Glaubt den Artikeln nicht!

20. Februar 2013 von Laborjournal

Schon mal erlebt, dass eine Gruppe auf ihrer Webseite vor den Veröffentlichungen eines ehemaligen Mitarbeiters warnt, weil er darin offensichtlich gefälscht hat? Französische Pflanzenpathologen haben gerade genau dies getan. Auf ihrer Seite am INRA Research Center in Clermont-Ferrand-Theix schreiben die beiden Gruppenleiter und Sonnenblumen-Experten Denis Tourvieille de Labrouhe und François Delmotte:

Plagiarism, and usurpation of address by Nachaat Sakr in papers on sunflower (Helianthus annuus) downy mildew (Plasmopara halstedii)

INRA wishes to inform you that papers concerning sunflower downy mildew published or submitted for publication by Nachaat SAKR (AEC Syria*) since he finished his doctoral thesis at INRA in 2008, were written in complete absence of collaboration with the other authors, when they exist , and with no validation by INRA. There are important ethical and scientific acceptability problems for these papers. (1) N. Sakr uses results of other scientists and gives the INRA address (INRA-UBP, UMR 1095), without any agreement. (2) Some of the results presented could not have been obtained in the conditions described. (3) Several articles, published in different journals, describe exactly the same results and analyses. INRA thus asks that no credit should be given to articles published by N. Sakr who behaviour is in complete disagreement with accepted rules for scientific publications.

INRA cannot caution scientific publications by N. Sakr as sole author. If you require further information, or if you have a doubt on a paper submitted by N. Sakr, please contact the scientists who directed his thesis: Denis Tourvieille de Labrouhe (denis.tourvieille@clermont.inra.fr) and François Delmotte (francois.delmotte@bordeaux.inra.fr).

Mindestens ein Paper von Nachaat Sakr wurde bereits 2011 zurückgezogen. Offenbar gibt es von ihm aber noch mehr „faule Eier“ zu entsorgen. Ob der Fall allerdings auch offiziell von den betroffenen Journals oder Institutionen untersucht wird, ist Laborjournal nicht bekannt.

Abgesehen davon ist dieses Beispiel jedoch durchaus angetan mal darüber nachdenken, ob man nicht eine zentrale Online-Plattform einrichten sollte, auf der Forscher ihre Kollegen vor genau solchen „gefährlichen“ Veröffentlichungen warnen können. Klar würde das auch die Gefahr bergen, dass der eine oder die andere leichtfertig zu Unrecht an den Pranger gestellt würde. Aber dennoch: Die französischen Sonnenblumen-Forscher dürften bei weitem nicht die einzigen sein, die dafür Bedarf anmelden könnten. Und sie haben schon mal ein klares Beispiel geliefert, wie man derartige Warnungen auf saubere Weise mitteilt.

Foto: flickr/3pom

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6 Gedanken zu „Glaubt den Artikeln nicht!“

  1. Panagrellus sagt:

    Ich bin mir da nicht so sicher. Dieser konkrete Fall scheint ja klar zu sein, aber ich denke mal, gäbe es so eine Seite, würden sich konkrete Vorwürfe allzu oft mit haltlosen Verdächtigungen oder gar böswilliger Diffamierung mischen – am Ende wäre niemandem geholfen.

    Was helfen könnte, die „dunkel Materie“ in den Journals zu reduzieren, wäre ein konsequenteres Vorgehen der Editors und vor allem auch der zuständigen Kommissionen an den Universitäten, nach den Richtlinien von COPE (commitee on publication ethics):

    D.h. bei einem konkretem Verdacht informiert der Editor des Journals die Universität bzw. das Institut, an dem die Arbeit gemacht wurde – nur dort, vor Ort, kann eine neutrale Kommission herausfinden, ob gegen Publikationsethik verstossen wurde. Leider verläuft diese Prozedur allzu oft im Sand..

  2. Ralf Neumann sagt:

    Ich denke, nach dem Muster, das die Franzosen in dem obigen konkreten Fall vorgelegt haben, könnte es sinnvoll sein. Nämlich, dass ein Labor — wenn es selbst merkt, dass ein (ehemaliger) Mitarbeiter geschummelt hat -– dies auf diese Art umgehend der Community mitteilen kann. Nicht Dritte, nur die betreffende Gruppe selbst!

