Verrauscht und voller Fehler

11. Juli 2014 von Laborjournal

Die sogenannten Omiken haben die Biomedizin nachhaltig verändert. Seit die Rechnerkäfte wachsen und der Probendurchsatz mit immer größeren Mengen und immer schneller parallel machbar ist, heißt es: „Warum soll ich nur ein Gen/Protein analysieren, wenn ich alle auf einmal machen kann?“ Entsprechend gilt heutzutage derjenige, der nur an einem oder einer Handvoll Proteine/Gene forscht, oftmals als geradezu hoffnungslos rückständig.

Masse zählt also. Doch wie sieht es mit „Klasse“ aus? Welche Qualität haben etwa die Daten einer „Massenproduktion“ bezogen auf das einzelne Protein oder Gen?

Interessanterweise gingen in unseren beiden aktuellen Jubiläumsausgaben — Lab Times-Ausgabe 50 und „20 Jahre Laborjournal“ — gleich zwei Forscher auf diese Frage ein. Und mahnten Vorsicht beim Umgang mit Omik-Daten an.

Der ehemalige Gründungsdirektor des Dresdner Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik, Kai Simons, sagte im Lab Times-Interview:

Today, of course, you know… in every area we are confronted with thousands of proteins. That’s a big, big shift. We are facing complexity now but, we’re still using yesterday’s methods. Scientists are doing one gene after another and so forth and we know it is too slow. Then you try to put them into high-throughput… all these high-throughput papers, where most of the work is irreproducible. The problem is, nobody is responsible for the data. In the lab, when we work on one protein, we look for the optimal conditions; for example, when you want to do pull downs and identify interaction partners. However, we are trying to study thousands of proteins at once — using the same conditions for everything. It is obvious that there will be so much error. We have to come up with technological solutions to face the complexity.

Dazu passend referiert der Struktur-Molekularbiologe Patrick Cramer, Direktor am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, in seinem Laborjournal-Essay folgende Anekdote:

Um die fehlenden zellulären Mechanismen zu finden, stiegen wir vor einigen Jahren in die funktionale Genomik ein. Da die Transkription vom genomischen Kontext abhängt, mussten wir die Genaktivität global erfassen, nicht nur exemplarisch an einzelnen Genen. Einige Strukturbiologen winkten damals ab. Die Daten aus der Genomik seien doch total verrauscht. Ich wolle das doch nicht ernsthaft versuchen. Als Kristallograph sei ich doch harte Daten gewohnt. Das verunsicherte mich.

Und er bilanziert:

Genomweite Daten und systemische Ansätze fließen also zunehmend in die Molekularbiologie ein. Das bereitet manchen Unbehagen, denn die Möglichkeiten zur Fehlinterpretation sind mannigfaltig. Gerade deshalb ist es wichtig, sich genomweiten Daten mit einem molekular-mechanistischen Verständnis zu nähern.

Klingt, als wären die Datenproduktionen der Omiken vor allem Vorarbeiten, die man bei speziellem Einzelinteresse unbedingt kritisch prüfen müsse.