Verlieren ist schlimmer als im Sport

23. Juni 2015 von Laborjournal

2001 gewann völlig überraschend Goran Ivanisevic im englischen Wimbledon das wichtigste Tennisturnier der Welt. Eigentlich war er damals schon lange abgeschrieben. Zwar hatte er zuvor in den Jahren 1992, 1994 und 1998 dreimal das Wimbledon-Finale verloren — danach jedoch verschwand er ziemlich in der Versenkung, lieferte nahezu keine Ergebnisse mehr. Für Wimbledon 2001 war er daher natürlich nicht qualifiziert, dennoch ließen die Wimbledon-Veranstalter Ivanisevic in einem Akt nostalgischer Gnade mit einer Wildcard an dem Turnier teilnehmen. Der Rest ist Tennis-Geschichte…

Könnte so etwas analog auch in der Forschung passieren? Dass jemand, nachdem er jahrelang keine Ergebnisse geliefert hat, plötzlich doch wieder eine Chance bekommt — und sie tatsächlich nutzt, um zu allerhöchsten Ehren aufzusteigen? So wie das Forschungssystem aktuell funktioniert, kann man es sich beim besten Willen nicht vorstellen.

Im Sport ist ja sowieso einiges anders. Dabei kommt er doch mindestens ebenso kompetitiv daher wie die Forschung. Dennoch wird man im Sport beispielsweise in aller Regel auch für Silber- oder Bronzemedaillen gefeiert. In der Forschung nicht. Hier erntet ein zweiter oder dritter Platz keinen Ruhm, hier hast du einfach verloren, wenn du nach dem „Sieger“ ankommst. „The winner takes it all“ — kaum irgendwo ist dieser Spruch so wahr wie in der Wissenschaft.

Im Sport ist auch „nach dem Wettkampf“ gleich „vor dem Wettkampf“. Die Karten werden für jeden Wettbewerb neu gemischt, und frischer Ruhm ist sogar für die „Versager“ von den letzten Vergleichen zu ernten — siehe Ivanisevic. In der Wissenschaft dagegen kaum. Hier geht es so gut wie nie für alle zurück auf „Los“.

Warum? Wo ist er Unterschied?   Diesen Beitrag weiterlesen »

So sehen „Helden“ aus

8. Juni 2015 von Laborjournal

Wie bereits auf unserer Twitterseite gemeldet, erhielt unser Autor Axel Brennicke (Foto, Mitte) für seine regelmäßige Laborjournal-Kolumne „Ansichten eines Profs“ den „Science Hero Preis 2015“ der Konferenz Biologischer Fachbereiche (KBF). Die Preisverleihung nutzte die KBF jedoch nicht nur zur „Heldenverehrung“ — sondern nahm sie zugleich zum Anlass, um auch ihrerseits „einige Visionen zu formulieren, wie die Forschungs- und Hochschullandschaft der Zukunft aussehen könnte“. In ihrer Presseaussendung schreibt sie:

Die Konferenz Biologischer Fachbereiche ehrt Herrn Dr. Axel Brennicke, Professor für Molekulare Botanik der Universität Ulm, mit dem Science Hero Preis 2015. Die Vergabe des Science Hero Preises erfolgt an Personen oder Organisationen in der biowissenschaftlichen Forschung und Lehre, die bürokratische Ausuferungen oder politische Absurditäten mit Humor bekämpft, standhaft ertragen, oder effizient vermieden haben. Idealerweise haben die Preisträger dabei mehr Zeit und Ressourcen für gute Lehre und kreative Forschung verfügbar gemacht. Axel Brennicke ist für sein unermüdliches Engagement deutschlandweit bekannt und somit ein würdiger Preisträger 2015. Mit spitzer Feder hat er am Beispiel seiner Heimatuniversität die Absurditäten des deutschen Hochschulalltags im Laborjournal regelmäßig dargestellt. […]

Die Konferenz Biologischer Fachbereiche nimmt die Preisverleihung zum Anlass, um einige Visionen zu formulieren, wie die Forschungs- und Hochschullandschaft der Zukunft aussehen könnte.

Vision 1: Jeder Hochschulangehörige kann sich den eigenen Neigungen und Fähigkeiten in Wissenschaft und Lehre widmen. Verwaltung und Qualitätsmanagement werden als Serviceleistung für die Fakultäten verstanden. Die Lehre ist ausreichend finanziert und nicht auf Quersubventionierung oder Selbstausbeutung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angewiesen.

Vision 2: Die Grundlagenforschung genießt in der Öffentlichkeit eine hohe Wertschätzung. Antragstellung und Abwicklung von Projekten für Forschung und Lehre werden professionell unterstützt. Die Projektvergabe erfolgt transparent und zeitnah. Drittmittel werden nach Maßgabe der Antragsteller eingesetzt, auch hinsichtlich der Stellenvergabe. Projektträger und Hochschulleitungen haben sich von ihrem Rollenbild als Kontrollinstanzen verabschiedet und sehen ihre Kernfunktion als Unterstützer von Wissenschaft und Lehre.

