Daumenprobleme?

3. Juli 2012 von Laborjournal

In den letzten Tagen gingen in der Redaktion vermehrt Meldungen von Pipettenherstellern ein, in denen sie insbesondere und umfassend die vermeintlich überlegene Ergonomie ihrer neuen Produkte herausstrichen. Uns erinnerte dies natürlich sofort an das launige „Inkubiert“ aus Laborjournal 11/2010, welches wir aus diesem Anlass hiermit „wiederbeleben“:

„Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welche Schwerarbeit Ihr Daumen während eines mehrstündigen Pipettier-Marathons leistet?“ Schicksalsträchtig mahnend springt einem diese bedrohlich klingende Frage vom Kopf des Firmenprospekts direkt ins Gewissen — Abteilung „Selbstprüfung“.

„Äh, nein — nicht wirklich“, muss sich der in nahezu einem Jahrzehnt Laborarbeit gestählte Postdok eingestehen. „Schwerarbeit verrichte ich eher auf dem Mountainbike, dem Snowboard oder dem Fußballplatz“, denkt er vielmehr. „Ach ja, und natürlich beim Holz machen für den Kachelofen, Garten umgraben, Getränkekisten schleppen,… Aber hier im Labor? Höchstens mit unserem Riesenrotor, immer wenn das sukzessive Abzentrifugieren meiner 15-Liter-Fermenterkulturen ansteht. Aber beim Pipettieren?“

Dennoch schaut er sich unbewusst seinen Pipettierdaumen an. Sieht doch ganz normal aus. Lässt sich auch gut und schmerzfrei in alle Richtungen bewegen. Also, sei‘s drum. Unser Postdok nimmt sich die Broschüre der nächsten Firma. Schließlich hat der Chef gesagt, nach fast zwanzig Jahren seien jetzt mal neue Pipettensätze fällig. „Durch einen patentierten Einstellmechanismus wird die für den Spitzenabwurf aufzuwendende Kraft um 50% reduziert“, liest er darin. „Dadurch sinkt das Risiko von RSI-Symptomen (Repetitive Strain Injury) deutlich.“

Wieder ein fragender Blick auf seinen Daumen. Hm, weiter — die nächsten fünf Prospekte: „Ungünstige Armhaltung“, „Chronische Tenosynovitis (Sehnenscheidenentzündung)“, „Muskelverspannungen“, „Tendinitis des Daumens“, „Karpaltunnelsyndrom“, „Cumulative Trauma Disorders (CTD)“,…

Ist da nicht doch ein kleiner, dumpfer Schmerz in seinem Daumen? Und lief die alte TA aus dem Weiner-Labor nicht letztes Jahr tatsächlich wochenlang mit einem Daumen-Verband herum? Das gibt‘s wohl also wirklich.

Er rechnete durch. Er pipettierte wirklich viel, sicherlich mehrere Zehntausend Kolbenhübe und Spitzenabwürfe pro Woche. Mit zwanzig Jahre alten, garantiert vollkommen unergonomischen Pipetten.

Nochmal probierte er seinen Daumen. Dann begann er süffisant zu lächeln. „Nach denen müsste ich jetzt eigentlich schwer krank sein“, dachte er, schob die Prospekte auf die Seite und schüttelte grinsend den Kopf. „Aber Hauptsache, Panik gemacht…“.

 

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2 Gedanken zu „Daumenprobleme?“

  1. RevierPate sagt:

    Och, kommt schon … warum dürfen denn die Laborgerätehersteller nicht auch mal ein bisschen „Angst-Marketing“ machen? Bei der Pharmaindustrie hats doch auch geklappt und die wären sicherlich schon alle Pleite, wenn wir nicht immer alle brav die leckeren Vitaminpräparate futtern würden, gell? Wo wir doch alle so schrecklich unterversorgt sind, hier in Deutschland…

  2. Ergonomie sagt:

    Das ist richtig, aber irgendwie muss man ja seinen Verkauf etwas ankurbeln 🙂

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