Oma hat’s schon immer gewusst…

3. Juli 2015 von Laborjournal

Aus den verschiedensten Gründen müssen wir immer wieder mal in unseren alten Heften blättern. Gar nicht selten kommt es dann vor, dass wir viel mehr Zeit mit dem alten Heft verbringen, als „eben nur schnell diese eine konkrete Sache“ nachzuschauen. So brauchte ich gestern etwa eine Info aus einem Hintergrundartikel, der im Heft 5 des Jahres 2004 stand — und stieß ein paar Seiten weiter auf einen „Brief an die liebe Oma“ zum Thema Großmütter-Hypothese. Und weil dieser mal so was ganz anderes war, stelle ich ihn jetzt hier einfach nochmals hinein:

Liebe Oma,

heute muss ich Dir einfach schreiben. Erinnerst Du Dich noch an die Zeit, als ich meine Doktorarbeit machte? Und wie Du mich immer wieder gefragt hast, was genau ich denn da täte?

Verzweifelt hab’ ich damals versucht, Dir zu erklären, warum ich ausgerechnet dieses eine Protein kristallisieren würde. Warum ich hoffte, über die dreidimensionale Struktur dessen Wirkungsmechanismus in der molekularen Signalkette zu entschlüsseln, die …? Sinnlos, ich weiß.

„Herrgott“, hast Du damals immer geantwortet, „diese moderne Biologie, kommt da auch was raus, was ein Normalsterblicher verstehen kann?“ Irgendwann hatten wir dann aufgegeben. Und da ich nun ja auch schon eine ganze Weile ziemlich weit weg bin, hatte ich dieses Kapitel zwischen uns beiden auch allmählich vergessen.

Vor einer halben Stunde ist es mir auf einen Schlag wieder eingefallen. Ich saß in der Bibliothek und blätterte im neuen Nature. Das ist eine Zeitschrift, in der nur die vermeintlich allerwichtigsten Forschungsergebnisse veröffentlicht werden. Und was lese ich da plötzlich? Einen Artikel, der erklärt, warum Großmütter — oder Frauen ganz allgemein — so alt werden. Klar, dass ich da sofort an meine liebe, alte Großmutter denken musste, oder?  Diesen Beitrag weiterlesen »

Der sanfte Homo sapiens

28. Oktober 2014 von Kommentar per Email

Schuldet der moderne Mensch viele seiner Eigenschaften einer evolutionären „Verweiblichung“ durch Selbstdomestikation? Unser Autor Leonid Schneider mit einem Kongessbericht aus „dritter Hand“ zum Thema.

Jede menschliche Kultur betont die Sonderstellung unserer Spezies im Vergleich zu den anderen „wilden Bestien da draußen“ — oftmals geradezu zwanghaft. Denn, anders als es wilden Tieren wie etwa den Wölfen unterstellt wird, gehen wir ja nicht dauernd mit Zähnen und Klauen aufeinander los. Psychologen bezeichnen diese gruppeninterne Aggression als „reaktiv“. Damit wären wir eher den von Wölfen abstammenden und durch Domestikation friedlich gewordenen Hunden ähnlich.

Wie Science berichtet, wurde genau diese Theorie gerade erst auf dem Symposium „Domestication and Human Evolution“ am Salk Institute in Kalifornien frisch diskutiert. Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche hatten sich dort unter anderem getroffen, um ihre Daten und Meinungen zu der Theorie zusammenzutragen, dass die Vorfahren des Homo sapiens sich im Laufe ihrer Evolution selbst domestiziert hätten. Dies hätte dann nicht nur unser Verhalten, sondern auch unser Aussehen verändert. Und nicht zuletzt hätte das friedliche Sozialleben der immer größer werdenden Gemeinschaften von Frühmenschen auch das entwicklungsbiologische und genetische Make-up des modernen Menschen mitgeprägt. Diesen Beitrag weiterlesen »

Beliebtes Gen zum „Schattenparken“

29. August 2014 von Laborjournal

Weil’s so schön war, gleich noch ein Beispiel zu den verschlungenen Pfaden, die gewisse Gene  bisweilen evolutionsgeschichtlich einschlagen. Und gleichsam ein eindrucksvolles Lehrstück zu „Natürlichkeit“ und Nutzen des horizontalen Gentransfers (HGT).

Hauptdarsteller diesmal sind Farne. Diese tummeln sich ja bekanntlich am liebsten an den schattigeren Plätzchen des Waldbodens — weswegen sie für ihre lichtgetriebenen Entwicklungsschritte (Photomorphogenese) logischerweise besonders empfindliche Lichtsensoren brauchen. Schon hier wird’s interessant: Die allermeisten heutigen Farne nutzen für die „Schattensicht“ einen Photorezeptor namens Neochrom, der wiederum aus zwei Photorezeptoren besteht, die beide aus höheren Pflanzen wohl bekannt sind — ein Rotlicht-empfindliches Phytochrom fusioniert mit einem Blaulicht-absorbierenden Phototropin.

