Episciences Project — ein neues Modell zum wissenschaftlichen Publizieren

11. Februar 2013 von Laborjournal

Vor ziemlich genau einem Jahr startete eine Protestaktion gegen die exorbitante Preispolitik sowie die restriktiven Zugangsregeln des holländischen Wissenschaftsverlag-Giganten Elsevier. Auf der Seite “The Cost of Knowledge” können seitdem der Sache gewogene Unterzeichner erklären, dass sie den Verlag solange boykottieren werden, bis er sein Geschäftsmodell radikal ändert. So haben dort bis heute über 13.200 Forscher bezüglich Elsevier erklärt, dass sie dort:

… won’t publish, won’t referee, won’t do editorial work.

Hauptinitiator des Protests war damals der Mathematiker und Fields-Medaillengewinner Timothy Gowers (hier seine eigene Jahresbilanz des Protests). Jetzt geht er einen Schritt weiter: Auf seinem Weblog verkündete er vor einigen Tagen das “Episciences Project“, welches das wissenschaftliche Publizieren auf völlig neue Füße stellen will – komplett staatlich finanziert und ganz ohne kommerzielle Verlage.

Die Idee dahinter besteht in der Hauptsache in der Einrichtung sogenannter “Epijournals”. Diese bringen jedoch keine durch-editierten Artikel mehr, sondern wählen, bringen und ordnen vielmehr “nur” noch Links zu Artikeln, die für ihr jeweiliges Fachgebiet relevant sind und welche die Autoren zuvor selbst auf freien Dokumentenservern wie arXiv oder HAL publiziert haben. Dies natürlich erst, nachdem entsprechende Editorial Boards die “PrePrints” begutachtet und für ihr jeweiliges Epijournal als geeignet befunden haben.

Die Seite des Episciences Projects beschreibt dies folgendermaßen:

The main idea is to provide a technical platform of peer-reviewing; its purpose is to promote the emergence of epijournals, namely open access electronic journals taking their contents from preprints deposited in open archives such as arXiv or HAL, that have not been published elsewhere.

The editorial boards of such epijournals organize peer reviewing and scientific discussion of selected or submitted preprints. Epijournals can thus be considered as “overlay journals” built above the open archives; they add value to these archives by attaching a scientific caution to the validated papers.

The objectives are to achieve free journals and implement free access to electronic versions of articles. The epijournals could be new titles or existing ones wishing to join the platform. The Episciences.org platform will host epijournals of all scientific subjects.

Weiterhin peilen die Initiatoren an, für jeden akzeptierten Artikel eine Webpage in dem betreffenden Epijournal einzurichten, um dort Kommentare und weitere (Post Publication-) Reviews zu ermöglichen. Gowers schreibt dazu genauer:

One possibility being discussed, which I am very much in favour of, is each accepted article having not just a link to the arXiv but also a web page for (non-anonymous) comments and reviews. For example, the editor who accepts an article might wish to write a paragraph or two about why the article is interesting, a reader who spots a minor error might write explaining the error and how it can be fixed (if it can), and an expert in the area might write a review that could be very useful to hiring committees.

Ein Epijournal würde demnach als eine Art „Overlay-Zeitschrift“ fungieren, welche die multidisziplinären Dokumentenserver fachspezifisch überzieht. Der finanzielle Aufwand wäre überschaubar, da sämtliche kostenintensiven Prozesse der traditionellen Zeitschriften — wie etwa Copy-Editing, Druckvorstufen, Druck selbst und Vertrieb — wegfielen. Geschrieben und von “Peers” begutachtet werden Forschungsartikel ja sowieso umsonst — womit letztlich nur die Kosten zur technischen und inhaltlichen Pflege der Episciences-Seiten bleiben. Auch dafür scheint jedoch bereits ein potentieller Geldgeber gefunden: das staatlich finanzierte, französische Centre pour la Communication Scientifique Directe (CCSD), das zusammen mit dem Mathematik-Institut der Universität Grenoble bereits einige Open-Access-Server in Frankreich betreibt. Der Finanzierungsbedarf dürfte etwa bei den Kosten für die arXiv-Infrastruktur an der Cornell University liegen — rund 800.000 US-Dollar im Jahr.

Bereits im April will das Episciences-Projekt mit den ersten Epijournals starten — und wird natürlich vor allem davon abhängig sein, dass die Forscher das Modell akzeptieren und aktiv mitmachen. Zwar ist das Episciences-Konzept momentan vor allem auf die Bedürfnisse und Gepflogenheiten der mathematischen Forschergemeinde optimiert, andere Disziplinen sollen aber natürlich folgen.

Und wie reagieren die kommerziellen Wissenschaftsverlage auf das Projekt? Offiziell bisher gar nicht. Andrew Miller jedoch, der bei Elsevier als Herausgeber für die Endokrinologie- und Stoffwechsel-Journals verantwortlich ist, kommentiert wenigstens auf seinem eigenen Twitter-Account @EndoMetabPub ziemlich lapidar:

Good luck to arXiv ‘overlay journal’ project episciences.org. Academics behind it need to prove it’s more than dilettantism.

Na ja, von dieser Seite Begeisterung zu erwarten, wäre wohl auch zu viel verlangt.

 

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Ein Gedanke zu „Episciences Project — ein neues Modell zum wissenschaftlichen Publizieren“

  1. Panagrellus sagt:

    „von Peers begutachtet werden Forschungsartikel ja sowieso umsonst — womit letztlich nur die Kosten zur technischen und inhaltlichen Pflege der Episciences-Seiten bleiben.“

    Was hier aber vergessen wird, sind die Kosten für die Organisation eines wirklich unabhängigen, professionellen und schnellen Peer Review -Verfahrens. Auswahl der Gutachter, das „Einsammeln“ der Berichte und Kommunikation mit allen Beteiligten ist mit Arbeit verbunden. Sind Steuergelder sinnvoll angelegt, wenn Professoren selbst zum Telefon greifen müssen, um säumigen Gutachtern auf die Sprünge zu helfen?

    Ich will jetzt nicht die die Geschäftspraktiken von Elsevier verteidigen, aber die Logistik des Peer Review und der professionellen Veröffentlichung (samt Indexierung etc) gegen Bezahlung an eine externes Unternehmen oder eine not-for-profit-Organisation auszulagern, ist meiner Meinung nach sinnvoll.

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