Mäuse-Monokultur?

2. Dezember 2011 von Laborjournal

Daniel Engber ist Senior Editor beim US-Online-Magazin Slate. In dieser Funktion hat er dort kürzlich ein vierteiliges Mammut-Dossier über die Maus veröffentlicht, den biomedizinischen Modellorganismus schlechthin. Seine darin zahlreich zusammengetragenen Forscher-Anekdoten ranken sich indes hauptsächlich um eine Frage: Hat die übermäßige Fixierung der biomedizinischen Forschung auf das (Krankheits-)Modell Maus nicht zu einer eher ‚ungesunden‘ Abhängigkeit geführt?

Warum Mäuse über die Jahrzehnte eine derart zentrale Rolle als Modelle zur Erforschung menschlicher Krankheiten eingenommen haben, ist klar: Mäuse kann man leicht bekommen und billig halten, dazu ist deren Genom bekannt und jede Menge genetische wie auch andere experimentelle Techniken sind bestens etabliert. Was den nicht unerheblichen Nebeneffekt hat, dass man heutzutage mit Mausprojekten sicher leichter an Fördergelder kommt als mit ausgefalleneren Tiermodellen.

Die Folge ist, dass nach einer Studie der Europäischen Union im Jahr 2008 knapp 60% aller biomedizinischen Laborexperimente an Mäusen durchgeführt wurden. Zudem wurden im Jahr 2009 dreimal mehr Mäuse-Paper veröffentlicht als über sämtliche anderen Modellorganismen — wie Drosophila, Caenorhabditis, Hefe oder Zebrafisch — zusammen. Deutliche Zeichen einer bedenklichen Monokultur, wie Engber kritisiert.

Denn gar nicht mal so selten, so Engber weiter, taugen Mäuse schlichtweg nur „suboptimal“ zum Abbild menschlicher Krankheiten. Seit knapp vierzig Jahren würden beispielsweise Mäuse in der Tuberkuloseforschung die „kleinen Menschen“ geben. Dabei sei unser Atmungssystem deutlich anders strukturiert als dasjenige der Maus, weshalb beide letztlich auch unterschiedliche Formen der Tuberkulose entwickeln. (Siehe hierzu auch den 2009er-Review „Man and mouse TB: contradictions and solutions“, Tuberculosis Vol. 89(3): 195-8)

Nicht nur wegen dieses Beispiels bilanziert Engber schließlich:

Any animal model you use for disease is going to be similar to the human version of disease in some ways and different in other ways. If all of your experiments are done on the same animal, those differences are just going to keep coming up again and again and again. It’s self-limiting.

Was die Maus angeht, wiederholt Engber damit ein Ergebnis des Workshops „Of mice and men – are mice relevant models for human disease?“, den die Europäische Kommission im Mai 2010 in London veranstaltete. Als „Key Outcome“ Nummer eins hielt das Protokoll damals fest:

The mouse is the most common model organism for preclinical studies even though it has not proven particularly reliable at predicting the outcome of studies in humans.

Bereits zuvor kam das Internet-Wissenschaftsmagazin spektrumdirekt im Beitrag  „Und täglich grüßt das Mausmodell“ zu dem Schluss:

Mäuse sind die Alleskönner in den Labors von heute. Doch insbesondere bei der Immunforschung wollen sich viele Ergebnisse einfach nicht auf den Menschen übertragen lassen. Am Ende könnte die einseitige Festlegung jeden weiteren Fortschritt blockieren.

Engber dürfte also nicht alleine stehen, wenn er ganz zum Schluss dafür plädiert, die Mauslastigkeit der biomedizinischen Krankheitsforschung zu überdenken und insgesamt auf einen breiteren Ansatz umzuschwenken:

The classic inbred strains, mobilized for the war on cancer many decades ago, may offer the certainty of data and the most efficient means of its production. But one thing is clear: To do battle against the killers of men, they can’t march on alone.

Auch wenn er es etwas sehr dramatisch ausdrückt.

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