Frankfurter Universität macht sich zum Gespött

15. Dezember 2010 von Laborjournal

Lässt die Europa-Universität Viadrina schon im kommenden Frühjahr die ersten Orgon-Akkumulatoren in der Mensa aufstellen? Die kühlschrankgroßen Kabinen, die aussehen wie Telefonhäuschen für Zwerge, können die 6000 Studenten der Frankfurter Hochschule dann täglich ein Viertelstündchen bewohnen und dabei kräftig mystische Orgon-Energie futtern. Frisch aufgeladen schweben die Hochschüler alsbald zurück in ihre Hörsäle, bereit für die nächsten Lektionen im „Lehrmodul Energy Medicine“ am Institut für transkulturelle Gesundsheitswissenschaften (IntraG).

Kein Angst, lieber Leser, wir haben noch alle Tassen im Schrank. Hoffen wir zumindest. Ob das in Frankfurt auch so ist, darüber rätselt seit Monaten die Republik. Gewisse für den Studienplan zuständige Personen an der 1991 gegründeten Hochschule (deren Rektor übrigens ein ehemaliger Staatssekretär des Auswärtigen Amts namens Günther Pleuger ist), scheinen wenigstens an gravierendem Realitätsverlust zu laborieren.

Denn diese rein hypothetische, niemals gemessene Orgon-Energie ist selbstredend ein wahnhaftes Fantasieprodukt. Erdacht hat es der 1957 gestorbene, österreichische Psychiater Willi Reich. Heute, im vermeintlich evidenzbasierten Zeitalter von Kernspintomografen und Antikörper-Therapien, hat es Reichs Mumpitz also doch noch geschafft, offizieller Bestandteil der Lehrpläne zumindest an der Viadrina zu sein – an einer einst geachteten Hochschule, deren Vorläufer-Institution (die „erste brandenburgische Landesuniversität“) etwa der (seriöse) Naturforscher Alexander von Humboldt besuchte.

Oder anders ausgedrückt: Eine zugelassene deutsche Hochschule vermittelt als offiziell zugelassenen „Weiterbildungs-Lehrgang für Ärzte, Apotheker und Psychotherapeuten“ die Wahnideen eines Mannes, der in den 1950er Jahren einen „kosmischen Krieg“ gegen außerirdische fliegende Untertassen führte.

Nicth wenige Ärzte mit Fortbildungsverpflichtung werden künftig ebenfalls diesen Masterstudiengang „Komplementäre Medizin-Kulturwissenschaften-Heilkunde“ belegen. Immerhin können sie dabei zusätzlich bis zu 250 Fortbildungspunkte ergattern.

Die Viadrina Frankfurt (Oder) trägt übrigens stolz das Erasmus-Qualitätssiegel des DAAD. Im Hochschul-Ranking von „Die Zeit“ im Jahr 2008 landete die Einrichtung im Spitzenfeld.

Auf ihrer Website brüstet sich die Viadrina ferner damit, „regionalen und überregionalen Unternehmen und Institutionen ein breites Spektrum an Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Dialoges“ anzubieten, damit diese „qualifizierte Mitarbeiter mit internationaler Kompetenz“ (sprich: die Uni-Absolventen) gewinnen können.

Klar. Mit esoterischer Fachkompetenz in Orgontherapie und Akkumulatorenbau, vermutlich. Ulrich Berger hat die Angelegenheit in seinem Blog in einer dreiteiligen Serie „Akademische Esoterik: der Fall Viadrina“ hervorragend aufgearbeitet. Aber halten Sie sich bitte fest: Reichs Orgonspinnereien sind bei weitem nicht alles, was an der Oder so alles gelehrt wird…

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