Diverse Arten

18. Juli 2013 von Laborjournal

Welches Maß an genetischen Unterschied braucht es, um eindeutig zwei Spezies voneinander zu trennen?

Bleiben wir zunächst bei uns. Die Genome zweier beliebiger Menschen unterscheiden sich in knapp einem Prozent ihrer Sequenzen — offenbar zu wenig für zwei unterschiedliche Arten. Mit dem Schimpansen dagegen teilen wir uns im Schnitt 96 Prozent des Genoms. Bleibt man nur dabei, so müsste man folgern, dass irgendwo auf dem Weg von 99 runter zu 96 Prozent Sequenzübereinstimmung die genetische Artgrenze überschritten wird. Jetzt unterscheidet sich aber ein Schimpanse in seiner Sequenz von seinem eigenen Artgenossen bereits genau so sehr wie die beiden Spezies Mensch und Neanderthaler. Es scheint also komplizierter zu sein.

Wenn wir den Blick nur ein wenig ausweiten, stellen wir schnell fest: Es ist viel komplizierter! Bereits 2004 schrieben wir in Laborjournal print (Vol. 1-2/2004: 24):

Wiewohl Faustregeln zu einer molekularen Spezies-Differenzierung bereits existieren, kann eine Artabgrenzung allein aufgrund der Menge an Basenunterschieden schwer in die Irre führen. Diesen Beitrag weiterlesen »

Wie machen Pilzforscher einen Christbaum?

20. Dezember 2012 von Laborjournal

Zum Beispiel so:

Und das „Rezept“?

Man nehme: Für die Spitze Talaromyces stipitatus, für den Baum Aspergillus nidulans, für die Ornamente Penicillium marneffei und für den Stamm Aspergillus terreus. Entsprechend in Christbaum-Form auf Malzagar ausplattieren und solange bei 28°C bebrüten, bis der Baum in voller Pracht erstrahlt.

♫ ♪♫ Oh Mykobaum, oh Mykobaum,… ♫

(Vom Blog des J. Craig Venter Instituts)

Zum Verwechseln verschieden

22. November 2012 von Laborjournal

Sehr schönes, neues Beispiel für konvergente Evolution:

Bislang dachten selbst die Spezialisten, dass sämtliche sogenannte Schnabelkopf-Seeschlangen ein und derselben Art angehören. Australische Forscher um Bryan Fry von der University of Queensland verglichen jetzt die DNA einheimischer Schnabelkopf-Seeschlangen mit derjenigen ihrer vermeintlichen Artgenossen aus Asien. Am Ende stellten sie fest: Von wegen Artgenossen — beide sind nur entfernt miteinander verwandt (Mol. Phylogenet. Evol., publ. online 5 Oct.).

Den Grund, warum sich beide derart zum Verwechseln ähnlich sind, sehen die Forscher in ihrer speziellen, nahezu deckungsgleichen Lebensweise in den Gebieten seichter, schlickhaltiger Flussmündungen. Die quasi identischen Herausforderungen ihrer Umwelt hätten dafür gesorgt, dass die Vorfahren beider Spezies ihre jeweilige Evolution zwar unabhängig voneinander durchliefen, beide aber dennoch bislang zum gleichen Ergebnis gekommen sind. Diesen Beitrag weiterlesen »

Vom Wert des genauen Hinschauens

12. Januar 2012 von Laborjournal

Wie war das nochmal, wie Wissenschaft funktioniert?

  • Beobachte ETWAS (möglichst etwas Neues).
  • Beschreibe ES.
  • Überlege dir, warum oder wozu ES da ist.
  • Knobele Strategien aus, wie du testen kannst, dass ES eben darum oder dazu da ist.
  • Teste, teste, teste,… — wiederhole, wiederhole, wiederhole,…
  • … bis Konsens besteht, dass ES darum oder dazu da ist.

Projekte zu den Schritten 1 und 2 werden heutzutage oftmals etwas geringschätzig als „rein deskripitv“ abqualifiziert — im Gegensatz zu vermeintlich viel „edleren“ Projekten zur Entschlüsselung von Sinn und Funktion von ETWAS. Dabei ist durch das Schema selbst schon klar: Jegliche Suche nach Sinn und Funktion von ETWAS ist zwingend abhängig von sorgfältiger Beobachtung und Beschreibung. Und das kann bisweilen ganz schön knifflig sein…

Ein schönes Beispiel, wie wichtig allein die Wahl der Bedingungen ist, unter denen man beobachtet, lieferte im letzten Jahr das Paper „Stable structural color patterns displayed on transparent insect wings“ von Ekaterina Shevtsova und ihren Kollegen von der Universität Lund (PNAS vol. 108: 668-73). Das Team nahm sich jede Menge Insektenflügel und fotografierte sie vor schwarzem statt, wie üblich, vor hellem Hintergrund (siehe Foto oben). Und siehe da — was zuvor im Hellen ziemlich unspektakulär aussah, schillerte plötzlich fast schon wie Schmetterlingsflügel in allen möglichen Farben… Diesen Beitrag weiterlesen »

8,7 Millionen (± 1,3 Millionen)

26. August 2011 von Laborjournal

Wenn man jemanden davon überzeugen will, dass es sich bei der Biologie um eine quantitative Wissenschaft handelt, sollte man ein Thema tunlichst meiden — nämlich: Wieviele Spezies leben auf der Erde? Noch weiter als einst bei der Zahl der menschlichen Gene klaffen hier die Schätzungen der Experten auseinander. Nehmen wir nur die Eukaryoten, also diejenigen Lebewesen mit Zellkern — und lassen Bakterien und Viren außen vor: Aktuelle „seriöse“ Schätzungen schwanken zwischen 3 und 100 Millionen Arten.

Fünf Forscher aus den USA, Kanada und England behaupten nun, die tatsächliche Zahl deutlich genauer eingrenzen zu können. Deren „Berechnung“ folgt vor allem einem stabilen Muster, welches sie in den Verhältnissen der systematischen Kategorien — Art, Gattung, Familie, Ordnung, Klasse usw. — erkannt zu haben glauben. Diesen Beitrag weiterlesen »

Vergesst Tyrannosaurus…

23. April 2010 von Laborjournal

… wenn ihr von ‚T. rex‚ redet (und vergesst auch Marc Bolans gleichnamige Glamrockband aus den Siebzigern). Denn hier kommt Tyrannobdella rex — ein 4,5 cm langer Blutegel aus den Flüssen in und um Peru.

die Zähne des T. rex

Mit seinen acht in einer Reihe sitzenden und wahrhaft furchteinflößenden Zähnen (jedenfalls in der richtigen Vergößerung) sägt er sich in jegliches Fleisch, an das er andocken kann. Dies geschah unter anderem vor drei Jahren einem badenden Peruaner-Mädel, dem man T. rex anschließend von der Nase pflücken musste — was schließlich zur Entdeckung des ‚tyrannischen Königsegels‘ führte (PLoS ONE 5(4): e10057).

Seinem großen Fast-Namensvetter ist der bissige Wurm übrigens noch selbst begegnet, da die ersten Spezies seiner Gattung bereits vor etwa 200 Millionen Jahren auf der Erde erschienen. Und womöglich hatte in den folgenden Millionen Jahren auch so manch großer T. rex einen kleinen T. rex an der Nase hängen.