Boykott gegen Elsevier

30. Januar 2012 von Laborjournal

Die Forschergemeinde macht mobil gegen das Geschäftsgebahren des Scientific Publishing-Giganten Elsevier. Schon lange geht es vielen auf den Geist, dass man die Elsevier-Journals für großes Geld kaufen muss, um die  Ergebnisse der Kollegen, inklusive der eigenen, lesen zu können — obwohl diese zum allergrößten Teil durch die Leistungen Steuerzahler-geförderter Forschung entstanden sind.

Das Fass zum Überlaufen brachte jetzt offenbar der neueste Geschäftstrick der Holländer, nach dem man Zeitschriften nur noch in „Bündeln“ abonnieren kann. Konkret heißt das, dass Bibliotheken Elsevier-Edelblätter wie etwa die Cell-Journals im Paket mit etlichen ungewollten „Ladenhütern“ bestellen müssen, die kaum einen interessieren. Und das kostet natürlich gleich mal einen ganzen Happen mehr als die jeweiligen Edelblätter alleine.

Die Community jedenfalls scheint jetzt ernst zu machen. Seit einigen Tagen läuft auf der Seite „The Cost of Knowledge“ folgende Protestaktion gegen die Elsevier-Politik, in der die Unterzeichner erklären, dass sie den Verlag jetzt solange boykottieren werden, bis er sein Geschäftsmodell radikal ändert:

(Mehr Details dazu gibt es auch auf der Seite des Initiators, Fields-Medaillen-Gewinner Tim Gowers.)

Bislang haben auf der Seite über 1.600 Forscher Elsevier wissen lassen, dass sie für den Verlag in Zukunft…:

… won’t publish, won’t referee, won’t do editorial work.

Von Sonntag nachmittag auf Montag morgen alleine sind knapp 300 neue Unterzeichner dazugestoßen. Es könnte also tatsächlich eine „kritische Masse“ zusammenkommen. Durchaus zurecht, wie auch wir von der Laborjournal-Redaktion meinen.

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16 Gedanken zu „Boykott gegen Elsevier“

  1. Ralf Neumann sagt:

    Jetzt, weitere 5 Stunden nach Veröffentlichung des Beitrags, sind’s schon über 1.700 Unterzeichner…

  2. Ralf Neumann sagt:

    Bereits Mitte des Monats geißelte der englische Geoforscher Mike Taylor im Guardian das forschungsfeindliche Geschäftsverhalten der großen Wissenschaftsverlage — Titel des Artikels: Academic publishers have become the enemies of science.

    Darauf antwortete jetzt ebenfalls im Guardian Graham Taylor, Director of Academic, Educational and Professional Publishing at the UK Publishers Association: Branding academic publishers ‚enemies of science‘ is offensive and wrong.

    Ersterer Artikel hat bislang 81 Kommentare, letzterer sammelte seit gestern bereits deren 39. Ein heißes Thema offenbar.

  3. Ralf Neumann sagt:

    … und der Boykottaufruf gegen Elsevier hat nun schon 2.000 Unterzeichner — macht einen Zuwachs von 25% innerhalb von weniger als 24 Stunden….

  4. Karin Hollricher sagt:

    …und was Frank Wilhelm Mauch von der Uni Saarland dazu schrieb, hat mir besonders gut gefallen:

    „Possible reply to requests: Dear colleague, thank you for the invitation to review a paper for your journal. I see that this journal is published by Elsevier, a for-profit publishing company with large profit margins. In particular, Elsevier charges unduly high subscription charges, augmented by its policy to package journals. While I am confident that the editorial board of your journal is behaving ethically, the same cannot be said for all Elsevier journals, including some we have to subscribe to as part of the package. Given this huge investment with low value for money my university has to make towards Elsevier subscriptions, I cannot use my university-paid time to review for Elsevier – this would charge my University twice. The only way how I would be able to review your journal is to do so as a freelancer in my spare time, on my own bill. My hourly rate for reviewing is 200 Euros plus taxes and I assume it will take me two hours for the initial review this paper, which is not a lot of money relative to the profit this article can generate. Yours sincerely…“

  5. Ralf Neumann sagt:

    US-Forscher und Open Science-Aktivist Jonathan Eisen hat auf seinem Blog The Tree of Life einen Vorschlag, wie man den Protest noch ausdehnen kann — Elsevier einfach ignorieren:

    There has been much written in the last few days about multiple calls to boycott journals published by Elsevier due to Elsevier’s generally problematic publishing policies and support of SOPA/ RWA, etc. People have called for people to not only boycott publishing in Elsevier journals but to also stop reviewing for them, editing for them, and also to try to get libraries to stop subscribing to them. Some good reading in this area includes:

    Mathematicians boycott Elsevier publishing
    The Cost of Knowledge
    Elsevier – my part in its downfall
    Journal Publishing Reform
    Ban Elsevier
    Scientists organize Elsevier boycott
    Academic publishers have become the enemies of science

    I think these are good steps. But I also think they are not enough. I am therefore calling for people to go one step further — to stop helping promote articles published in Elsevier journals. Don’t blog about papers in Elsevier journals. Don’t tweet about them. Don’t use Elsevier papers for journal clubs. In essence, ignore them – consider them dead – make them invisible. Not completely of course. Any work should be considered a contribution to science or math or whatever your field is. But there are LOTS and LOTS of things to do with your time. And if you like to share — to communicate — to discuss — it is easy to find non Elsevier articles articles for those purposes (even better — pick open access articles ..)

    This may be a minor thing in the fight for more openness in publishing, but it should help. After all, for many scientists, the worst thing that can happen is to be ignored.

  6. Ralf Neumann sagt:

    … Allerdings zog er diesen Vorschlag umgehend zurück, da er dafür sogleich Prügel von großen Teilen der Community bekam. Blogger DrugMonkey etwa schrieb:

    The science is the thing. There should be no substitution, ever, for making a scientific judgment about the merits of a given paper based on association. […] The notion that you are citing (or not citing) a paper based on where it is published is always wrong.

    Und er ergänzte auf seinem Twitter-Account:

    the right paper to discuss or cite is the right paper, period. Place of publication irrelevant.

    Okay, Recht hat der Mann.

  7. Daniel Weber sagt:

    Ein paar Stunden nachdem ich unterzeichnet habe, bekam ich die Einladung zum Peer Review für ein Elsevier-Journal und konnte mit dem Verweis auf
    http://thecostofknowledge.com/ ablehnen.

  8. Rene Groben sagt:

    Die Liste ist ja schön und gut und kann langfristig auch einen Effekt haben, aber um Elsevier richtig zu treffen müßten die derzeitigen Editoren der diversen Zeitschriften mitspielen und in den Streik treten bzw. von ihren Posten zurücktreten. Die würde zumindest zu Verzögerungen beim Erscheinen der Journals führen und damit direkt das Geschäft des Verlages beinflussen. Ich bin jedoch skeptisch ob jemand seinen/ihren prestigeträchtigen Editorenposten für diesen Zweck aufgeben wird.

  9. Ralf Neumann sagt:

    Aktueller Stand 48 Stunden nach Einstellen unseres Beitrags: 2530 Unterschriften. Das sind über 900 Neu-Unterzeichner seitdem.

  10. Ralf Neumann sagt:

    Science hat die Aktion jetzt auch bemerkt, deren Text erschien gestern kurz nach Zwölf und zählt 2.600 Unterzeichner. Jetzt, einen Tag später um 13:30 Uhr, fehlen noch 20 Unterzeichner bis zur 3.000er-Marke.

  11. Romano Rupp sagt:

    Der Wissenschaftler-Boycott ist bei der Börse angekommen. Die Elsevier-Aktien setzen seit den Börsenberichten über den Boycott zur Talfahrt an. Da jetzt einige Milliarden Euro auf dem Spiel stehen, kann es nicht mehr lange dauern, bis das Management des Konzerns einknickt:

    http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-aktien/reed-elsevier-nv.htm

  12. Ralf Neumann sagt:

    … und die Zahl der Unterzeichner ist aktuell bei 5878.

  13. Kommentar per Email sagt:

    … die werden immer frecher:

    Den Verlagen ein Dorn im Auge

    Mehrere Verlage für wissenschaftliche Fachzeitungen stören sich an einer wichtigen Dienstleistung der ETH-Bibliothek: dem elektronischen Dokumentenlieferdienst. Der Direktor der ETH-Bibliothek, Wolfram Neubauer, nimmt Stellung zum Rechtsstreit…

    Weiter unter: http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/120217_bibliothek_neubauer/index

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