    Das wären dann ziemlich sicher keine haltlosen Verdächtigungen (Diffamierungen sind aus niederen Motiven natürlich immer möglich). Und es wäre SCHNELL. Kommissionen bei Journals und Institutionen mahlen — wie Du selber schreibst — oftmals sehr langsam (wenn überhaupt). Und Editoren versuchen sowieso mehrheitlich (es gibt Ausnahmen!) jeglichen Verdachtsmoment abzuwimmeln, damit ihr Journal und ihr Peer Review-System nicht unter Verruf kommen. Alleine mit den Beispielen, die wir hier bei Laborjournal erlebt haben, könnten wir ein dickes Buch füllen. Siehe etwa das Beispiel des frisch zurückgezogenen Papers in diesem Lab Times-Artikel.

  3. Panagrellus sagt:

    „Und Editoren versuchen sowieso mehrheitlich (es gibt Ausnahmen!) jeglichen Verdachtsmoment abzuwimmeln, “

    – Ich kann das nicht beurteilen, aber wenn es so wäre, fände ich es in der Tat schockierend. Ich will hoffen, dass eher das Negativbeispiel , das im LabTimes-Artikel vorgestellt wird, eine Ausnahme ist.

    Ich habe selbst mehrere Jahre als Editor für einen britischen open access – Verlag gearbeitet, und dort sind wir jeder Meldung über potentielle Unregelmässigkeiten nachgegangen – das kann in der Tat eine Weile dauern, weil man oft Hilfe von Experten braucht, aber einfach ignorieren kann man Unregelmässigkeiten nicht.

    Sehr empfehlen kann ich jedem Editor, der sich unsicher ist im Umgang mit potentiellem Fehlverhalten, die COPE flow charts:

    http://publicationethics.org/resources/flowcharts

    Ich habe auch öfter an Meetings von COPE in London teilgenommen, wo Editors verschiedener Journals ihre aktuellen „Problemfälle“ anonymisiert vorstellen und gemeinsam das weitere Vorgehen diskutieren. Die Editors, die ich dort kennengelernt habe, waren alle sehr bemüht, Plagiate und anderes Fehlverhalten in ihren Zeitschriften abzustellen – allein schon, um die Reputation auf Dauer sicherzustellen.

  4. Ralf Neumann sagt:

    Thema Editoren: Les‘ mal die Kommentare unter diesem Retraction Watch-Beitrag (vor allem ab Kommentar Nr. 10 von „Paul Brookes“):
    http://retractionwatch.wordpress.com/2011/09/28/you-can-do-that-a-massive-correction-in-nature-but-no-retraction/

    Hatte damals folgendes Lab Times-Editorial mitverursacht:
    http://www.labtimes.org/labtimes/issues/lt2012/lt01/lt_2012_01_3_3.pdf

  5. D.S. sagt:

    @Panagrellus: Löblich wenn Du das so gemacht hast. Es ist aber längst nicht immer so.
    @Ralf und Panagrellus: Ich kenne mittlerweile auch zwei Paper die definitiv Fälschungen enthalten. Ein Paper zeigt eine Abbildung in denen mehrere Wildtyp und veränderte Zellen abgebildet sind. Diese Zellen sind aber die gleichen Zellen, nur unterschiedlich gedreht und verschoben. Es ist definitiv eine geplante Fälschung. Der Editor des Journals wurde angeschrieben und im Endeffekt wurde das Paper als Korrektur veröffentlicht mit dem Hinweis diese Fälschung sei ein Versehen gewesen. Sprich alle Schlüsse aus einer gefälschten Abbildung die im Paper gezogen wurden blieben erhalten. Da kann man sich Abbildungen ja gleich sparen. Warum wird sowas nicht zurückgezogen.
    Der zweite Fall beschreibt eine Nature Veröffentlichung. In dieser Veröffentlichung wird eine bahnbrechende Methode vorgestellt. Um die Methode durchführen zu können muss man allerdings einige Chemikalien kaufen die es nur bei einer Firma gibt (wahrscheinlich gehört die Firma einem der Inhaber…). Auf jeden Fall ist die Methode in keinster Weise reproduzierbar. Dieses konnten mir auch andere Labore bestätigen. Alle Versuche die Autoren zu kontaktieren für Details Ihrer Versuchsdurchführung die eventuell nicht im Paper stehen sind gescheitert – warum ist klar…

  6. D.S. sagt:

    Einem der Inhaber soll einem der Autoren heißen…

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