Überholmanöver

26. November 2013 von Laborjournal

Die eigene Forscherkarriere ist zwar schon eine ganze Weile vorbei, aber einige Dinge vergisst man nicht so schnell. Zum Beispiel, als beim ersten internationalen Meeting der Leiter einer kooperierenden Gruppe mich beiseite nahm, auf einen durchaus bekannten australischen Prof deutete und sagte: „Pass auf, was Du dem erzählst. Wenn’s ihm gefällt, hat er keine Hemmungen, sich sofort ans Telefon zu hängen und seine Leute direkt auf Dein Projekt umzuleiten. Wäre nicht das erste Mal, dass er sich bei dem Projekt eines anderen bedient und ihn links überholt.“

Später, bereits als Laborjournalist, begegnete ich einem ähnlichen, ungleich prominenteren Fall. Es ging um den Medizin-Nobelpreis 1998, den Robert Furchgott, Louis Ignarro und Ferid Murad für die Entdeckung von Stickstoffmonoxid (NO) als gasförmiges Signalmolekül insbesondere zur Gefäßerweiterung erhielten. Dies, obwohl es Salvador Moncada war, der 1987 in Nature erstmals NO definitiv als Signalmolekül verkündete. Bei den Recherchen zum Thema erzählten indes einige direkte Zeitzeugen die „wahre Geschichte“ dahinter. Demnach hätten Furchgott und Ignarro schon auf der 1986er-Tagung „Mechanisms of Vasodilation“ erklärt, dass der sogenannte „endothelium-derived relaxing factor“ (EDRF) wahrscheinlich NO sei — und bereits erste vielversprechende Daten präsentiert. Zumindest Moncada, der zu dieser Zeit einen ganz anderen EDRF-Kandidaten im Visier hatte, war offenbar sofort überzeugt. Jedenfalls berichteten unsere Gesprächspartner, dass dieser daraufhin sofort sein gesamtes Labor auf NO umdirigierte. Am Ende überholte er tatsächlich vor allem Ignarro, der seine Ergebnisse erst einige Monate nach Moncadas Nature-Paper in PNAS herausbringen konnte. Dummerweise kam der Tagungsband der 86er-Konferenz, in dem klar drinstand, wer tatsächlich zuerst auf der NO-Spur war, erst 1988 heraus. Immerhin war dies am Ende aber scheinbar auch das Schlüssel-Kriterium für die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees gegen Moncada. (Ausführlicher nachzulesen ist diese „Geschichte“ übrigens in Laborjournal 10/98: 10-11)

Ja, wenn es um Priorität in „heißen Feldern“ geht, muss sich der Anstand wohl öfter mal ganz hinten anstellen. Dass es vor allem in „kleineren Feldern“ jedoch auch grundsätzlich anders geht, zeigt der folgende Absatz aus dem Aufsatz „Scooped“, den der US-Crustaceenforscher Zen Faulkes 2009 im Blog Marmorkrebs veröffentlichte:

I’ve also conducted and published research on ascidians, and I was impressed by how that research community seemed organized and generally cohesive. At their meeting, they would arrange informal “working groups” to cooperatively plot out some of the research plans so that the projects in different labs were complementing rather than competing. The ascidian community realized there are benefits to community and communication.

Und er schließt:

There is more than enough research […] to do that there should be some way to ensure that we don’t waste time duplicating our efforts.

Es wird wohl keiner sagen, dass da nichts dran ist.

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