BIOTECHNICA (5): Messemüde

13. Oktober 2011 von Laborjournal

BIOTECHNICA 2011 -- das ist alles!

Gehen wir zehn Jahre zurück. Es läuft die BIOTECHNICA 2001, die Leitmesse für Laborzulieferer der biomedizinischen Forschung und Analytik. Die Hallen 8 und 9 der Messe Hannover sind prall gefüllt, 1.050 Aussteller präsentieren ihre Produkte.

Zeitsprung. Heute reichen die insgesamt 600 Aussteller gerade noch, um die Halle 9 „ganz gut“ zu füllen. Roche, einer der „Leithammel“ der Branche, nimmt erstmals nicht mehr teil. Thermo, ein anderes „Zugpferd“, stellt mittlerweile nur noch auf einem Bruchteil der einstmaligen Fläche aus. Nationen-Pavillons sieht man nur noch von der Schweiz, Holland, Korea und zwei, drei anderen; Spanien, Italien, UK, die skandinavischen Länder und viele andere sind dieses Jahr nicht mehr gekommen.

Uns von Laborjournal wurde zuletzt öfter vorgeworfen, dass wir die Messe „schlecht schreiben“ würden. Dabei wird indes häufig übersehen, dass wir hauptsächlich die Stimmen der Aussteller sammeln statt unsere ureigene Meinung zu verbreiten.

So auch jetzt.

Beim Blick über Halle 9 sagte etwa der Geschäftsführer eines mittelgroßen Laborzulieferers: „Die Gänge sind breiter, mehr Sitzecken dazwischen gestreut, das Restaurant weit in die Ausstellungsfläche ausgebreitet – sie tun wirklich alles, um die Illusion zu erzeugen, dass die Halle voll wäre.“

Ein anderer Geschäftsführer bestätigte uns umgehend, dass die Messe „deutlich nachgelassen“ habe. Auf die Frage, ob dies ein Resultat der Messepolitik sei oder tatsächlich den Zustand der Branche widerspiegele, sagte er ganz klar: „Die Messpolitik ist schuld, schließlich gehe es der Branche doch relativ gut.“

Damit meint er vor allem folgendes: Mitte des letzten Jahrzehnts beschloss die Messe-Gesellschaft, die BIOTECHNICA vom gewohnt zweijährigen auf einen einjährigen Rhythmus zu beschleunigen. Mit dem Resultat, dass mehr und mehr Aussteller das Tempo nicht mitgehen wollten. Ab diesem Jahr findet die BIOTECHNICA daher wieder alle zwei Jahre statt. Dennoch scheinen die aktuellen Ausstellerzahlen darauf hinzudeuten, dass das Kind bereits im Brunnen liegt.

Ein weiterer Geschäftsführer will dies jedoch nicht als alleinigen Grund stehen lassen. „Für diese Branche ist eine Messe einfach die falsche Art von Forum. Und das merken immer mehr Firmen, schwenken um zu anderen Strategien und bleiben weg.“

Auch da dürfte was dran sein. Die Laborausstatter beliefern direkt, also gibt es auch keine Einzelhändler, die die Messe besuchen, um Ware für ihre Geschäfte einzukaufen – wie etwa bei Sport-, Schmuck- oder Bekleidungsmessen. Und die Endkunden aus den Labors kommen so gut wie gar nicht auf die BIOTECHNICA. Also besuchen sich die Firmen hauptsächlich gegenseitig – allerdings in den wenigsten Fällen, um Geschäfte abzuschließen. Kein Wunder, wird die BIOTECHNICA inzwischen oft zum „netten Familientreffen“ verniedlicht.

Wir von Laborjournal sind dagegen in einer völlig anderen Situation. Wir treffen hier tatsächlich nahezu alle unserer Kunden. Kein Wunder daher, dass unser Anzeigenmann Bernd Beutel hier schon jede Menge wichtige Weichen für unser Anzeigengeschäft des nächsten Jahres stellt. Entsprechend wissen wir jedes Mal nach der BIOTECHNICA schon recht zuverlässig, wie das Folgejahr wirtschaftlich für uns laufen wird.

So gesehen haben wir also den schlechtesten aller Gründe, die BIOTECHNICA „schlecht zu schreiben“, da deren Wegfall für uns ein tatsächlicher Verlust wäre. Aber man sollte den Tatsachen ehrlich ins Auge schauen. Und die sagen ziemlich klar: Die BIOTECHNICA braucht eine „Frischzellenkur“, die Veranstalter müssen sich was einfallen lassen. Vielleicht einen großen Forscher-Kongress daran koppeln? Das Ganze mehr Fest-artig aufziehen?…

Wir werden uns weiter Gedanken dazu machen. Denn wie gesagt, ohne die BIOTECHNICA würde trotz allem etwas fehlen. Nicht nur uns — das war vielmehr auch Tenor der meisten anderen Aussteller.

Wenn in der Zwischenzeit also jemand einen Vorschlag für die „BIOTECHNICA der Zukunft“ hat – immer gerne! Als Kommentar unten oder direkt an redaktion@laborjournal.de.

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2 Gedanken zu „BIOTECHNICA (5): Messemüde“

  1. Janek W. sagt:

    Ich bin besonders von der diesjährigen Messe enttäuscht. Ich habe an keinem Stand etwas gesehen/vorgeführt bekommen, von dessen Existenz ich nicht schon seit einem halben Jahr weiß. Das liegt aber sicherlich auch an der Praxis der Firmen. Es wird halt das neuste Produkt sofort dem Endkunden vor Ort vorgestellt und nicht erst auf so eine Messe gewartet (die Konkurenz könnte ja schneller sein). Man kann eigentlich wirklich nur hoffen, dass die (Kreativ)Pause gut tut.

  2. Winfried Köppelle sagt:

    Dazu passend der Kommentar der Produktmanagerin eines großen internationalen Reagenzienzulieferers, gestern erhalten per E-Mail:

    „Ich habe von einigen Leuten gehört, dass die Messe etwas klein war dieses Jahr. Die ganzen Mitanbieter hatten wohl alle kleine Stände und das Publikum war auch nur mäßig interessiert.“

    Das finale Statement des Veranstalters, der Deutsche Messe AG, lautete natürlich etwas anders:

    „Mit einem positiven Fazit ist am Donnerstag die BIOTECHNICA 2011, Europas führendes Messe- und Kongress-Event für Biotechnologie und Life Sciences, zu Ende gegangen. „Die BIOTECHNICA hat mit den richtigen Themen gepunktet und mit einem deutlichen Zuwachs an Ausstellern und Besuchern überzeugt. Sie hat eindrucksvoll gezeigt, welchen Stellenwert die Biotechnologie in allen Lebensbereichen und der Wirtschaft einnimmt“, sagte Dr. Andreas Gruchow, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Messe AG, Hannover, zum Abschluss der dreitägigen Veranstaltung.“

    In Abwandlung eines bekannten Spruchs:

    Besucher und Standbetreiber sind vom Mars, der Veranstalter wohl eher von der Venus (oder gar vom Pluto?).

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