Aus der Uni weg-geregelt

30. September 2015 von Laborjournal

Letzte Woche traf ich einen Biotech-Unternehmer. Eher privat und „off the record“. Dennoch kamen wir im Gespräch irgendwann auf die Gründung seiner Firma, damals vor fast 15 Jahren. Und plötzlich sagte er:

„Weißt du, die Uni hat es mir damals sehr leicht gemacht, die akademische Forschung zu verlassen.“

„Wie das?“, fragte ich schon fast aus Reflex. Solche Aussagen müssen einen Laborjournal-Redakteur natürlich interessieren — auch wenn er eigentlich nicht im Dienst ist.

„Na ja“, fuhr er fort. „Über zehn Jahre hatte ich damals an der Medizinischen Fakultät in ‚meinem’ Institut geforscht und gelehrt — die letzten davon als unabhängiger Leiter einer Nachwuchsgruppe. Und ich war beileibe nicht unerfolgreich, bekam Preise und warb ordentlich Drittmittel ein. Eines Tages jedoch wurde der Ordinarius meines Instituts emeritiert, und ich selbst sollte im Zuge von Umstrukturierungen zunächst mal offiziell als Gast an die Chemische Fakultät wechseln.“

Ich musste zugeben, dass ich so etwas vorher noch nie gehört hatte.

„Ja, ich auch nicht“, fuhr mein Gesprächspartner fort. „Aber damals dachte ich: Was soll´s? Ob Medizin oder Chemie drübersteht, ist doch egal. Hauptsache, ich kann mit meinen Leuten die ganzen Projekte weiter machen… Oh, mein Gott, wie naiv ich damals war.“

„Warum, was passierte dann?“

„Meine Leute waren allesamt über DFG-Gelder eingestellt. Und das wiederum hieß, sie verblieben de jure an der Medizinischen Fakultät. Fortan verfügte formell also der Emeritus über sie, zumindest solange der Lehrstuhl nicht neu besetzt war. Und der sah plötzlich die unverhoffte Chance, mit ihnen doch noch ein paar eigene Dinge fertig zu bekommen.“

„Ach, du Sch…“

„Du sagst es. Ich verstand die Forscherwelt nicht mehr. Schließlich wandte ich mich an die Chefjuristin der Universität. Doch auch sie stellte klar, dass nach den Vorgaben des Hochschullehrergesetzes immer der Leiter der Einrichtung der Vorgesetzte der dort beschäftigten Angestellten sei. Folglich habe ich als wissenschaftlicher Angestellter auch keinerlei Weisungsberechtigung. Zudem sei ich ja nur Gast der Chemischen Fakultät, eine Zuordnungsentscheidung für die übrigen Mitarbeiter könne daher nur der entsprechende Professor in Abstimmung mit dem Dekan treffen. Es gehe ja schließlich immerhin um die Ressourcen einer Fakultät, schloss sie unser Gespräch.“

„Puh. Voll in die Sackgasse gefahren…“

„Ja. Aber der Ärger währte nur kurz. Ich war ja schon dabei, die Firma zu gründen. Ich beendete also kurzum meine laufenden Projekte und kehrte der Uni zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Rücken.“

„Hast du später mal bereut, dass es so gekommen ist?“, fragte ich.

„Nein, das mit der Firma hat von Anfang an Spaß gemacht. Vor allem, weil ich hier mein eigener Herr war und ich mich nicht um solche verwaltungsjuristischen Vorgaben scheren musste… Ach ja, und jetzt erinnere ich mich wieder…: Der Juristin schrieb ich damals nach meinem Abgang extra noch eine Mail, wie glücklich ich jetzt sei, dass ich mich aus diesem universitären Frust und Quatsch verabschieden konnte.“

Dem war dann an diesem Abend nichts mehr hinzuzufügen.

Nobelpreis reformieren oder abschaffen!

23. September 2015 von Laborjournal

In zwei Wochen ist wieder „Nobelpreiswoche“. Zeit und Gelegenheit, sich ein paar grundsätzliche Gedanken zu machen über Sinn, Zweck und Wirkung der höchsten Auszeichnung, die ein Wissenschaftler je bekommen kann.

