Gleich und Gleich gesellt sich … nicht immer gern

12. August 2020 von Laborjournal

Eine logische Konsequenz aus der stetigen Zunahme von Interdisziplinarität und Daten­vo­lu­men in wissenschaftlichen Publikatio­nen ist, dass immer öfter zwei oder mehr gleichwertige „Equally Contributing Authors“ die entspre­chen­den Autorenlisten anführen — meist durch Sternchen hinter den jeweiligen Namen gekennzeichnet. Da aber fast nichts in der Forschung eine derart heikle Angelegenheit darstellt wie die richtige Reihenfolge und Gewichtung der Autoren auf einem Paper, lauert durchaus hohes Konfliktpotenzial hinter der Abwägung, ob jemand jetzt etwa gleich viel dazu beigetragen hat — oder eben gerade nicht mehr.

Besonderes Konfliktpotenzial ist jedoch nur das eine, dazu kommt leider noch ein ebenfalls beträchtliches Missbrauchspotenzial. Denn wer weiß etwa schon, wie oft die Chefs ihren Lieblings-Postdoc mit einem „Gleichwertigkeits-Sternchen“ an Position 2 oder 3 einer Veröffent­li­chung hieven, zu der dieser nichts beigetragen hat, außer mal ein paar Röhrchen neben seinen eigenen Proben mitzuzentrifugieren? Nur um dessen Karriere noch ein kleines bisschen stärker anzuschieben…

Dass solch ein Szenario leider nicht nur reine Fantasie ist, bestätigte uns ein „Betroffener“ unlängst mit der folgenden E-Mail:    Diesen Beitrag weiterlesen »

Die Geister des Peer Review

8. Mai 2019 von Laborjournal

Hand auf’s Herz, liebe Profs und Gruppenleiter: Wer von euch hat schon mal einen Postdoc oder anderen Mitarbeiter der eigenen AG ein Manuskript begutachten lassen, das ihm zum Peer Review geschickt wurde — und das Gutachten am Ende gänzlich unter eigenem Namen an den Journal-Editor zurückgeschickt? Rein statistisch müsste sich jetzt eigentlich jeder Zweite ertappt fühlen — jedenfalls, wenn man das Ergebnis einer aktuellen Befragung von Nachwuchsforschern durch US-Forscher mal herumdreht: Knapp die Hälfte von fünfhundert befragten Early Career Researchers gab darin an, bereits als Ghostwriter im Namen des Chefs einen Peer Review verfasst zu haben — ohne dass den Journal-Editoren deren Autorenschaft offenbart wurde (. Die große Mehrheit von ihnen kam aus den Life Sciences.

In der gleichen Umfrage verurteilten achtzig Prozent der Befragten diese Praxis der verschwie­genen Review-(Ko)-Autoren. Warum aber kommt es trotzdem zu derart vielen GhostwriterReviews?

Die Zielrichtung dieser Frage muss man vorab genauer erklären. Diesen Beitrag weiterlesen »

Wutschrift eines Physikers über die «Forschungskultur» in der Biomedizin

10. September 2018 von Laborjournal

In schöner Regelmäßigkeit erhalten wir von unseren Lesern E-Mails, die man im Englischen als «Rant» bezeichnen würde. „Wutschrift“ oder „Tirade“ würde es im Deutschen wohl am ehesten treffen. Und natürlich sind es meist irgendwelche Zustände im hiesigen Wissenschaftssystem, die den Autoren immer wieder die Zornesröte ins Gesicht treiben.

Mit dieser allgemeinen Einleitung sollte die Neugier auf ein konkretes Beispiel geweckt sein. Also gut, nehmen wir etwa die folgende Mail, die uns ein Physiker bereits vor einiger Zeit zuschickte und in der er zwar nur kurz, aber heftig über die Verhältnisse in der biomedizinischen Forschung ablederte. Geben wir ihm also selbst das Wort:…

Als Physiker, genauer gesagt als Theoretiker, der eher Einzelkämpfertum gewohnt war, geriet ich vor Jahren vom Hamburger DESY, also der Hochenergiephysik, in die biomedizinische Forschung — und ich kann nur sagen: Ein echter Kulturschock! PI-Kult und Impact-Faktor-Fetischismus ohne Ende. Dazu eine ausgeprägte Projektitis: Jedes Projekt kündigt mindestens die ultimative Erklärung für irgendetwas an, wenn nicht dazu sogar noch Firmenausgründungen, Patente und vieles andere mehr. Völlig logisch daher, dass die Antragsteller auf diese Weise schon im Antrag versprechen, was am Ende rauskommen wird (deliverables) — und in welchen Zeitabschnitten (milestones). Reine Beutegemeinschaften, meist mit einem Haupt-Beutegreifer.

