Kleben mit Kraft — aber mit welcher?

18. Juli 2014 von Laborjournal

Man scheint nicht wirklich dahinter zu kommen, wie und warum Geckos kopfüber an glattesten Flächen kleben können. Obwohl der Mechanismus doch allerhöchstes Anwendungspotential verspricht.

Erst kürzlich berichteten wir an dieser Stelle über den verblüffenden Befund, dass die Kletterakrobaten im Trockenen zwar an bestimmten Teflonflächen (Polytetrafluoroethylen, PTFE) abrutschen — nicht aber, wenn die PTFE-Fläche mit einem Wasserfilm überzogen ist (PNAS 110(16): 6340-45). Kaum haben wir dies verdaut, gibt es schon wieder Verwirrendes von den Deckenläufern zu berichten — nämlich, dass die seit Jahrzehnten favorisierte Erklärung für deren Klebemechanismus offenbar falsch ist.

Ursprünglich vermutete man, dass sich zwischen Geckozehen und Kletterfläche elektrostatische Kräfte aufbauen. Im Jahr 1934 ging jedoch der Gothaer Forscher Wolf-Dietrich Dellit der Sache genauer auf den Grund, indem er ionisierende Röntgenstrahlen auf Geckofüße richtete, die an blankem Metall klebten. In der somit ionisierten Luft sollten sich keinerlei Ladungsdifferenzen zwischen Gecko und Metall ausbilden können. Doch die Geckos blieben einfach trotzdem hängen (Zool. Naturw. 68, S. 613–656, 1934).

Elektrostatische Kräfte waren seitdem out als treibende Klebekraft. Stattdessen favorisierte man seit 2002 van-der-Waals-Kräfte als physikalische Ursache. Diese treten natürlicherweise zwischen Oberflächen bei Berührung auf, sind aber viel schwächer als elektrostatische Anziehung. Allerdings würden sie sich über die Millionen von Härchen, welche die Zehensohlen der Geckos überziehen, letztlich zu ausreichender Stärke aufsummieren, schrieben die Autoren damals in PNAS (Vol. 99(19): 12252-56).

Doch auch dies scheint nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn wie kanadische Forscher berichten, habe man beim Ausschließen der elektrostatischen Kräfte bislang nicht bedacht, dass Geckozehen und Kletterfläche derart „luftdicht“ miteinander abschließen, dass destabilisierende Ionen sich wohl kaum aus der Umgebung dazwischen drängen könnten.

Also prüften sie achtzig Jahre später Dellits negatives Fazit aufs Neue. Sie „klebten“ Geckos sowohl an eine andere Art Teflon wie auch an den Silikongummi Polydimethylsiloxan. Mit beiden Materialien sollten die Geckozehen etwa gleich große van-der-Waals-Kräfte bilden. Dann zogen sie die Tiere wieder ab — und brauchten für die „Teflonkleber“ doppelt so viel Kraft als für die Silikonkletterer (Royal Soc. Inter. 10.1098/rsif.2014.0371, 2014). Überdies hatten sich die zuvor ladungsneutralen Geckozehen positiv aufgeladen — und die Kletterflächen entsprechend negativ.

Die Kanadier folgern daher natürlich, dass elektrostatische Kräfte sehr wohl die dominante Klebekraft der Geckos darstellen. Dummerweise haften diese aber nachgewiesenermaßen auch dort sehr gut, wo definitiv keine Kontaktelektrifizierung stattfinden kann, etwa an blankem Stahl oder — siehe oben — unter Wasser.

Die einzig sicher Schlussfolgerung daher: das nächste Gecko-Paper kommt bestimmt. Und dies wahrscheinlich sogar bald.

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