt ist, damit die Profi-Sportler beim Sprung vom 10m-Turm eine spiegelglatte Oberfläche unter sich sehen. Das könnte auch erklären, warum nur das Sprungbecken betroffen war, nicht aber das Schwimmbecken direkt daneben.

Gegen die botanische These spricht allerdings: So schnell, quasi über Nacht, wachsen Algen dann vielleicht doch nicht. Nach tagelanger Ratlosigkeit hat das kanadische Springer-Team schließlich einen eigenen Poolwasser-Experten eingeflogen, der den Technikern vor Ort bei der Spurensuche helfen sollte.

Nun schließlich gibt's wieder eine andere Erklärung der Offiziellen: Ein beauftragter Subunternehmer habe 160 Liter Wasserstoffperoxid ins Becken gekippt. Bademeister nutzen die Chemikalie (richtig dosiert) beispielsweise, wenn der Chlorgehalt im Wasser zu hoch ist, Wasserstoffperoxid neutralisiert die Wirkung des Chlors.

Aber woher dann die Grünfärbung? Da scheint man doch wieder bei einer unwahrscheinlich schnellen Algenblüte als "Erklärung" zu landen, ausgelöst durch die Neutralisierung des Chlors. Und: Wasserstoffperoxid riecht nicht nach Furz, worauf Forbes-Bloggerin "Grrlscientist" hinweist – die deshalb den Olympia-Funktionären auch den jüngsten Erklärungsversuch nicht abkauft und selbst eine weitere Variante beisteuert. Grrlscientist spekuliert, dass zuviel Kupfersulfat im Wasser war. Auch Kupfersulfat wird tatsächlich manchmal in Pools eingesetzt, um das Algenwachstum zu kontrollieren.

Kupferionen reagieren mit Chlorid-Ionen und bilden einen Komplex, der – sieh an – grün ist. Und: Sulfationen werden zu Hydrogen-Sulfat reduziert. Und das stinkt tatsächlich wie ein Furz.

Aber woher dann all die anderen Aussagen, der pH, das Wasserstoffperoxid? Grrlscientist meint: Eine Panikreaktion des Bademeisters vielleicht, der eventuell diverses Zeug ins Becken schüttete, was sein Chemieschrank so hergab. 

Was auch immer der Grund (oder: die Gründe) für das brasilianische Wasserfiasko war – wir werden es vielleicht nie erfahren. Ein neues Kapitel im Olympia-Mythos.

Es ist aber hoffentlich nur noch von akademischem Interesse. Das Wasser im Sprungbecken wurde jetzt komplett ausgetauscht.

 Hans Zauner

PS:  Die Meinung unserer chemisch und algen-biologisch versierten Laborjournal-Leser würde uns natürlich interessieren - z.B. via Twitter, Facebook oder direkt an die Redaktion.

 



Letzte Änderungen: 15.08.2016