Exzellenzrechnereien

29. Juli 2016 von Laborjournal

Alle wollen mehr Exzellenz in der Wissenschaft. Und der einfachste Weg dahin scheint, dass man schlichtweg mehr Dinge „Exzellenz“ nennt. Wie zuletzt und auch gerade wieder hinlänglich erlebt: Oder passiert etwas anderes, wenn Bund und Länder jetzt die Exzellenzinitiative fortsetzen und erneut Exzellenzuniversitäten küren und Exzellenzcluster auswählen? Wieder wird überdurchschnittlich viel Geld dort hinein fließen — und irgendwie wird das dann schon exzellent werden. Schließlich produziert ein Fußballverein auch Fußballer und eine Schraubenfabrik Schrauben — warum soll dann ausgerechnet ein Exzellenzverein nicht Exzellentes hervorbringen. Der Name ist Programm.

exex

Okay, okay, wir haben es durchschaut — so einfach geht es doch nicht. Wie aber dann? Schwer, ganz schwer geht es. Denn schon wer nur gut sein will, muss erst einmal produktiv sein; und wer gar exzellent sein will, muss in aller Regel sehr produktiv sein. Kein Zweifel, Exzellenz und Produktivität hängen stark miteinander zusammen. Auch wenn das für die Wissenschaft natürlich nicht heißt, dass diejenigen, die am meisten Paper schreiben, automatisch auch die Exzellentesten sind. Allerdings, mit nur wenigen Artikeln dürfte man ganz gewiss nicht dazugehören.

Damit wären wir bei einer wissenschaftsbibliometrischen Gesetzmäßigkeit angekommen, die der Mathematiker Alfred Lotka bereits vor neunzig (!) Jahren formulierte — dass nämlich der Anteil der Personen, die n Aufsätze schreiben, immer proportional zu 1/n2 ist. Okay, und was heißt das? In etwa folgendes: Auf hundert Autoren, die in einem bestimmten Zeitraum jeweils ein Paper verfassen, kommen 25 mit zwei, 11 mit drei, … und nur einer von Hundert wäre demnach mit zehn Papern „hochproduktiv“. Wollte ich nun zehn „Hochproduktive“, bräuchte ich folglich gleich tausend Autoren insgesamt; wären aber tausend „Überflieger“ mein Ziel, müsste ich nach Lotka schon 100.000 Wissenschaftler anstellen.

Ich kann also machen, was ich will: Der reine Anteil „hochproduktiver“ Wissenschaftler an der Gruppenstärke bleibt immer gleich. Woraus folgt, dass ich deren absolute Zahl nur steigern kann, indem ich die Gesamtzahl der Wissenschaftler erhöhe.

Und jetzt kommt die Fangfrage: Spricht etwas dagegen, dass es sich mit dem Anteil „exzellenter“ Wissenschaftler oder Institutionen an der Gesamtgruppe nicht genau gleich verhält wie mit den „produktiven“? Wohl kaum, oder? Vorausgesetzt natürlich, die Kriterien bleiben gleich — und man klebt nicht plötzlich „Exzellenzetiketten“ auf Dinge, die es bislang nicht waren oder es möglichst erst noch werden sollen.

Etiketten ohne Info

15. Mai 2012 von Kommentar per Email

Es geht um Molekulargewichte und wofür wir sie im Labor brauchen. Für die meisten Wissenschaftler sind Molekulargewichte nichts weiter als eine kleine Unannehmlichkeit auf dem Weg, eine Lösung bestimmter Molarität herzustellen — oder gar einen Puffer zu mixen. Und genau dies stand kürzlich mal wieder an…

Konkret wollte ich im Wägeraum eine Lösung aus zwei Substanzen in jeweils verschiedener Molarität ansetzen. Beide Reagenzien standen dort in den gewohnten weißen Gefäßen mit rotem Deckel — und beide offenbar erst seit kurzer Zeit. Dies war offensichtlich, da sich neuerdings die Chemikalien des betreffenden Unternehmens durch das Fehlen einer entscheidenden Informationen auf Etikett oder Verpackung auszeichnen — weit und breit keine Angabe des Molekulargewichts.

Ich wägte meine Optionen ab. Ich konnte entweder zurück ins Labor latschen und nach Chemikalien-Handbüchern suchen, oder ich konnte in mein Büro gehen und die gewünschten Molekulargewichte im Internet recherchieren. Während ich noch unentschlossen die Regale anstarrte, fiel mein Blick plötzlich auf ein paar alte Kataloge, die sich in einer Ecke versteckten. Ich blätterte also die Monster-Schinken durch — und fand eines der gesuchten Gewichte. Die andere Substanz war jedoch nirgendwo aufgeführt.

Also wanderte ich schließlich doch den ganzen Weg zu meinem Büro am anderen Ende des Gebäudes zurück Diesen Beitrag weiterlesen »