Vor ewigen Zeiten mussten wohl irgendwelche Organismen gemerkt haben, dass sich aus den beiden Photorezeptoren ein besonders empfindlicher Super-Lichtsensor bauen ließe, mit dem man auch im Halbdunkel gut gedeihen könne — das jedenfalls war zunächst die Hypothese des Doktoranden Fay-Wei Li samt seiner Chefin Kathleen Pryer von der amerikanischen Duke University. Also machte sich Li schließlich auf, in den Sequenzdatenbanken nach potentiellen unfusionierten Nachkommen genau derjenigen alten Phytochrome und Phototropine zu suchen, aus denen die Farn-Vorfahren einst erstmals ihren hybriden Super-Schatten-Lichtsensor zusammengebastelt hatten.

Li ließ seine Programme die Datenbanken rauf und runter suchen — fand aber nicht einen Kandidaten. Diesen Beitrag weiterlesen »

Ich nehm‘ das Gen, Du das Produkt

26. August 2014 von Laborjournal

Manchmal kann man nur staunen, welche Wege Gene im Laufe der Evolution gehen.

Gut geeignet dazu ist etwa das Szenario, das japanische Forscher unlängst in der unscheinbaren Erbsenlaus Acyrthosiphon pisum vorfanden.

Bereits zuvor war bekannt, dass die Läuse in speziellen Zellen, sogenannten Bakteriozyten, Bakterien der Art Buchnera aphidicola beherbergen. Dort verstoffwechseln diese, quasi als „Verdauungshelfer“, so einige Nahrungsbestandteile für ihren Wirt.

Diese Endosymbiose funktioniert schon seit 100 Millionen Jahren — und das offenbar so gut, dass die Bakterien außerhalb ihres Wirtes gar nicht mehr leben können. Was nicht verwundert, denn wie es bei parasitischen und endosymbiotischen Lebensweisen die Regel ist, hat auch Buchnera sein Genom inzwischen von einer ganzen Reihe ungebrauchter Gene bereinigt.

Die Japaner selbst hatten bereits in einer früheren Studie gezeigt, dass die Erbsenlaus-Vorfahren mindestens zwölf Gene bakteriellen Ursprungs durch horizontalen Gentransfer in ihr Genom integrierten. Sieben davon exprimieren sie spezifisch in ihren Bakteriozyten — was darauf hindeutet, dass sie für ihre Buchnera-„Dauergäste“ essentiell sind. Diesen Beitrag weiterlesen »

Die Geister der Evolution

12. Dezember 2013 von Laborjournal

Avocados sind „Geister der Evolution“, die uns Menschen für Elefanten-Vorfahren halten.

Wie das? Avocados koevolvierten einst zusammen mit richtig großen Säugetieren. Darunter waren auch gewisse Rüsseltiere namens Gomphotherien (Gomphotheriidae), deren Vorfahren vor 20 Millionen Jahren von der Linie der heutigen Elefanten abzweigten. Und genau auf diese Ur-Dickhäuter hatten die Avocados damals ihre Früchte zwecks Samenverbreitung optimiert: Den Riesenrüsslern schmeckten sie ganz besonders gut, die stattlichen Kerne bereiteten ihnen angesichts ihrer kräftigen Backenzähne und dem voluminösen Verdauungstrakt auch keine Probleme — und so pflanzten sie immer wieder mal mit ihren Riesenhaufen gleichsam einen Avocadobaum.

Die Gomphotheriidae starben indes vor gut 12.000 Jahren aus, Avocados gibt es noch heute — obwohl seitdem kein pflanzenfressendes Tier mehr deren Kerne schluckt, und diese demnach nicht mehr aus dem Schatten des Mutterbaums rauskommen. Dennoch haben Avocados den Tod ihrer alten „Verbreitungspartner“ offenbar vorerst weggesteckt — und leben heute weiter als „Geister der Evolution“. Diesen Beitrag weiterlesen »

Darwins Schattenmann

27. November 2013 von Laborjournal

Vor ziemlich genau 100 Jahren starb Alfred Russel Wallace, der neben Darwin lange vergessene Ko-Entwickler der Theorie von der Natürlichen Selektion als Triebkraft der Evolution. Die New York Times feierte ihn mit diesem netten Animationsvideo:

(Von hier.)

„Evolution — A Progression of Scientific Thought“…

10. September 2013 von Laborjournal

…, dargestellt als umfassende historische Infographik über den Fluss der Ideen und Konzepte zur Evolution seit Darwin (und davor):

 

(Hier klicken für zoombare PDF-Version!)

(Von Tania Jenkins, Miriam Quick and Stefanie Posavec für die European Society for Evolutionary Biology)

 

Sehr schön zu sehen, wie einzelne Ideen über die Zeit zusammenfließen, auseinanderdriften, sich aufspalten, an Komplexität zunehmen oder gar komplett versanden. Wie Wissenschaft bei großen Themen eben funktioniert…

Best of Science Cartoons (18)

13. August 2013 von Laborjournal

(Von hier.)

Schwierige Evolution

23. Juli 2013 von Laborjournal

Mal wieder ein Video, das mit den gängigsten Mythen und Missverständnissen über Evolution aufräumen will:

Diesmal von TEDEducation.

Ganz nett gemacht, aber offenbar selbst nicht ganz frei von Missverständnissen. Diesen Beitrag weiterlesen »

Mikro-Ikebana

22. Mai 2013 von Laborjournal

Schöne Sache: Harvard-Forscher züchten mikroskopische „Blumen“, indem sie die Selbstorganisationsprozesse gewisser Kristalle entsprechend steuern. Und das sieht dann etwa so aus:

Oder so:  Diesen Beitrag weiterlesen »