Lohnen sich Zitierkartelle?

27. März 2024 von Laborjournal

 

Neben Politik und Wirtschaft ist sicherlich die Wissenschaft das dritte große Seilschaften-Dorado.

…, so stand es unlängst in einem Essay zu lesen.

Da ist sicher was dran. Denn wo man hinsichtlich Begutachtungen, Berufungen, Fördermitteln, Evaluationen, Zitierungen et cetera derart von „Peers“ abhängig ist, da wird man wohl förmlich gedrängt zu Cliquenbildung, Gschaftlhuberei, Günstlingswirtschaft, … Und eine Ausprägung davon sind bisweilen Zitierkartelle.

Nehmen wir zunächst den aufrichtigen Wissenschaftler. Wenn er seine Resultate veröffentlicht, sieht er es als seine ehrenhafte Pflicht an, sämtliche relevanten Vorarbeiten zu zitieren. Auch solche von Personen, mit deren Inhalten er ansonsten nicht übereinstimmt – schließlich werden womöglich gerade dadurch fruchtbare Diskussionen befördert. Ordnungsgemäßes und gründliches Zitieren ist für ihn somit ein klares Qualitätsmerkmal seiner Forschungstätigkeit.

Doch so denken bei weitem nicht alle. Für andere sind Zitate vielmehr ein schnödes Mittel, das gewinnbringend für die eigene Karriere genutzt werden kann. Von daher zitieren sie ausschließlich die Arbeiten ihrer Freunde und Kollegen, die im Gegenzug wiederum sie selbst zitieren. Auf diese Weise entstehen Gruppen gleichgesinnter Kollegen, in denen jeder jeweils die Karrieren der anderen fördert – Zitierkartelle eben.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Mal so richtig abschalten …

2. August 2023 von Laborjournal

 

Irgendwie kann unser „Forscher Ernst“ selbst während des Urlaubs Forschung und Wissenschaft nicht ganz abschütteln …

 

 

 

In diesem Sinne macht auch unser Blog jetzt erstmal Urlaub! …

 

(Gezeichnet von Rafael Florés. Über 200 weitere Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)

 

Forschung am Förderband

3. Mai 2023 von Laborjournal

Aus unserer Reihe „Gut gesagt!“ zum Verhältnis von Grundlagen- und angewandter Forschung:

 

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Die moderne akademische Forschung gleicht eher einer Fabrik mit Förderband als der illustren Diskussionsrunde von Raffael. Sie ist ganz besonders in den letzten drei oder vier Jahrzehnten nach betriebswirtschaftlichen Kriterien auf Effizienz getrimmt worden. Dies nicht nur in der naturwissenschaftlichen Forschung übrigens, sondern vermehrt auch in den Geisteswissenschaften. Je mehr Geld in die Wissenschaft fließt, desto mehr und desto schneller können sich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fassbare Resultate erhoffen. Diese erwartet man in der Form von gesellschaftlich relevanten Anwendungen und Lösungsansätzen. „Social Impact“ heißt der entsprechende Paragraph im Forschungsantrag (auch wenn man in der Evolutionsbiologie eher theoretisch ausgerichtet arbeitet). Die Wissenschaft als Deus ex Machina, die unsere Probleme löst, ob technischer oder gesellschaftlicher Art. So wie man heutzutage zum Arzt geht und von der modernen Medizin ein schnell wirkendes Heilmittel erwartet, so rechnet man damit, dass die Wissenschaft praktische Lösungen komplexer Probleme liefert. Oder zumindest einen messbaren Output an Publikationen, welche zu solchen Lösungen führen sollen. Je mehr Geld investiert wird, desto mehr angewandte Weisheit soll also am anderen Ende der Pipeline in Form von wissenschaftlichen Artikeln heraussprudeln.

Schön wär‘s. Leider funktioniert Grundlagenforschung so nicht. Und leider bleibt auch die angewandte Forschung längerfristig stecken, wenn keine echte Grundlagenforschung mehr betrieben wird. Oder wie es Louis Pasteur einst trefflich ausgedrückt hat: Es gibt gar keine angewandte Forschung, nur Forschung und Anwendungen der Forschung.

