Förderung nur bei „Nature-Niveau“?

21. August 2012 von Kommentar per Email

(Kürzlich erhielten wir den unten folgenden Erfahrungsbericht zum Thema DFG-Anträge. Wir haben ihn anonymisiert und überarbeitet — und stellen das Thema hiermit zur Diskussion.)

Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel „Außer Kontrolle“ in Laborjournal 6/2012, S. 21-25, über die Forschungsförderung der DFG gelesen. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen meine Situation und Erfahrungen mit der DFG schildern.

Ich war mehrere Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem biochemischen Institut; zur Zeit bin ich in der Position als Vertretungsprofessorin bis voraussichtlich Ende September 2012 eingestellt. Seit einigen Jahren versuche ich für meine Forschung Drittmittel einzuwerben, was bis auf eine Ausnahme leider erfolglos war. 2009 stellte ich schließlich wieder einen Antrag auf Sachbeihilfe bei der DFG (inklusive Beantragung meiner eigenen Stelle). Ich hatte gehofft, dass der Antrag diesmal genehmigt wird, da er auf schon veröffentlichten Daten, unter anderem im Journal of Cell Science, basierte und ich weiterhin eine interessante, neue In vivo-Methode in Deutschland etablieren wollte. Die finanziellen Mittel für die Geräte, die dafür notwendig sind, wurden mir zuvor von meiner Universität im Rahmen eines Antrags auf „Einrichtung einer eigenen Arbeitsrichtung“ genehmigt.

Im September 2010 erhielt ich den Bescheid über die Ablehnung des Antrags, obwohl die Gutachten grundsätzlich eine Förderung empfohlen haben. Dennoch habe ich mit fast nicht vorhandenen finanziellen Mitteln an diesem und verwandten Projekten weitergearbeitet und eine weitere Publikation veröffentlichen können.

Im übrigen habe ich durch sehr effiziente, von mir initiierte Kooperationen mit anderen Einrichtungen diese Publikationen erst möglich gemacht — ohne DFG-Unterstützung wohlgemerkt! Daher entschied ich, den Antrag nach Aufnahme von neuen, unveröffentlichten Ergebnissen im September 2011 nochmals einzureichen. In diesem neuen Antrag ging ich auch auf die marginale Kritik der Gutachter des ersten Antrags von 2010 eingegangen (welche ich allerdings eher als Anregung im Falle einer Förderung verstanden habe).

Ende Mai 2012 bekam ich wieder eine Ablehnung der DFG. Ich kann es natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen, allerdings hatte ich das Gefühl, dass diesmal andere Gutachter als bei der ersten Version des Antrags von 2009 ausgewählt worden waren. Dennoch wurde von diesen erneut die Förderung des Antrags ausdrücklich empfohlen.

Die Begründung der Ablehnung der DFG erscheint mir daher ein wenig an den Haaren herbeigezogen und „Budget-verwaltungspolitisch“ gefärbt zu sein. Wie euphorisch muss denn ein Gutachten sein, damit ein Antrag genehmigt wird? Sollte die Bereitstellung von staatlichen Forschungsgeldern für universitäre naturwissenschaftliche Forschung nicht eher sachlich, nüchtern und entlang solider Gutachten erfolgen? Wie soll es denn möglich sein, „Highlights“ zu produzieren, wenn kaum finanzielle Mittel vorhanden sind?

Meine Stelle wird wahrscheinlich im September 2012 auslaufen, vermutlich wird zum Wintersemester 2012/13 ein Nachfolger auf die Professur berufen. Da ich nach Hochschulrahmengesetz schon zwölf Jahre an der Universität beschäftigt bin, ist für mich die Forschung in Deutschland folglich somit beendet. Aufgrund meiner Erfahrungen mit der DFG und den für mich negativen Rahmenbedingungen innerhalb der universitären deutschen Forschungslandschaft habe ich nichts mehr zu verlieren. Daher beabsichtige ich, demnächst eine Stellungnahme an die DFG zu schicken — in der Hoffnung, dass in Zukunft auch kleine Arbeitsgruppen die Gelegenheit haben, Drittmittel einzuwerben.

