Wenn Forscher die Muse küsst

9. Dezember 2012 von Laborjournal

Ungewöhnliche Abbildungen in Forschungsartikeln hatten wir gerade erst als Thema in diesem Blog. Was aber ist mit Poesie in Forschungsblättern? Schon klar, dafür sind sie nicht da. Dennoch aber hat das Oxford Journal Systematic Biology kürzlich damit angefangen — und frisch das folgende Gedicht „The Tree of Life“ von David R. Maddison, Zoologe an der Oregon State University in Corvallis, veröffentlicht:

The Tree of Life

I think that I shall never see
A thing so awesome as the Tree
That links us all in paths of genes
Down into depths of time unseen;

Whose many branches spreading wide
House wondrous creatures of the tide,
Ocean deep and mountain tall,
Darkened cave and waterfall.

Among the branches we may find
Creatures there of every kind,
From microbe small to redwood vast,
From fungus slow to cheetah fast.

As glaciers move, strikes asteroid
A branch may vanish in the void:
At Permian’s end and Tertiary’s door,
The Tree was shaken to its core.

The leaves that fall are trapped in time
Beneath cold sheets of sand and lime;
But new leaves sprout as mountains rise,
Breathing life anew ‘neath future skies.

On one branch the leaves burst forth:
A jointed limb of firework growth.
With inordinate fondness for splitting lines,
Armored beetles formed myriad kinds.

Wandering there among the leaves,
In awe of variants Time conceived,
We ponder the shape of branching fates,
And elusive origins of their traits.

Three billion years the Tree has grown
From replicators’ first seed sown
To branches rich with progeny:
The wonder of phylogeny.

Wenn David Madison nicht dichtet, koordiniert er unter anderem das weltweite Tree Of Life web project.

Aber abgesehen davon: Gibt es noch mehr Beispiele für Poesie in Forschungsblättern? Und wie geht es inzwischen eigentlich P.H. Metrius?

Über Zufall und Willkür beim Peer Review

31. August 2012 von Laborjournal

Publizieren scheint immer schwerer zu werden. Denn nicht nur Nature oder Science, nein auch viele Medium-Impact-Journals nehmen offenbar immer weniger Manuskripte zur Publikation an. Ein Herunterdrehen von 40% akzeptierter Manuskripte vor 15 Jahren auf heutzutage unter 15% ist beispielsweise keine Seltenheit.

In einem Editorial in Ideas in Ecology and Evolution (vol. 5: 9-12, 2012) beschrieb die Kanadierin Lonnie W. Aarssen solch „drakonische Standards“ nicht gerade schmeichelhaft als:

… product of gate-keeping elitism, motivated by self-serving goals of journal publishers and editors to elevate impact factor as a symbol of status, and to compete with other journals for that status.

Der Ökologe David Wardle von der Universität Umeå in Schweden untersuchte nun beispielhaft, welche Konsequenzen dieser „Gatekeeping Elitism“ für die Qualität ökologischer Veröffentlichungen hat (Ideas in Ecology and Evolution vol. 5: 13-15, 2012). Was er herausfand, ist durchaus alarmierend. Diesen Beitrag weiterlesen »

„So viel Schlamperei kann doch wohl kaum sein“

10. August 2012 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. S. Keptik, Editoriologisches Institut Universität Blätterwald.

LJ: Hallo, Herr Keptik — Sie schütteln den Kopf. Was ist passiert?

Keptik: Ach, nichts wirklich Schlimmes. Ich hab‘ nur wieder mal eine komische Email-Antwort erhalten.

LJ: Inwiefern?

Keptik: Na ja, ich bin doch Chief Editor beim All Open Journal. Und in letzter Zeit haben die „Fälle“ durchaus zugenommen, in denen die Gutachter ihre Berichte mit dem Hinweis zurückschicken, dass ihrer Meinung nach etwas mit der Präsentation der Daten nicht stimmen könne. Weswegen sie dann meistens verlangen, die Originaldaten und -unterlagen einzusehen.

LJ: Und die fordern Sie dann an?