Vision 3: Halbherzige Bildungsreformen, widersinnige Befristungsregeln und chronische Unterfinanzierung sind überwunden. Es gibt ein verlässliches und stabiles Hochschulrahmengesetz. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist grundlegend reformiert und in einen Wissenschaftstarifrahmen eingebunden. Besoldungsregeln sind transparent und orientieren sich nach einem vergleichbaren Schema. Karrierepläne für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind Bestandteil eines verbindlichen und ausfinanzierten Personal-Entwicklungskonzepts.

Vision 4: Der Wildwuchs an Studiengangsbezeichnungen ist durch systematische Kategorisierung der angebotenen Curricula nach Fach-Inhalten und Harmonisierung der grundständigen Studiengänge eingedämmt. Studierende haben viele Wahlmöglichkeiten, wissen und verstehen, was sie im Studium erwartet und können leicht zwischen Studienorten wechseln. Das Studium bringt Fachkompetenz, fördert die Persönlichkeitsentwicklung und bewirkt hohe berufliche Erfolgschancen.

Vision 5: Der Regularien-Dschungel ist durch ein vereinheitlichtes Gesetzbuch gelichtet. Biologische Materialien werden nach ihrem Gefährdungspotential beurteilt – unabhängig von der Art ihrer Erzeugung. Der verantwortungsvolle Umgang mit biologischen Einheiten ist auch für neue Technologien geregelt und sichergestellt.

Kurz vor der Preisverleihung schrieb uns Axel Brennicke noch:

Den hole ich dann stellvertretend für die ganze Redaktion ab. Mal sehen, was es für uns Helden gibt…

Es gab diese, von dem Hallenser Künstler Bernd Göbel entworfene „Helden“-Skulptur:

(Sämtliche „Ansichten eines Profs“ seit 2004 gibt es übrigens hier auf Laborjournal online.)

(Fotos: Jutta Ludwig-Müller)

BIOTECHNICA (4): Gepreister Nachwuchs

12. Oktober 2011 von Laborjournal

Da stehen sie nun, die Preisträger des BIOTECHNICA-Studienpreises 2011. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung preist drei besonders starke biowissenschaftliche Diplom- oder Masterarbeiten und wird vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e. V.) ausgeschrieben sowie von Roche unterstützt.

Kurz zusammengefasst landeten die beiden „exotischeren“ Themen (leider?) auf den Plätzen 2 und 3. Diesen Beitrag weiterlesen »

Bitte keine Quantensprünge mehr!

21. März 2011 von Laborjournal

Paul Ehrlich (mitte) und die Preisträger

Jedem Physiker rollen sich die Zehennägel auf, wenn ein metaphernverliebter Kommentator mal wieder das Bild vom epochalen, weltbewegenden und kolossalen „Quantensprung“ bemüht. Letzte Woche, anlässlich der Verleihung des Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Preises war es wieder soweit. Gewonnen hat den mit 100.000 Euro dotierten Preis der italienische Chemiker und Biologe Cesare Montecucco (auf dem Foto links) für seine Erkenntnisse über Infektionskrankheiten im allgemeinen und für die Entdeckung des „mechanism of action of tetanus toxin“ im besonderen.

Montecuccos Landsmann Rino Rappuoli hielt in der Frankfurter Paulskirche die Laudatio. Er lobte den Gepreisten so:

„Seine Entdeckung …. hat für das Verständnis der molekularen Mechanismen, die den Verkehr und Export von Molekülen in unseren Zellen regeln, einen Quantensprung bewirkt – und sie lieferte die Grundlagen zur Entwicklung neuer Therapien gegen eine Vielzahl von Krankheiten.“

Ich sehe das anders. Diesen Beitrag weiterlesen »

Dichtet — und GEWINNT!

3. Februar 2011 von Laborjournal

(von hier)

Gerade erst hatten wir ein Telomer-Gedicht auf Leinwand präsentiert, da küren bereits das ESRC Genomics Forum und die Scottish Poetry Library die Gewinner ihrer ESRC Genomics Forum Poetry Competition. Das Sieger-Gedicht „Forward Deck“ verfasste Sophie Cook aus Edinburgh sinnigerweise in Form einer Doppelhelix (siehe hier). Es beginnt:

It is growing harder to tell you apart,
genetically wondrous crew
in your superfine cruising clothes.
Your perfections are various, yet
shrink away from death
against one sunlit rail. You sing
on a merry motor yacht
that plots a straight and simple course.

Die weiteren Plätze belegten Nina Boyd, mit „Digital“ und Russell Jones mit „Chromosome Medley“. Weitere „Honourable mentions“ gab’s für Scott Edward Anderson („Improving the Human: The Poet Gene“), Katie Gooch („Made“), Ron Howland („One of those“), Ami Roseingrave („Unchained melody of genes“) und Tony Williams („Improvements“).

