Verdauungs-Fantasien

6. März 2024 von Laborjournal

Ihr Opfer war so gut wie tot, das stand außer Frage. Noch krabbelte es auf zittrigen Beinen am Rand des leuchtend roten Fangeisens entlang, noch tastete es mit seinen Fühlern nach dem süßlichen, fauligen, verführerischen Duft ihrer Nektardrüsen. Doch nur wenige Millimeter weiter, und es würde mehrere ihrer Sinneshärchen berühren und die gespannten Tellereisen ihrer Fangblätter binnen 100 Millisekunden zuschnappen lassen. Widerstand war zwecklos.

Natürlich könnte sich Dionaea muscipula, die Venusfliegenfalle, von Sonnenlicht, Kohlendioxid, Wasser und Mineralien des Bodens ernähren. Doch jeden Morgen wacht sie auf und entscheidet sich aufs Neue für etwas anderes: Gewalt!

Warum? Weil sie an ihrem nährstoffarmen Standort einfach nicht auf die Stickstoff-Leckerli verzichten kann, die auf ihr herumkrabbeln.

Hat sie einen Arthropoden in einem ihrer Fangblätter eingeschlossen, bewerten Chemorezeptoren dessen Verwertbarkeit. Erachtet sie ihr Opfer als schmackhaft, versiegelt sie das klebrige Grab vollständig. Selbst Flüssigkeit kann dann nicht mehr austreten. Kleine Drüsen sondern nun ein Verdauungssekret ab, dessen Amylasen, Esterasen, Phosphatasen, Proteasen, Ribonukleasen und in geringen Mengen auch Chitinasen den gefangenen Gliederfüßer bis auf Molekülebene zersetzen. Nach zehn Tagen ist das Festmahl vorbei. Nur unverdauliche Reste wie Beine und Chitinpanzer bleiben übrig und fallen zu Boden, sobald sich die Fangblätter erneut öffnen und aufrichten. Das Massengrab zu Füßen der Venusfliegenfalle wächst.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Unser täglich Brot gib uns heute…

14. November 2014 von Laborjournal
 
Wie wirken Ökologie und Religion zusammen? Ein neues Paper sagt: Vielleicht stärker, als man bislang dachte. Gedanken dazu von unserem Autor Leonid Schneider.
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Unser Planet bietet die verschiedensten klimatischen Zonen. Fast alle wurden von Menschen besiedelt. Alle diese verschiedenen menschlichen Gesellschaften entwickelten nachfolgend ihre eigenen Kulturen und Sozialstrukturen — aber auch ihre eigenen Religionen. Unter sämtlichen diversen Glaubensvorstellungen gibt es viele, die das individuelle Verhalten sanktionieren und die Regeln des Zusammenlebens festlegen. Fachleute bezeichnen sie als „moralisierend“. Warum aber haben Menschen an manchen Orten der Erde sich solche strengen, moralisierenden Götter als Autoritäten zugelegt, während die Götter anderer Kulturen sich eher selten vorschreibend ins Privatleben ihrer Gläubigen einmischten? Kurzum, warum war der alttestamentarische Gott ein paranoider mordlustiger Kontrollfreak, während die alten Griechen gewissermaßen beim Bankett mit ihren lebenslustigen Göttern mitbechern konnten?

Unter Fachleuten ist offenbar umstritten, ob das Aufkommen der organisierten Religionen durch gesellschaftlich-kulturelle Veränderungen, wie Siedlungswachstum und Aufkommen der Landwirtschaft, oder durch die in der jeweiligen Region vorherrschenden besonderen Umwelt- und Klimabedingungen zu erklären ist. Eine neue Studie, kürzlich in PNAS erschienen (publ. onl. 10. Nov. 2014), geht nun dieser Frage nach der Entstehung der moralisierenden Religionen unter Einbeziehung der jeweiligen ökologischen Umweltbedingungen nach (Medienberichte hier und hier). Diesen Beitrag weiterlesen »

Farbe durch Futter

30. August 2011 von Laborjournal

Es gibt Dinge, die haben absolut keinen Erkenntniswert, sind aber doch irgendwie ganz nett.

Dass etwa Organismen die Farbe ihrer Nahrung annehmen können, weiß jeder Laie, der eine Mücke lange genug saugen lässt. Zumal es sowieso keine Überraschung ist, dass bei Lebewesen mit durchscheinenden Körperteilen hin und wieder auch die Farbe ihres Futters durchschimmert.

Ein wenig anders, aber ebenfalls weithin bekannt ist es bei den Flamigos: die verdanken ihr rosarotes Federkleid ausschließlich den Carotinoiden aus ihren Krebsmahlzeiten.

Nix Neues also, aber schön aussehen kann so etwas allemal — wie diese Bilder von Ameisen, die an grell gefärbten Zuckerlösungen nuckeln, beweisen:

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