Keptik: Richtig. Und Sie glauben nicht, was ich da manchmal zu hören bekomme. Gerade eben hat zum Beispiel einer zurückgeschrieben, dass er die Unterlagen bedauerlicherweise nicht mehr finden könne, weil er gerade erst mit seinem Labor umgezogen sei. Beim Umzug Originaldaten zu Manuskripten verbummeln, die gerade begutachtet werden — also ich bitte Sie? Das „riecht“ schon ein wenig komisch, oder? Diesen Beitrag weiterlesen »

Flickschuster-Banden

2. August 2012 von Laborjournal

Immer wieder stolpern aufmerksame Leser in aktuellen Veröffentlichungen über Abbildungen wie diese:

 

(aus Figure 6, Diabetes 2008(57): 2933-42;
veröffentlicht und mit rotem Kommentar versehen im Blog Science Fraud.)

Was daran „stinkt“, ist klar: Die Blot-Spuren und -Banden stammen ganz offensichtlich nicht aus demselben Experiment und wurden nachträglich im Computer zu einem Bild zusammengeschustert. Das jedoch erlauben die Journals aus gutem Grund nur in Ausnahmefällen sowie unter ganz bestimmten Vorgaben.

Anderes Beispiel:  Diesen Beitrag weiterlesen »

EU macht Ernst in Sachen Open Access

19. Juli 2012 von Karin Hollricher

Es bewegt sich was: Die EU-Kommission will Forschung im EU-Raum (ERA) öffentlich zugänglich mache In einer Pressekonferenz stellten die EU-Kommissarinnen Maire Geoghegan-Quinn und Neelie Kroes ein Kommuniqué der EU-Kommission sowie eine Empfehlung an die EU-Mitglieder vor. Danach sollen Forschungsdaten und Publikationen künftig öffentlich zugänglich sein.

Kroes skizzierte zwei Wege, die Daten zu publizieren:

„First, by paying publication costs upfront to the publisher and making the articles immediately accessible — known as ‚Gold‘ Open Access. Or, second, by putting their articles into open access repositories online. Publishers sometime impose „embargo periods“, that is: delays before such self-deposited articles can become openly accessible. Our policy means that delays of up to 6 months are acceptable for all subjects, with an except for social sciences and humanities who may delay by 12 months. This is known as “green open access”.

Man darf gespannt sein, wie die Verlage und die Wissenschaftler darauf reagieren. In Großbritannien hat die Regierung ja bereits Sturm auf die bisherige Publikationskultur geblasen und einen Plan für die nächsten zwei Jahre vorgelegt.

Welcher Weg der richtige ist, darüber sind sich die Forscher noch nicht wirklich einig. Open Access-Aktivist Steve Harnad kritisiert beispielsweise den ‚Goldenen Weg‘, auf dem die Wissenschaftler ihre Arbeiten in Open Access-Journals gegen Bezahlung veröffentlichen können, und wirbt für den ‚Grünen Weg‘. Dabei sollen alle Veröffentlichungen nach einem Peer Review in öffentlich zugänglichen Datenbanken (repositories) platziert werden.

Was daran besser sei, diskutiert Harnard in aller Ausführlichkeit hier.

Flotter Impact-Dreier

10. Juli 2012 von Laborjournal

Dass Journals ihren jährlichen Impact-Faktor bisweilen gezielt durch zweifelhafte Selbstzitierungen hochhieven wollen, ist inzwischen bekannt. In schlimmeren Fällen übt der Verlag gar gezielt Druck auf Autoren und Gutachter aus, dass sie möglichst viele Referenzen aus dem eigenen Journal in die entsprechenden Publikationen einflechten.

Glücklicherweise sind solche Selbstzitat-Orgien relativ leicht aufzudecken. Und nicht zuletzt deshalb hat Thomson Reuters bereits vor einiger Zeit auf solche Machenschaften reagiert und schmeißt seitdem Journals mit auffällig hohem Anteil an Selbstzitaten rigoros aus seinem jährlichen Journal Citation Report raus.

Deutlich schwieriger ist dies bei sogenannten Zitier-Kartellen. Wie diese funktionieren, beschrieb vor einigen Wochen der ehemalige Forscher und Bibliothekar Phil Davis an einem realen Fall im Blog The Scholarly Kitchen (wohin übrigens auch alle obigen Links führen).