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… Sagte der Wiener Wissenschaftsphilosoph und Evolutionsbiologe Jonathan Jäger in Laborjournal 7-8/2020 („Selbstzensur und Produktivitätswahn in der akademischen Wissenschaft“, S. 26-29)

 

Gut, wenn jemand genauer nachschaut

8. Februar 2023 von Laborjournal

Vor etwa zehn Jahren konnte man in dem Essay eines Forschers [Name und Referenz leider entfallen] sinngemäß folgenden Vorwurf lesen:

„Immer ausgefuchster und kraftvoller werden unsere Methoden, aber was machen wir daraus? Gerade unsere wissenschaftlichen Edelblätter sind voll von Studien, die mit immer umfassenderen Analysen und schöneren Bildchen am Ende doch nur bereits Bekanntes zeigen. Weil es jetzt eben geht. Zugegeben, die Resultate schauen damit oftmals deutlich eindrucksvoller aus. Aber wirklich neue Erkenntnisse liefert die neue Methoden-Power auf diese Weise nicht.“

Da ist sicher was dran. Aber genauso sicher ist es nur die halbe Wahrheit. Oft genug enthüllt der „größere Blick“ auf Altbekanntes mit nunmehr besseren Werkzeugen tatsächlich bislang Verborgenes – das vielleicht nicht immer gleich neue Erkenntnisse liefert, aber zumindest den Weg zu neuen Fragen eröffnet.

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund das folgende Zitat aus einer Pressemeldung der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, an:

„Aus jahrzehntelanger Forschung zur Proteinfaltung wissen wir eine Menge über eine kleine Anzahl sehr einfacher Proteine, eben weil diese für die Experimente der Biophysiker am besten geeignet waren. Jetzt haben wir all diese wirklich erstaunlichen Technologien, um Zehntausende von Proteinen in einer Probe zu analysieren, aber bislang wurden sie nicht eingesetzt, um Proteinfaltung wirklich umfassend zu untersuchen.“

Warum nicht? Weil man dachte, über die Mechanismen der Proteinfaltung sei alles bekannt? Weil man eben nicht einfach nur umfassendere Daten und schönere Bilder ohne echten Erkenntniszugewinn liefern wollte?

Zum Glück haben Johns-Hopkins-Biochemiker um Stephen Fried, der Obiges sagte, es trotzdem gemacht.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Die Fabel vom Forscher, der traurig wurde…

18. August 2021 von Laborjournal

Es war einmal ein außergewöhnlich begabter junger Forscher. Dass er sein Handwerk in Rekordzeit lernte, war das eine. Viel mehr noch aber beeindruckte er mit seinem enormen analytischen wie auch kreativen Verstand. Wo die Kollegen schon lange vor der Komplexität gewisser Probleme kapituliert hatten, sezierte er mit spielerischer Leichtigkeit die entscheidenden Einzelteile heraus – und lieferte oft genug robuste Hypothesen und elegante experimentelle Strategien gleich mit.

Klar, dass solch ein Forscher bald sein eigenes Institut leitete. Und so entwickelte er Jahr um Jahr mit seinen Assistenten und Studenten immer wieder neue originelle Forschungsprojekte – und hatte auch stets Mittel und Stellen dafür.

Eines Tages jedoch merkte er, dass er inzwischen immer mehr Zeit und Mühe aufbringen musste, um den Geldfluss am Laufen zu halten. Kaum sprudelte ein Geldhahn mal eine Weile, versiegte der Strom auch schon bald wieder. Ein neuer musste also geöffnet werden, und dann umgehend wieder ein neuer…

Irgendwann fraß das Geldhahnöffnen auf diese Weise so viel Zeit, dass unser Forscher kaum mehr dazu kam, komplexe Forschungsprobleme tief und eindringlich zu durchleuchten – so wie früher eben. Am Ende ließ er es schließlich ganz. Denn glücklicherweise genügte ihm das schnelle Ausspinnen von flachen und naheliegenden Projekten, um gerade immer genug „Kurzsprudler“-Geldhähne am Laufen zu haben. (Die „Langsprudler“ hingegen schienen inzwischen ausgestorben.)