Nachdem ich den Fall nun geschildert habe, interessieren mich natürlich auch die Meinungen anderer zum Thema. Sind die Mittel der DFG tatsächlich so begrenzt, dass es nur mit einem Artikel auf „Nature-Niveau“ möglich ist, Drittmittel einzuwerben? Oder nur mit den entsprechenden Beziehungen zu den Fachkollegien der DFG?

(Die erwähnten Ablehnungsbescheide wie auch ein Entwurf der angekündigten Stellungnahme an die DFG liegen Laborjournal vor.)

(Illustration: Andrea Danti – Fotolia.com)

 

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4 Gedanken zu „Förderung nur bei „Nature-Niveau“?“

  1. Erik Maronde sagt:

    Ich habe ähnliche Erfahrungen mit DFG-Anträgen gemacht. Ablehnungsgrund „Gutachter nicht euphorisch genug“, „Antragsteller kann nicht mit humanen Fettzellen arbeiten, weil er bisher nur mit Maus-Fettzellen gearbeitet hat (übrigens trotz unveröffentlichten Daten mit humanen Fettzellen im Antrag)“, „hat nur zwei Endocrinology Paper zur Thematik veröffentlicht“, usw. Einmal wurde ein Antrag zunächst abgelehnt, weil „der Antragsteller am MPI arbeitet“. Das galt aber nur für meinen Mitantragsteller, also bekam ich etwas Geld, aber keine Personalmittel. Gut, dass ich abends Zeit hatte selbst an dem Projekt zu arbeiten und einen Doktoranden fand, der zwar bezahlt wurde, aber eigentlich kein Projekt hatte. Daraus enstanden fünf Publikationen u.a. im FASEBJ. Leider wieder nicht gut genug für eine Förderung…
    Glücklicherweise habe ich nach ein paar Jahren in einer Biotech-Firma, jetzt eine unbefristete Stelle.
    Mein Eindruck ist zudem auch, dass wie im Beitrag oben schon gesagt wurde, keineswegs alle Antragsteller auf Nature-Niveau publizieren müssen.
    Als Mitglied des aussterbenden sogenannten Mittelbaus hat man m.M. nach nahezu keine Chance Geld von der DFG zu bekommen. Ich werde es trotzdem nicht aufgeben.

  2. cb sagt:

    „Natural Selection; or The Survival of the Fittest“
    Zitat BMBF:“mit den drei großen Initiativen „Hochschulpakt 2020“, „Exzellenzinitiative“ und „Pakt für Forschung und Innovation“ wird die deutsche Wissenschaft für die Herausforderungen der nächsten Jahre fit gemacht.“

  3. Trickster sagt:

    Die eigentliche Frage ist doch, ob die geförderten Mitbewerber tatsächlich besser waren (z. B. alle Artikel auf Nature-Niveau und/oder tolle Anträge). Wenn man sich z.B. die aktuell geförderten Emmy-Noether Nachwuchsgruppenleiter anschaut, die haben fast alle Nature/Cell/Science-Artikel. Es mag einem gefallen oder nicht, aber die Konkurrenz ist mittlerweile so stark. Und schliesslich werden die Mittel kompetitiv vergeben.

  4. Ralf Neumann sagt:

    Was natürlich wiederum die alte Frage aufwirft, ob das, was in NatureScienceCell steht, tatsächlich „besser“ ist als das, was J. Zool./Virol./Bot. und Co. bringen. Bekanntlich sind hierzu die Meinungen schon lange ziemlich divers. Ein beliebter „Augenzwinkerer“ war etwa schon vor dreißig Jahren der Satz des Basler Zellbiologen Gottfried Schatz: „Not everything written in Nature and Science is wrong.“

    Aber eigentlich ist das schon wieder ein anderes Thema…

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