Davis fiel zunächst auf, dass das Journal Cell Transplantation, veröffentlicht von der Cognizant Communication Corporation in Putnam Valley, New York, seinen Impact Faktor zuletzt rapide steigern konnte: von 3,48 in 2006 auf 6,2 in 2010. Diesen Beitrag weiterlesen »

Dummy-Journal

21. Juni 2012 von Laborjournal

Wir gehen mal davon aus, dass Otto Normalforscher sich das Journal, dem er seine sauer erarbeiteten Daten anzuvertrauen gedenkt, peinlichst genau aussucht. Ob ein Journal, in dessen Editorial Board nur Dummies sitzen, dann noch Chancen hat:

Nur Dummies im Editorial Board (zum Vergrößern auf’s Bild klicken)

Wir haben herzlich gelacht!

Und damit ist eigentlich klar: ChemXpress reiht sich nahtlos ein in die immer länger werdende Liste der mehr als fragwürdigen Open Access Journals, die ziemlich plump auf reine Abzocke aus sind. Und zwar ganz unten.

(Gefunden auf Jeffrey Bealls „Watchdog“-Blog Scholarly Open Access)

Zitat des Monats (11)

18. Mai 2012 von Laborjournal

Chris Said, Center for Neural Science an der New York University, warnt in seinem Blog The File Drawer vor zunehmender Voreingenommenheit bei Erstellung, Interpretation und Publikation von Forschungsergebnissen:

Scientific journals favor surprising, interesting, and statistically significant experimental results. When journal editors give preferences to these types of results, it is obvious that more false positives will be published by simple selection effects, and it is obvious that unscrupulous scientists will manipulate their data to show these types of results. These manipulations include selection from multiple analyses, selection from multiple experiments (the “file drawer” problem), and the formulation of ‘a priori’ hypotheses after the results are known. While the vast majority of scientists are honest individuals, these biases still emerge in subtle and often subconscious ways.

Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs (12)

19. März 2012 von Laborjournal

Was denkt wohl der gemeine Forscher, wenn er liest:

… as published in Nature and Science.

Logisch, dass das Zeug in zwei unabhängigen Publikationen veröffentlicht ist — einmal in Nature, und einmal in Science (als Nachfolgestudie oder was auch immer).

Obige Aussage würde indes auch auf das Paper „Studies On A Newly Introduced Drug Acting As Anti-Cancer Initiation Activity“ zutreffen. Doch dieses steht weder in Nature noch in Science, sondern vielmehr in Nature and Science — einer Zeitschrift, die seit 2003 im US-Verlag Marsland Press erscheint.

In den Kommentaren eines Beitrags auf dem Blog Retraction Watch kommt diese Namensgebung allerdings nicht gut weg:

Nature and Science, are you kidding me?! […] Taken from the website of this soon-to-be tiger of scientific publishing, it is allegedly “an international journal to enhance our natural and scientific knowledge spreading in the world under the free publication principle.” Hm… […] This just puts me off, such cheap parasitism on respectable journals,…

…schreibt etwa einer. Während ein weiterer Kommentator den Bogen schon mal weiter spannt:

I have to quickly start a journal called Cell, Nature and Science.

 

 

Von zweifelhaftem Verhalten der Journals

14. Februar 2012 von Laborjournal

Das Feld der wissenschaftlichen Journale scheint immer mehr zu verrotten. Und damit meinen wir gar nicht unbedingt das Geschäftsgebahren der großen Verlage à la Elsevier, Springer oder Thieme und Co. (siehe unseren früheren Beitrag „Boykott gegen Elsevier“ samt Kommentare).

Nein, eher passt in dieses Bild etwa die Zunahme sogenannter „Bogus Journals“, die auf nichts anderes aus sind, als das bei Open-Access-Online-Journals gängige „Author pays“-Modell auf unlautere Weise für einen schnellen Dollar auszunutzen. Auch hierüber berichteten wir kürzlich im Beitrag “’Junk Journals‘ und die ‚Peter-Panne’”.

Genauso passen in dieses Bild die zunehmenden Klagen von Forschern, dass Journals den Veröffentlichungswunsch von Manuskripten, deren Daten bereits publizierte Paper widerlegen, schlichtweg ignorieren, ablehnen oder zumindest stark erschweren. Ein Thema, dem wir das Editorial unserer neuesten Lab Times-Ausgabe gewidmet haben. Diesen Beitrag weiterlesen »