Seine Studenten dankten es ihm. Denn gerade die mussten wegen der schneller versiegenden Geldhähne jetzt umso hurtiger Resultate liefern, um nicht vollends auf dem Trockenen zu landen. Das wollte unser Forscher natürlich auf keinen Fall. Und so ersponn er auch deswegen nur noch seichte Projekte, bei denen die Ergebnisse schon durch die Oberfläche schimmerten.

Allerdings merkte kaum einer, wie er sich über all dies grämte. Und wenn er nicht gestorben ist, dann ist unser einstmals so brillanter Kopf heute umso trauriger, dass er schon lange nur noch mittelmäßige Forschung macht.

Ralf Neumann 

Foto: lukasbieri / Pixabay

(Der Artikel erschien bereits in unserer Printausgabe 1-2/2019 auf Seite 8.)

 

Der Lohn der Forschung

5. Juli 2021 von Laborjournal

Einzig der Wahrheit seien Forscher und Forscherin verpflichtet. Und selbstlos seien sie dabei. Immer bestrebt, Wissen und Erkenntnis zu mehren. Nicht zum eigenen Ruhm, sondern allein zum Wohle aller. Soweit das hehre Ideal.

Jedoch sind Forscherinnen und Forscher auch nur Menschen. Und Menschen brauchen Anerkennung, brauchen Bestätigung.

Wie aber erfahren Forscher und Forscherinnen Anerkennung? Was ist deren wirklicher Lohn?

Geld kann es nicht sein. Schon im mittleren Management verdient man mehr als auf einem Uni-Lehrstuhl. Und überhaupt kann man mit den entsprechenden Qualitäten vielfach woanders leichter „Karriere machen“.

Auch die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums kann es kaum sein. Denn wenn nicht gerade weltweit Corona unterwegs ist und man Christian Drosten heißt – wann wird dann eine Forscherin oder ein Forscher schon mal in die großen Medien gehievt. Zu speziell, zu wenig publikumstauglich ist in aller Regel, was sie tun.

Bleibt also nur die „Szene“, die „Community“. Die umfasst schon nahezu alles, woher Forscherin oder Forscher sich Anerkennung erhoffen kann. Denn nur aus der Community kommt mal jemand und klopft einem auf die Schulter. Sagt dann vielleicht: „Super Sache, wie Du Protein X kristallisiert hast – ein derart ausgefuchstes Membranprotein, das war doch extraschwer.“ Oder etwa: „Respekt, das war eine sehr elegante Strategie, wie Du gezeigt hast, dass Gen Y bei Pathway Z mitspielt.“ Oder – etwas moderner – womöglich: „Alle Achtung! Wirklich klasse, der Algorithmus, den Du zum Aufspüren dieser nicht-codierenden Steuerelemente in allen möglichen Genomen geschrieben hast.“

Zugegeben, das tut gut. Aber ist dies tatsächlich der potenzielle Lohn, der Forscherinnen und Forscher im Innersten antreibt? Oder reicht dafür vielmehr wirklich die reine Befriedigung der sprichwörtlich starken Forscherneugier aus?

Die Antworten der wenigen, die überhaupt darüber reden, gehen tatsächlich oftmals in diese Richtung. So sagte etwa einer, es sei ihm Lohn genug, wenn er nach jahrelanger Arbeit endlich „die wunderschöne, in ihrer Perfektion von keinem Kunstwerk zu übertreffende Struktur“ des Proteins Sowieso auf dem Monitor bewundern könne.

Noch schöner allerdings drückte es folgender „Lonesome Researcher“ aus: „Für mich gibt es nichts Erregenderes, als wenn ich spät abends endlich das Ergebnis langer Versuchsreihen sehe – und dann voller Ergriffenheit registriere, dass ich für diese eine Nacht der einzige Mensch auf der ganzen Welt bin, der das jetzt weiß.“

Geht es euch Forscherinnen und Forschern da draußen tatsächlich manchmal genauso?

