In unserem aktuellen Heft 11/2017 schreiben wir ab Seite 16 unter der Überschrift „Mediziner-Habil durch Erbsenzählen“ über den Gemischtwarenladen, als der sich die hiesigen Medizinischen Fakultäten präsentieren, wenn es darum geht, wie sie den Journal Impact-Faktor in ihre Habilitationskritierien hinein rechnen. Vielleicht war es bei dem Thema nicht zu vermeiden — aber ganz am Ende des Artikels werden schließlich Stimmen laut, dass man die Mediziner-Habilitation doch einfach ganz abschaffen und den Dr. med. zumindest stark vereinfachen könne. Konkret heißt es dort:
Unser E-Mail-Schreiber […] zieht folgendes Fazit: „Man schaffe Promotion und Habilitation in der Medizin endlich ab.“ Und quasi als Zugabe formuliert er — wenn auch etwas süffisant — einen einfachen Zwei-Punkte-Vorschlag, wie man dahin kommen könnte:
„1) Statt Promotion soll jeder Mediziner einen Dr. med. bekommen, der ein Erstautor-Paper nachweisen kann. Das zeigt doch ausreichend, dass der junge Doktor sich auch mal in eine wissenschaftliche Fragestellung verirrt hat. Alles, was sonst für die Wissenschaft wichtig ist, sollte ja bereits in einem guten Studium gelehrt worden sein. Und selbstständig wissenschaftlich arbeiten, lernt man während einer medizinischen Doktorarbeit in der Regel sowieso nicht, sondern ist nur der Gratis-Pipettierheini.
2) Statt der Habilitation gäbe es flächendeckend einen Professorentitel, wenn man zehn Paper geschafft hat — davon fünf als Erst- oder Letztautor. Dazu käme dann lediglich noch eine festzulegende Zahl von Semesterwochenstunden an Lehre, welche die Studierenden noch als ausreichend gut evaluieren müssten.“
Man stelle sich vor, wie entlastend das für unsere schuftenden Ärzte wäre, schließt er. All die gesparte Zeit käme den Patienten, der Familie — und vielleicht ja auch einer guten Lehre enorm entgegen.
Bleibt zum Abschluss noch der Kommentar eines Professors an einer deutschen Uniklinik, den wir um seine Meinung dazu baten. Dessen Antwort:
„Ich denke, eine globale Sicht auf die Dinge hilft hier weiter. Viele Länder kennen den Dr. med. für Ärzte gar nicht — eine Habilitation schon gar nicht. Und die Patienten sterben deswegen auch nicht früher, sofern genug Geld im System ist.
Man könnte also sicher auch hierzulande die Voraussetzungen schaffen, um die Habilitation zu streichen. Will man aber doch an der Habilitation festhalten — was ich befürchte, da man die Leute damit wunderbar am Nasenring hat –, ist es in keiner Weise angemessen, die Publikationen nur nach Anzahl beziehungsweise Journal Impact-Faktoren zu bewerten.“
Zum „Dr. med.“ erhielten wir daraufhin folgende Zuschrift:
Dr. med. oder nicht? Zur laufenden Diskussion um den Doktortitel für Mediziner.
Ich mache folgenden Vorschlag:
Alle Mediziner, die ihr Examen bestehen, dürfen sich „Doktor“ nennen. Sie werden im Beruf sowieso mit Herr/Frau Doktor angesprochen. „Doktor“ wäre hier also eine Berufsbezeichnung, kein Titel.
Alle diejenigen, die eine „qualifizierte“ Arbeit anfertigen, können sich einer Prüfungskommission stellen, in der auch Naturwissenschaftler vertreten sind — und sich in herkömmlicher Weise bewerten lassen. Wer eine entsprechend gute Note erhält, der darf dann den Titel „Dr. med.“ führen.
Weitere Äußerungen, Meinungen und Vorschläge zum Thema „Habil und Dr. med. in der Medizin“?
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Schlagworte: Doktorarbeit, Doktortitel, Dr. med., Fakultät, Habilitation, Impact Faktor, Medizin, Promotion, Publikationen, Titel
Aus dem Mittelwert kann man keinen Rückschluss auf Einzelereignisse ziehen. Die mittlere Zitierhäufigkeit einer Zeitschrift sagt nichts über die Zitierhäufigkeit eines einzelnen Artikels aus, somit sagt der JIF einer Zeitschrift nichts über den einzelnen Artikel aus. Wer das nicht verstanden hat, hat die mathematischen Grundlagen des Mittelwerts nicht verstanden. Überträgt sich das auf die Datenauswertung der eigenen Experimente?
Nice article
Vielen Dank für den amüsanten und pointierten Artikel zur formalen Qualifikation der Mediziner, der natürlich längst mehrfach geöffnete Türen einrennt. Offiziell ist die Habil als Berufungsvoraussetzung längst abgeschafft, aber selbst Juniorprofessoren wollen sich habilitieren … Am Rande: In Mainz braucht man mindestens 12 Originalpublikationen, davon mindestens 6 als Erstautor (im Gegensatz zu den Angaben in der Tabelle – hoffentlich stimmt der Rest).
Mit besten Grüßen eines treuen LJ-Fans
Stefan Reuss
Ja, der Faux pas mit der Universität Mainz ist uns schon mannigfach mitgeteilt worden — und tut uns natürlich sehr leid. Da uns von den anderen Universitäten aber im gleichen Zeitraum bisher keine Richtigstellungen erreicht haben, gehen wir davon aus, dass die restlichen Angaben richtig sind. Wir hatten die Daten unseres „Informanten“ auch explizit nochmal selbst überprüft, aber Mainz scheint uns dabei irgendwie durch die Maschen geschlüpft zu sein…
In unserer kommenden Printausgabe wird daher folgende Korrektur erscheinen: