Hundehaufen erweisen Ig-Nobel-Preis und Altmetrics einen Bärendienst

23. September 2014 von Laborjournal

Sie heißen hierzulande „Spaß-Nobelpreise“ und wurden Ende letzter Woche wieder verliehen: die Ig-Nobel-Preise. Eine Gelegenheit, die auch unser Autor Hans Zauner umgehend zu einem Plädoyer für die skurrile Seite der Wissenschaft nutzte — siehe Laborjournal online-Editorial vom 21.9.2014.

Auch der Gewinner des Biologie-Ig-Nobels dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein: Die wahrlich skurrile Studie eines Teams um den Zoologen Hynek Burda von der Universität Duisburg-Essen zum vermeintlichen Magnetsinn von Hunden. Einen solchen Magnetsinn hatten Burda und Co. bereits seit vielen Jahren in vielen anderen großen Tieren zu zeigen versucht — zum Teil in Studien, die gar nicht mal viel weniger skurril waren als die jetzt preisgekrönte Hunde-Studie. Vom Magnetfeld der Erde sollte demnach tierisches Orientierungsverhalten gesteuert sein, wie etwa:

Den (Spaß-)Vogel schoss jetzt jedoch besagte Hundestudie ab, in der Burda et al. proklamieren, dass Hunde sich signifikant häufiger mit Längsachse in Nord-Süd-Richtung erleichtern als beliebig ausgerichtet — egal ob „fest“ oder „flüssig“. Klar, dass die Ig-Nobel-Jury daran einfach nicht vorbei konnte — und folglich verschaffte sie Burdas Hundescheiße ein weiteren Höhenflug an weltweiter Aufmerksamkeit.

Die war indes zuvor schon mehr als ordentlich. Kaum war das entsprechende Paper Ende Dezember letzten Jahres in Frontiers of Zoology erschienen, wurde uns per Mail mitgeteilt, dass es sämtliche Altmetrics-Rekorde sprengen würde.

(Altmetrics wurden vor einiger Zeit als eine Art alternative Impact-Messung von einzelnen Forschungsartikeln eingeführt — und zählt beispielsweise deren „Erwähnungen“ in sozialen Medien, Blogs, Online-Ausgaben von Zeitungen und Magazinen, wie auch die Zahl der direkten Downloads oder Bookmarks auf Mendeley, und einiges andere mehr…)

Und tatsächlich: Mit einem Altmetric-Score von 2.888 belegt der Fäkal-Artikel den zweiten Platz unter ALLEN(!) Papern, die 2013 publiziert wurden. Übertroffen wurde er nur von einem Artikel über die Cäsium-Belastung von japanischen Fischen nach der Fukushima-Katastrophe (7.972) — und direkt dahinter folgen Paper zur Herzschonung durch mediterrane Kost (2.293) und zur Metabolit-Bereinigung des Hirns durch Schlaf (2.165).

Was soll man dazu sagen? Die Betreiber der Altmetric-Scores schreiben selbst, dass ihre Metrik vor allem die Aufmerksamkeit misst, die ein Forschungsartikel insbesondere über das Internet auf sich zieht. Die absoluten Altmetric-Zahlen könnten daher keinesfalls als Maß für die inhaltliche Qualität eines Artikels herhalten.

Wie sehr sie damit richtig liegen, zeigt Burdas Ig-Nobel-gepreister Hundekacke-Artikel auf krassestmögliche Weise. Denn zum einen ist allenfalls unteres Mittelmaß, was er bei aller Skurrilität an wissenschaftlicher Erkenntnis zu verbreiten versucht. Und zum anderen ist selbst dies unter Fachleuten höchst umstritten. Konnten schon die Magnetsinn-gesteuerten Kühe von Burda und Co. damals nicht unabhängig reproduziert werden (wir schrieben hier im Blog darüber, Nature ebenfalls), wurde auch das Hunde-Paper umgehend wegen statistischer Seltsamkeiten scharf kritisiert (siehe etwa hier, hier, hier, sowie auch bei uns in Lab Times).

Sicher, es ist ganz nett völlig wertfrei mitzubekommen, welcher Art von Wissenschaft die breite Masse der Twitterer, Facebooker, Wissenschaftsblogger und -redakteure bis hin zu den Forschern selbst durch irgendwelche Online-Aktivitäten ganz besondere Aufmerksamkeit widmet. Aber angesichts des Hunde-Notdurft-Papers als Altmetrics-Blockbuster muss man sich doch fragen: Wozu taugt Altmetrics darüber hinaus? Denn das alleine wäre wahrlich nicht viel.

Und die Ig-Nobel-Preise? Hans Zauner schreibt in unserem Online-Editorial:

Um des Preises würdig zu sein, erfüllen die ausgezeichneten Forschungsergebnisse eine Kernbedingung: Erst lacht man darüber, dann kommt man ins Nachdenken. Denn das Absurde ist nicht per se weniger wissenschaftlich, nur weil wir über den Forschungsgegenstand — je nach Temperament — laut auflachen oder verständnislos den Kopf schütteln. „Erst lachen, dann nachdenken“ ist nicht das schlechteste Rezept, um die Welt zu verstehen. Und um das Verstehen um des Verstehens willen geht es in der Wissenschaft.

Dazu gehört auch, dass „das Thema zwar skurril, die Forschung selbst aber technisch sauber und idealerweise reproduzierbar sein soll“ — wie Zauner weiter schreibt. Diesem Anspruch ist der Ig-Nobel-Preis in den vergangenen Jahren sicher gut gerecht geworden. Mit dem Biologie-Preis für Burdas Hunde, die ihre  „Geschäfte“ Magnetfeld-gesteuert verrichten, könnte sich die Ig-Nobel-Komitee jedoch diesmal einen Bärendienst erwiesen haben.

(Notiz zum Schluss: Dem Autor ist bewusst, dass er Burdas Hundehaufen-Paper mit diesem Beitrag wieder einen Altmetrics-Zählpunkt mehr verschafft hat.)

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2 Gedanken zu „Hundehaufen erweisen Ig-Nobel-Preis und Altmetrics einen Bärendienst“

  1. Das Problem, dass Aufmerksamkeit gemessen wird, teilt sich ‚Altmetrics‘ natürlich mit allen Metriken: Zitationen z.B. messen nur die Aufmerksamkeit von Forschern (sowie die Grösse des relevanten Feldes) und akkumulieren sogar noch, wenn der zitierte Artikel bereits lange zurückgezogen wurde. Der sog. Impact Factor von Thomson Reuters misst nur, wie gut der Verlag eines Journals mit Thomson Reuters verhandeln kann — und je besser das funktioniert, um so mehr Aufmerksamkeit bekommt das Journal. Qualität ist bislang noch nicht automatisch zählbar; und in den Fällen, in denen es von Hand durchgeführt wurde, korrelierte das Mass überraschend häufig *negativ* mit der Aufmerksamkeit, die das Journal genoss, in dem der Artikel publiziert wurde — und in keinem Fall *positiv*.

    Kurzum, es mag sein, dass ‚Altmetrics‘ nicht das messen, was wir gerne messen würden, aber verglichen mit dem Status quo haben sie keine Probleme sich zu behaupten.

  2. BadBoyBoogie sagt:

    Ich lach mich tot: Ratet mal, welche wissenschaftliche Höchstleistung im aktuellen(!) GEO 12/2014 ohne jegliche relativierende Anmerkung der GEO-Redaktion als seriöse Wissenschaft präsentiert wird?

    Genau: die Hundescheisse-Studie.

    Online-Link: http://www.geo.de/GEO/natur/tierwelt/kuriose-forschung-hunde-koten-in-nord-sued-richtung-79260.html

    (Bildunterschrift: „Besitzt der Hund am Hinterteil eine Kompassnadel?“)

    Naja, die Titelgeschichte dieser GEO-Ausgabe ist ja mindestens genauso dünn: „Digital macht schlau“ – ein unreflektierter, komplett Kritik- und Wissenschaft-freier Lobgesang auf iPad & Co. – und auf jene Pädagogen, die ihre Schutzbefohlenen möglichst intensiv der verblödenden Dauerberieselung vor Flachbildschimen aussetzen.

    Recherche haben diese selbsternannten Qualitätsjournalisten offenbar nicht mehr nötig, wenn sie derartige mediale Dünnpfiffe produzieren.

    GEO – war das nicht mal jenes tolle Magazin, das anschaulich und verständlich Wissenschaft(!) präsentierte? Mag sein. Ist offenbar aber längst zur Bio-BILD für Ignoranten verkommen.

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