Ralf Neumann

 

Wissenschaft zum Mitdenken — ein Experiment zum Public Outreach

18. November 2020 von Laborjournal

(Das Team von Science Bridge e.V. um den ehemaligen Kasseler Genetik-Professor und VBIO-Präsidenten Wolfgang Nellen hat ein ergebnisoffenes Forschungsprojekt zur Genom-Editierung via CRISPR-Cas entworfen, bei dem alle Interessierten in Echtzeit mitdenken und mitmachen können — und dabei idealerweise mitkriegen, wie Wissenschaft und Forschung wirklich funktionieren. Wolfgang Nellen hat uns gebeten, in unserer Leserschaft Werbung für das Mitmach-Projekt zu machen. Machen wir sehr gerne! So stellt er es selber vor:…)

 

Public Outreach, Bürger-Labore, Wissenschaftskommunikation, Citizen Science, Wissenschaftstransparenz — wie auch immer man es nennt, die Wissenschaft ist gefordert, mehr in die Öffentlichkeit zu gehen, verständlich (!) zu erklären und im besten Fall sogar Partizipation zu ermöglichen.

Wie auch andere versuchen wir von Science Bridge e.V. dafür neue Formate zu entwickeln. Dabei ist nicht immer leicht zu beurteilen, wie gut ein solcher Versuch gelingt — und schon gar nicht, Vorschläge zu bekommen, wie er sinnvoll optimiert werden kann. Wir wenden uns deshalb an die Leserinnen und Leser des Laborjournals für eine Art „Crowd-Peer-Review“. Sie können bei unserem unten folgenden Experiment selbst „mitspielen“, es jungen Studierenden empfehlen oder — noch besser — uns Ihre Meinung dazu sagen.

Und so sieht unser Mitmach-Projekt „Pauline und die Ausreißer“ aus:

Grundlagen

Wir haben vor Kurzem ein einfaches CRISPR-Cas Experiment für Schulen, für Praktika in den Bachelor-Studiengängen wie auch für die interessierte Öffentlichkeit entwickelt. Ausgangspunkt ist ein E.-coli-Stamm, der das lacZ-Gen auf einem Plasmid trägt und sich damit nach Zugabe von X-Gal blau anfärben lässt. Dieser Stamm wird mit einem weiteren Plasmid transformiert, das das Cas9-Gen, eine crRNA und eine tracrRNA codiert. Diesen Beitrag weiterlesen »

Auf welche Paper Forscher wirklich stolz sind

19. August 2020 von Laborjournal

Welche Ihrer Paper würden Sie als „groß“ bezeichnen? Oder anders gefragt: Auf welches Paper sind Sie am meisten stolz?

Sind es nur die „offensichtlichen“? Also diejenigen, die Sie in vermeintlich großen Journals mit hohem Impact-Faktor platzieren konnten — Nature, Science, Cell und Konsorten?

Oder wecken nicht vielleicht doch andere „Werke“ besonders tiefe Genugtuung in Ihnen — selbst wenn diese damals nur in Blättern aus der zweiten oder dritten Reihe erschienen?

Etwa dieses eine Paper, weil Sie gerade dafür besonders große Klippen umschiffen mussten — und hierbei eigentlich erst lernten, wie Forschung und Wissenschaft tatsächlich funktionieren?

Oder womöglich auch dieses andere, das zwar zugegebenermaßen ziemlich unausgegoren daherkam, aber nichtsdestotrotz die allerersten Hinweise enthielt, in welche Richtung Sie Ihr Forschertreiben nachfolgend lenken sollten?      Diesen Beitrag weiterlesen »

Im Corona-Shitstorm

3. Juni 2020 von Laborjournal

In unserer Reihe „Forscher Ernst und die Corona-Krise“ …

(Gezeichnet von Rafael Florés. Jede Menge weiterer Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)

Endlich wieder im Labor

20. Mai 2020 von Laborjournal

In unserer Reihe „Forscher Ernst und die Corona-Krise“ …

(Gezeichnet von Rafael Florés. Jede Menge weiterer Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)