Zu den Flüssen zwischen anwendungsbezogener und Grundlagenforschung

15. Februar 2023 von Laborjournal

Die Klagen aus der Grundlagenforschung nahmen zuletzt hörbar zu: „Apply or die!“ – „Wende an oder stirb!“ –, schon länger lautet so deren sarkastischer Kommentar auf den wachsenden Druck, dass die Wissenschaft möglichst Ergebnisse produzieren solle, die unmittelbar in konkrete Anwendungen münden können. Klar, das ist kein schlechtes Ziel. Dennoch mahnen insbesondere die Vertreter der akademischen Grundlagenforschung an, dass mit zu starker Priorisierung des Anwendungsaspekts ihre Forschungsfreiheit zunehmend ausgehöhlt werden könnte. Und die ist immerhin verfassungsrechtlich garantiert.

Hintergrund ist natürlich, dass die Forschungspolitik immer vehementer ein klar ersichtliches Anwendungspotenzial in den Projekten der Forscher fordert – und dass die Forschungsförderer daher immer größere Schwierigkeiten haben, reine und ergebnisoffene Grundlagenforschung zu finanzieren. Dabei ist doch allseits bekannt, dass die allermeisten Dinge, die heute „in Anwendung“ sind, ihren Ursprung in völlig zweckfreien, von reiner Neugier getriebenen Forschungsunternehmungen hatten: Antibiotika, Röntgenbilder, Genetischer Fingerabdruck, … – nur drei Beispiele von vielen.

Bei allen diesen Errungenschaften dämmerte das Anwendungspotenzial erst, nachdem man die zugrundeliegenden Phänomene auch wirklich grundlegend verstanden hatte. Und in den meisten Fällen hatte man nicht mal mit zielgerichteten Forschungsplänen nach ihnen gesucht. Vielmehr stieß man im freien Schalten und Walten ergebnisoffener Grundlagenforschung eher zufällig auf ein bislang unbekanntes Phänomen, erkannte die Bedeutung der Resultate – und analysierte das Phänomen durch gezieltes Experimentieren weiter, bis man es grundlegend verstand. Erst dann kamen die Ideen, wie und wofür man das Ganze konkret weiterentwickeln und anwenden konnte.

So weit, so gut. Jetzt lesen wir mal vor diesem Hintergrund die folgenden Zeilen aus einer Pressemeldung der Ruhr-Universität Bochum:

Alte Gelbe Enzyme, kurz OYEs, vom englischen Old Yellow Enzymes, wurden in den 1930er-Jahren entdeckt und seitdem stark erforscht. Denn diese Biokatalysatoren – gelb gefärbt durch ein Hilfsmolekül – können Reaktionen durchführen, welche für die chemische Industrie sehr wertvoll sind, etwa Medikamentenvorstufen oder Duftststoffe herstellen. Obwohl OYEs in vielen Organismen vorkommen, ist ihre natürliche Rolle für diese Lebewesen bisher kaum bekannt – möglicherweise, weil der wissenschaftliche Fokus auf der biotechnologischen Anwendung lag.

Und springen von hier in das Abstract des in der Pressemitteilung vorgestellten Papers eines Teams von Bochumer Chlamydomonas-Forscherinnen und -Forscher (Plant Direct, doi: 10.1002/pld3.480). Auch hier lauten gleich die ersten zwei Sätze:  Diesen Beitrag weiterlesen »

Phagen zu Nano-Multitools

20. März 2015 von Laborjournal

Mal wieder was aus der Reihe „Unübliche Abbildungen in Originalveröffentlichungen“:

 

 

Das Bild dient als Abstract-Illustration im Paper „Bacteriophages as Scaffolds for Bipartite Display: Designing Swiss Army Knives on a Nanoscale“ von Peter Molek und Tomaž Bratkovič, Universität Ljubljana (Bioconjugate Chem. 26 (3):367-78). Die Autoren wollen damit verdeutlichen, dass Phagen ihrer Meinung nach ein großes Potential für Anwendungen in der Nanobiotechnologie haben, da man sie gezielt mit multiplen funktionellen Modulen bestücken könnte — analog einem Schweizer Offiziersmesser also.

Okay, die Botschaft ist angekommen…

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Mathe mit Pflanzen

9. April 2012 von Laborjournal

Früher hieß es oft, Biologen stünden auf Kriegsfuß mit Mathe. Möglicherweise hat der Siegeszug der „Sequenz-Biologie“ samt ihren mathematisch-bioinformatischen Analysen das inzwischen ein wenig geändert. Vielleicht aber auch nicht.

Dabei sind Sequenzanalysen sicher nicht die einzigen biologischen Anwendungsfelder der Mathematik. Wie man etwa pflanzliche Spiralmuster mit ein wenig Mathe besser verstehen kann, zeigt auf nette Weise die folgende Video-Trilogie der Reihe „Doodling in Math“:


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Zitat des Monats (9)

1. März 2012 von Laborjournal

In seinem Blog-Artikel „Basic science is about creating opportunities“ schrieb der US-Neuroforscher Bradley Voytek zur Verteidigung der ungerichteten, durch reine Neugier und Faszination getriebenen Grundlagenforschung:

You can’t legislate innovation and you can’t democratize a breakthrough. You can, however, create a system that maximizes the probability that a breakthrough can occur.

Und in einem Kommentar dazu ergänzt sein Kollege Zen Faulkes — vor allem hinsichtlich der „Bringschuld“ an die Steuerzahler, die solche Forschung finanzieren (Vorsicht: Zitat im Zitat!):

[…] it’s not why many scientists do science. Richard Feynman said it about physics, but it’s true of all sciences: „Physics is like sex. Sure, it may give some practical results, but that’s not why we do it.“

And I don’t think it’s why people support science. People will support science just because it’s cool, and it enlivens and informs their minds. A lot of people have fun learning new things and gaining a better understanding of the way the world works.

I don’t know why we always try to justify science by utilitarian bookkeeping and number crunching (which is kind of dull), when people will support us because they are interested in the universe (which is awesome).