Uns hat das gleich an den guten, alten P.H. Metrius erinnert, der zwischen 1998 und 99 regelmäßig in Laborjournal unter dem Titel „Dem Forscher zum Geleit“ dichtete. Eines seiner bekanntesten Werke war damals seine „Frühlings-Elegie“ — und die ging so:

Draußen wiegt der warme Wind
die Linden und die Weiden.
Der Lenz, er ist der Weichheit Kind
und ich will ihn nicht leiden.

Die Damen zeigen ihre Beine,
der Jüngling seine Brust,
der Schoßhund flieht die Hundeleine
und ich pfleg meinen Frust.

Oh, Frühlingsduft durchwebt die Luft.
Ich ahne das — ich kenn das wohl,
doch hier in meiner Forschergruft
riechts nach Mercaptoethanol.

Großartig, oder! Und komisch, sofort hatten wir Lust, auch eine „Competition“ zu veranstalten — einen Dichter-Wettstreit quasi. Wer uns also das originellste selbstverfasste Labor- oder Life Science-Gedicht unten ins Kommentarfenster schreibt oder per E-Mail an redaktion@laborjournal.de sendet — der bekommt von uns ein Original-LaborjournalBleu d’Air Saque-T-Shirt.

Biotechnica 2010 (2)

6. Oktober 2010 von Laborjournal

… und auch der „kleine Preis“ — der BIOTECHNICA Studienpreis 2010, verliehen vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e.V.) sowie gesponsert von Roche Applied Science — ist frisch vergeben. Drei Studenten ließen 57 Mitbewerber mit ihren Abschlussarbeiten hinter sich und teilten sich die Plätze auf dem Treppchen.

Wobei VBIO-Präsident Diethard Tautz vom MPI für Evolutionsbiologie in Plön klar stellte: „Die Preisträger können sich sicher sein, dass ihre Arbeiten sehr gut sind. Die anderen waren es aber durchweg auch.“ Diesen Beitrag weiterlesen »

Biotechnica 2010 (1)

5. Oktober 2010 von Laborjournal

Es ist wieder mal soweit: Der harte Kern des Laborjournal/Lab Times-Teams präsentiert sich auf der diesjährigen Biotechnica in Hannover. Diesmal hat das Ausstellervolumen gerade mal für eine Dreiviertel-Halle gereicht. Minusrekord!

Dennoch bereitet sich Verleger H. an unserem Stand mit der Laborjournal/Lab Times-Buttonstanzmaschine auf „Give away“-jagende Besucherfluten vor (siehe Foto). Training ist alles! Mal schauen, ob es sich lohnt.

Übrigens den Biotechnica-Award samt €30,000 gewann gestern abend die belgische Firma Galapagos, eine sogenannte „genomics-based drug discovery company“ mit über 450 Mitarbeitern.

Bringt Bioinformatik was?

21. Juni 2010 von Laborjournal

Die Bioinformatik hat nicht überall den besten Ruf. Man nehme etwa den Beitrag „Do computational biologists care about being right?„, der vor einem knappen Jahr im Blog Adaptive Complexity erschien. Darin heißt es:

You have these clever computer guys, and they don’t give a damn whether their models are actually right. They’ve come up with some clever algorithm or theoretical analysis, and that’s good enough. I’m not saying that computational guys have to test everything themselves, but many of them are not even proactive about getting someone else to test them. They’re just happy to move right along to the next project that will have zero impact on biology.

Hartes Urteil. Aber nicht ganz von der Hand zu weisen, solange Dinge geschehen wie zum Beispiel das, was eine den Lab Times-Lesern wohlbekannte Eule vor einiger Zeit beschrieb. Diesen Beitrag weiterlesen »

Schlaue Sprüche (Analytica 4)

24. März 2010 von Laborjournal

Auf der Eröffnungsfeier am Abend zitierte der Moderator den Nobelpreisträger Albert von Szent-Györgyi (Medizin 1937, siehe Bild rechts) folgendermaßen:

Research is four things: brains with which to think, eyes with which to see, machines with which to measure and, fourth, money.

Danach wurde den beiden Preisträgern der diesjährige Analytica-Forschungspreis verliehen (siehe auch weiter unten, Beitrag „Mittagstief“). Und der Moderator verriet auch, was beide mit ihren jeweils 25.000 Euro unter anderem vorhaben. Petra Dittrich nimmt die ganze Familie mit zu einem Kongress auf Hawaii, Matthias Selbach finanziert damit eine zweite Himalaya-Tour. Wir gönnen hart arbeitenden Forschern solche Dinge natürlich von ganzem Herzen. Szent-Györgyi allerdings hatte das mit dem Geld sicherlich anders gemeint.