Jedes Jahr würdigt das schwedische Nobel-Komitee die wichtigsten wissenschaftlichen Errungenschaften in ausgewählten Fachgebieten, indem es den Preis an bis zu drei Hauptentdecker verleiht. Diese Einschränkung (Alfred Nobel wollte ursprünglich gar keine Aufteilung der jeweiligen Preise!) erzeugt aber eine Gewinnermentalität, die nicht unbedingt dem Wohl der Wissenschaft dient. Während die anderen Mit-Entdecker leer ausgehen, genießen die Nobelpreisträger neben dem Geldpreis von 842.000 Euro pro Kategorie, einer Medaille aus echtem Gold und allerbesten beruflichen Aussichten auch die höchste gesellschaftliche Bekanntheit und Anerkennung. Mit dem Nobelpreis wird nämlich auch stillschweigend der Nimbus des Genies oder Übermenschen verliehen. Der Nobelist (es sind nun mal größtenteils Männer) wird von den Massenmedien und der Populärkultur zu einer höheren moralischen Instanz ernannt und als Experte für alles, wenn nicht gleich als Prophet, akzeptiert. Und genau aus diesem letzteren Grund finde ich, der Nobelpreis gehört entweder abgeschafft oder radikal umgewandelt.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Wie fließt wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn?

9. September 2015 von Laborjournal

Vor kurzem den folgenden Flow Chart zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn gefunden:

 

 

Okay, es waren Schüler, die ihn erstellt haben, und die Veranstaltung zielte primär auf Scientific Writing. Dennoch lohnt es sich, mal kurz darüber nachzudenken. Gerade weil das Flussschema so wohl nicht ganz richtig ist — zumindest, was die experimentelle Forschung betrifft.

Zuerst einmal ist es schön, dass die Schüler als letzten Schritt das (Mit-)Teilen der Resultate und Schlussfolgerungen aufgenommen haben. Genauso wie sie damit angedeutet haben, dass die mitgeteilten Resultate in aller Regel wieder neue Fragen aufwerfen — wodurch der Kreislauf in die nächste Runde geht. Robuster Erkenntnisgewinn funktioniert tatsächlich meist über solche mehrfach durchlaufenen Zyklen.

Was allerdings stört, ist die Position der Beobachtung im Zyklus. Diesen Beitrag weiterlesen »

Forschung steht auf einer Säule, nicht auf vier

3. September 2015 von Laborjournal

Die Institutionen sollen ihren Teil zu Reproduzierbarkeit und zuverlässige Forschung beitragen — das fordern Ulrich Dirnagl, Leiter des Schlaganfallcentrums an der Charité Berlin, sowie Glenn Begley, leitender Wissenschaftler bei der US-Firma TetraLogic Pharmaceuticals, und Alastair Buchan, Medizindekan an der Universität Oxford ganz frisch in Nature (Vol. 525: 25–27).

In ihrem Meinungsartikel identifizieren die drei Autoren die Universitäten und andere akademische Forschungseinrichtungen als mitverantwortlich für die mangelnde Reproduzierbarkeit publizierter Ergebnisse und werfen ihnen gar einen laxen Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten ihrer Forscher vor. Statt die Akademiker zu immer mehr und immer bombastischeren Publikationen zu anzutreiben, sollten die Institutionen lieber Sorgfältigkeit, Selbstkritik, gute Mitarbeiterschulung und zuverlässige Versuchsaufzeichnungen fördern — so die Autoren weiter. Konkret sollten sie dazu interne Regeln für die sogenannte Good Institutional Practice einführen. Wissenschaftler, die diese vorbildlich umsetzen, sollten mit Beförderungen belohnt werden, deren nachlässigere Kollegen hingegen Personal- und Fördermittelkürzung befürchten müssen.

Allesamt gute und sehr sinnvolle Vorschläge, ohne Frage. Nur wirken sie ein wenig wie das Weiterreichen von Verantwortung. Diesen Beitrag weiterlesen »