Preprints — in der Physik fest etabliert — scheinen in der Biomedizin als Teufelswerk verschrien. Seit zehn Jahren versuche ich meinen Chef von Preprint-Publikationen zu überzeugen. Doch ich höre immer nur: Beim Publizieren fängt man bei Nature, Science und Co. an. Fast immer wird das Manuskript abgelehnt, und man schreibt es für das nächste Journal um, et cetera — um es schließlich nach einem halben Dutzend Versuchen in einem passenden Journal unterzubringen. Am Ende ist dafür dann mehr Zeit vergangen als für die Forschung selbst.

Was für eine irrsinnige Verschwendung von Zeit und Steuergeldern! Und am Ende muss man sich dann anhören: „Associate-Professor wollen Sie werden? Dafür haben sie aber nicht genügend Paper pro Zeiteinheit geschrieben.“

Schlimmer noch trifft’s die Doktoranden und Postdocs: Die sind eh nur Verbrauchsmaterial — fast schon Sklaven, mit denen man machen kann, was man will. (Kürzlich sagte bei uns etwa ein PI zum Erstautor eines Manuskripts: „Ich habe mit meinem PI-Kumpel beim Mittagessen über das Paper geredet, deshalb muss er mit auf die Autorenliste.“ Und das zielgenau nach der zweiten Revision, als klar war, dass das Paper durchkommt…) Ein Aufstand ist nicht möglich, sonst kann man sich den nächsten Zeitvertrag abschminken — nur um dann nach 15 Jahren doch auf der Strasse zu landen.

Programme, die mit viel Geld und Zeit gestartet wurden, verrotten vor solchem Hintergrund mannigfach auf irgendwelchen Servern — weil irgendwann keiner mehr da ist, um sie zu pflegen und weiterzuentwickeln. Wieder viel Steuergeld für die Katz‘! Kontinuierlicher Aufbau von Wissen und Knowhow findet so kaum statt — auch weil es ja keinen akademischen Mittelbau mehr gibt, der ihn weiter tragen könnte. Dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz sei dank!

So wird man die großen Fragen sicher nicht lösen. Sei es die nach der Entwicklung eines ganzen Lebewesens aus nur einer befruchteten Eizelle, oder die, warum wir altern und sterben, oder warum es überhaupt Leben auf der Erde gibt…

Irgendwelche Einsprüche? Bestätigungen? Relativierungen? Oder gleich noch einen «Rant» hinterher? …

Nehmen wir gerne! Als Kommentar hier unten oder via E-Mail an redaktion@laborjournal.de.

Illustr.: DeviantArt / baleshadow

 

Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs (10)

5. März 2012 von Laborjournal

Nichts ist in der Forschung eine so sensible Angelegenheit wie die richtige Reihenfolge der Autoren auf einem Paper. Wobei die ganze Angelegenheit nochmal eine Spur delikater geworden ist, seitdem sogenannte Ko-Erstautorenschaften rasant zunehmen.

Der Grund liegt häufig darin, dass immer mehr Paper nur noch durch die gleichwertige Kooperation mehrerer Gruppen mit jeweils verschiedener Expertise entstehen (können). Nicht selten werden dann zwei oder mehr Erstautoren in alphabetischer Reihenfolge auf den ersten Plätzen gelistet und mit einem Sternchen versehen. Zur Bedeutung des Sternchens heißt es dann irgendwo auf derselben Seite:

„*These authors contributed equally to this project and should be considered co-first authors.“

Klar indes, dass ein Paper mit den drei Ko-Erstautoren „Maier, Müller, Schmidt“ nach liebgewonnener Forschergepflogenheit schnell zu „Maier et al.“ degeneriert. Was natürlich nicht wirklich fair ist. Diesen Beitrag weiterlesen »

Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs (2)

16. November 2010 von Laborjournal

Der Anteil geht gegen Null — aber es gibt doch einige wenige, die sich ihren ganz eigenen Spaß mit dem Autoren- und Referenzwesen von biomedizinischen Veröffentlichungen leisten.

Das womöglich bekannteste Beispiel lieferte Sydney Brenner (Nobelpreis 2002). In einem Manuskript, das er an die Royal Society of London schickte, hatte er mitten im Text geschrieben: „Leonardo da Vinci (personal communication).“ Als sich daraufhin der Editor bei ihm beschwerte, soll Brenner kurzerhand zurückgegeben haben: „Das ist ein neuer italienischer Postoc in meinem Labor“.

Die US-Immunologin Polly Matzinger dagegen nahm in einem theoretischen Paper, das sie 1978 im Journal of Experimental Medicine veröffentlichte, ihren Hund, einen Afghanen mit dem Namen „Galadriel Mirkwood“, als Koautor mit auf. Nachdem dies herauskommen war, verbannte der damalige Chief Editor die Autorin Polly Matzinger bis zu seinem Tode aus „seinem“ Journal. Matzinger selbst rechtfertigte ihren „Streich“ mit dem Hinweis, dass ihr Hund zu diesem Paper doch auch nicht weniger beigetragen habe als viele andere Autoren jeweils zu ihren Veröffentlichungen.

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